Mehr Stinke-Peer
Erschienen auf der ORF Wahl-13-App am 14.09.2013
Die Deutschen haben ihren Aufreger. Im Endspurt zur Bundestagswahl hat SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück mit gestrecktem Mittelfinger für das Magazin der Süddeutschen Zeitung posiert. Quasi als Antithese zu Kanzlerin Angela Merkel, deren zur Raute gefalteten Hände von der CDU sogar großflächig plakatiert werden. Auch bei uns hat es sehr gerautet. In der Woche drei vor der Nationalratswahl.
Die Welt bringt es in ihrer Samstag-Ausgabe auf den Punkt: Deutschland habe die Wahl zwischen Steinbrücks Stinkefinger und Merkels Raute. Bei uns ist das Bild noch ein bisschen diffuser.
Hat zuerst ÖVP-Obmann Spindelegger mit seinen überdrehten Fernsehauftritten für Gesprächsstoff gesorgt und danach Newcomer Stronach mit seinen skurrilen Aussagen über Berufskiller & Todesstrafe, so hatte in dieser Woche die SPÖ eindeutig die Nase vorn. Unerlaubte Querfinanzierung von Wahlkampf-Plakaten durch den Parlamentsklub. Das geht gar nicht. Schon gar nicht, wenn man vor wenigen Monaten ein Transparenzpaket beschlossen hat, das diese Praktiken ein für allemal abstellen sollte.
SPÖ macht die Raute
Doch die SPÖ macht die Raute: Alles sei rechtens, da mögen die anerkannten Experten bis hin zum Rechnungshof ruhig was anderes sagen. Das Kanzlerbüro bestellt sich sogar ein Gutachten vom hauseigenen weisungsgebundenen Verfassungsdienst, um die SPÖ-Position zu rechtfertigen. (Um dann doch einen Rückzieher zu machen: Die Partei zahlt sich die Plakate selber.) Die ÖVP sieht jetzt ihre Chance und ruft: Machtmissbrauch! Da ist was dran. Aber davor war die Schüssel-ÖVP seinerzeit auch nicht gefeit. Für ÖVP-Klubobmann Kopf ist das, wie er in einem Standard-Interview gesagt hat, nur Vergangenheitsbewältigung. Er wolle mit einem Kanzler Spindelegger beweisen, dass es auch anders geht. Danke für die Raute.
Zwei tolle Hechte
Und was ist mit den Protestparteien, die die Koalition das Fürchten lehren wollen? Auf der Suche nach einem Rezept gegen den jeweils anderen sind sie – natürlich nur auf den ersten Blick ganz nach dem FPÖ-Motto „Liebe deinen Nächsten“ – auf die gegenseitige Umarmung gekommen. Zwei tolle Hechte im Karpfenteich. Auch hier also Raute statt Stinkefinger. Und was kommt dabei heraus? FPÖ-Obmann Strache kann nicht erklären, wie er den EU-Beitrag Österreichs halbieren will – ganz zu schweigen davon, mit welchem Partner. Und Herr Stronach kann die einfache Frage, ob man nach der Einführung der von ihm geforderten Landes-Euros am Brenner oder in Tarvis wieder Geld wechseln müsse, nicht schlüssig beantworten. Das macht der Computer, automatische Wechselstube. Ok? Raute.
Code gegen den Stillstand
Steinbrücks Mittelfinger ist eine gezielte Provokation. Er hat im Bundestagswahlkampf vielleicht nichts verloren, aber der SPD-Frontmann hat nicht viel zu verlieren. Und er hat damit im Kontrast zu Merkels Raute einen Code gegen den Stillstand geprägt. Wir danken für die Anregung. Unser Wahlkampf ist mittlerweile schon auf die Zahnspange gekommen.