Die Inszenierung und wir
Erschienen im EU-Wahlblog von Ö1 am 15. April 2014
Inszenierung! Rufen jetzt manche, die sonst selber gern an der Inszenierung im Fernsehen mitwirken. Denn was sind denn die großartigen Wahlfahrten von Hanno Settele bitte anderes als Inszenierung? Wenn er etwa Spitzenkandidaten – unguided, Stronach-type – mit der T-Frage grandios aufs Glatteis führt? Todesstrafe für Berufskiller, aber hallo! Oder aufgemotzte und viel gesehene TV-Duelle vor der Nationalratswahl mit Claqueuren im Hintergrund, die dem Ganzen ein bisschen den Geruch einer Soap-Opera geben?
Jetzt hat einmal einer der Inszenierten die Inszenierung an sich gerissen. Natürlich sind auch die Wahldiskussionen eine Inszenierung, die passieren nicht einfach so, sondern werden lange und minutiös geplant.
Protest-Camp statt Mäuserunde
Martin Ehrenhauser vom eher linksgerichteten EU-kritischen Wahlbündnis Europa Anders ist nach wenigen Minuten mitten in der Live-Sendung aufgestanden und hat das Fernsehstudio auf dem Küniglberg in Wien live verlassen. Um unten auf dem Ballhausplatz ein Protest-Camp aufzuschlagen. Seine Botschaft ist geschickt gewählt: Nein zu den Haftungen des Staates für die Banken mit Steuergeld. Das zieht.
Aufmerksamkeit ist ein rares Gut
Ehrenhauser hat nichts Unehrenhaftes getan. Er spielt nur auf der Klaviatur der Mediendemokratie, und er wird es ohnehin schwer haben, das begonnene Stück zu Ende zu spielen. Denn Aufmerksamkeit ist in unserer Zeit ein rares Gut, besonders in der Politik und noch viel mehr in der Europapolitik. Sie verpufft auch wieder schnell. Und für kleine Listen wie jene von Ehrenhauser bieten sich nicht allzu viele Gelegenheiten, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Wenn ein solcher Spitzenkandidat sich dann also entschließt, seine Redezeit im Fernsehen gegen einen aktionistischen Abgang einzutauschen, dann ist das sein gutes Recht.
Nehmen wir uns selbst bei der Nase
Einem Ehrenhauser kann man gewiss vieles vorwerfen, auch dass er sich mit seiner Aktion den Fragen von Wolfgang Geier von der ZIB entzogen hat. Aber er ist keiner, der nichts zu Europa zu sagen hätte. Und er hat es nicht verdient, für seine Inszenierung geprügelt zu werden. Da müssen wir uns schon selber bei der Nase nehmen. Wir von den Medien.