Der Luxus Länder
Schon einmal war es fast so weit: im Sommer 2010, Erwin Pröll war gerade Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz und im Begriff, große Beute zu machen. Die Länder sollten in Zukunft für alle Lehrer zuständig sein, als auch für jene an den Gymnasien und den Berufsbildenden Höheren Schulen. Das sei so mit dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler besprochen, erklärte Pröll damals im Ö1-Interview. Er zerstörte damit seinen ganzen schönen Plan. Denn die Sache war vor allem in der Bundes-SPÖ längst nicht so unumstritten, wie Pröll dekretieren wollte – und die angekündigte Einigung platzte. Jetzt sollen Niederösterreich & Co. also doch noch zu diesem Machtzuwachs kommen.
Grüne und FPÖ – eine der beiden Oppositionsparteien würden Rot und Schwarz für diese Kompetenzverschiebung brauchen – haben vorsorglich schon einmal die Warntafeln aufgestellt.Für Machtspiele der Landesfürsten will man sich nicht hergeben. Und diese Befürchtung kommt ja nicht von ungefähr. Seit jeher sind die Schulen der Hort parteipolitischen Postenschachers, das haben die Länder in ihrem Einflussbereich – den Pflichtschulen – hinlänglich bewiesen. Und diesen Einfluss wollen sie auch nicht aufgeben. Das ist der eigentliche Antrieb in diesem Ringen um die Lehrerkompetenzen.
Ende der Gestaltungsmacht
Hinter der Machtfrage steckt aber noch viel mehr: der Anspruch auf politische Gestaltung im Bildungswesen. Den würde der Bund mit der Verländerung der Schulorganisation schlicht und einfach aufgeben und den Ländern überlassen. Die könnten dann in ihrem Bereich schalten und walten, wie sie wollen. Die bundesweite Einführung der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen wäre damit erledigt, vielleicht macht die Platter-ÖVP in Tirol mit den Grünen etwas in dieser Richtung – vielleicht aber auch nicht. Auch die echte Ganztagsschule in der verschränkten Form würde dann nur dort stattfinden, wo die Landesfürsten das für notwendig halten. In Niederösterreich zum Beispiel hält die regierende Pröll-ÖVP das für nicht dringend notwendig.
Neun-telung des Schulwesens
Jetzt kann man zu Recht einwenden: Alles ist besser als das bestehende System mit absurd geteilten und zersplitterten Kompetenzen, wo der Bund zahlt und die Länder das Geld ausgeben. Sollen die Länder verantwortlich sein und zeigen, wie sie es besser machen. Man kann auch die Warnung aller Bildungsexperten in den Wind schlagen, die auf die schlechten Erfahrungen mit dem Fleckerlteppich in Deutschland verweisen, wo das Schulwesen komplett Landessache ist. Eine konzise Schulpolitik mit klaren Vorgaben für Organisation, Didaktik und moderne Unterrichtsinhalte bei größtmöglicher Autonomie der Schulstandorte muss einem egal sein. Diese Chance ist bei einer Neun-telung des Schulwesens nämlich dahin. Viele werden von gelebtem Föderalismus reden.
Kapitulation vor Fürstenthronen
Aber in Wahrheit ist das – sollte es wirklich so weit kommen – die Kapitulation des Bundes vor dem Föderalismus, vor den wahren Mächtigen im Staat. Das hat schon damit begonnen, dass man die Ländervertreter Khol und Niessl das Kapitel Staatsreform verhandeln hat lassen. Und jetzt versuchen die beiden folgerichtig, den Bund ordentlich abzuräumen. Erwin Pröll reibt sich schon die Hände.
Es gilt die Realverfassung
So läuft das in Österreich. Weil den Spitzen von SPÖ und ÖVP die Phantasie für Varianten jenseits von Rot-Schwarz und damit auch für neue politische Gestaltungskraft fehlt, geben sie die Gestaltungsmacht gleich an die Länder ab. Die Bundesverfassung, die besagt, dass der Bund an der Spitze der gesetzgebenden Körperschaften steht und damit den Ländern auch Vorschriften machen kann, weicht endgültig der Realverfassung. Alle Macht den Ländern.
Den Luxuspensionen sagt diese Koalition mit parlamentarischer Zweidrittelmehrheit den Kampf an, da kann sie auf Populisten in allen Fraktionen und Redaktionen vertrauen. Aber der Luxus Länder bleibt nicht nur unangetastet, sondern wird noch vermehrt. Hier endlich Flagge zu zeigen, dafür fehlt den großartigen Reformern die Courage.