Lieber nach China
Zur Chinesischen Mauer des Schweigens, die SPÖ und ÖVP um die Koalitionsverhandlungen herum bauen wollen, kommt jetzt eine passende Information aus dem Burgenland. Landeshauptmann Hans Niessl, einer der dreizehn Hauptverhandler für die Sozialdemokratie, wird in den nächsten zehn Tagen besonders gekonnt und bequem schweigen, weil er weit weg vom Schuss und für lästige innenpolitische Journalisten daher auch nicht gut erreichbar ist. Niessl fliegt bis 31. Oktober mit einer pannonischen Delegation zu Wirtschaftsgesprächen nach China. Man muss Prioritäten setzen.
Jetzt könnte man böse einwenden: Niessl verhandelt einen Bereich, den Rot und Schwarz in unterschiedlicher Ausprägung nie sehr ernstgenommen haben. Nämlich Staatsreform und direkte Demokratie. Der SPÖ ist dazu in ihrem Wahlprogramm genau nichts eingefallen, kein einziges der 111 roten Projekte für die Zeit nach der Wahl – also für jetzt – beschäftigt sich damit. Und Niessls Gegenüber ist ja ein ÖVP-ler der alten Schule, Andreas Khol, dem zu viel direkte Demokratie bisher schon suspekt war und der als überzeugter Föderalist auch zu viel Staatsreform zu verhindern wissen wird.
Geisterspiel vor leeren Rängen
Aber das ist nicht der Punkt. Niessls Termin in Fernost ist symbolhaft für diese Geisterverhandlungen vor leeren Tribünen, die auch ein wenig überraschendes Ergebnis bringen werden. Erst werden zwei Verhandlungsteams á dreizehn Köpfe nominiert. Und wenn diese 26 Personen dann einmal zusammensitzen, wie erstmals am Dienstag, dann dauert der Zauber nicht einmal eine Stunde. Herausgekommen ist ein Fahrplan, den man ohne große Insiderinformationen auch zusammenstellen hätte können. Jetzt machen sich einmal die Untergruppen ans Werk – die achte zum Thema Staatsreform vorerst einmal ohne SPÖ-Hauptverhandler Niessl, weil der setzt ja in China Prioritäten – und dann schauen die Chefs, wo sie sich noch einbringen müssen, um den Karren flott zu machen.
Strategen längst am Werk
Als ob sie das nicht ohnehin schon längst wüssten. Seit dem Tag nach der Wahl wird doch in den engsten Zirkeln der beiden Parteien darüber nachgedacht, was man alles abhaken kann und wo es sich spießt, welche Wahlkampf-Festlegungen man selber in der Schublade verschwinden lassen muss und wo man dem schwarzen bzw. roten Vis-a-vis entgegenkommen kann. Alles andere wäre bei einem Wahlausgang wie diesem aus jeweiliger parteitaktischer Sicht fahrlässig.
Schmied, Fekter, Cap …
Auch personell sind ja schon deutliche Signale gesetzt worden: Unterrichtsministerin Schmied muss gehen, das ist schon fix, und auf der anderen Seite darf die Finanzministerin nicht das Kapitel Finanzen verhandeln. Aber Frau Fekter kämpft bis zuletzt. Angeblich auch die Minister Berlakovich und Stöger. Es wird weitere personelle Erneuerungszeichen geben. Nach jüngsten Informationen der Tiroler Tageszeitung wird es auch Klubobmann Josef Cap treffen, der von Andreas Schieder abgelöst werden soll und als Trostpflaster Medien-Staatssekretär werden könnte.
Schnell, schnell – wohin?
Werner Faymann und Michael Spindelegger sind also mit großer Wahrscheinlichkeit schon viel weiter, als sie nach außen den Eindruck vermitteln. Der Koalitionspakt soll nur ihre beiden Unterschriften tragen, das ist auch ein Zeichen dafür. Für ziemlich große Entschlossenheit. Ebenso der Umstand, dass in der großen Runde im Wesentlichen nur die Chefs den Mund aufgemacht haben dürften, denn mehr geht sich in weniger als einer Stunde nicht aus. Die Frage ist, wieviel weiter Faymann und Spindelegger sind.
Ob sie auch nur ansatzweise aus dem langen Schatten heraus treten oder besser springen können, den diese Koalition zum Leidwesen aller wirft. Und ob sie wissen, wo sie hin wollen. Schnell dort sein allein ist ganz gewiss zu wenig.