Staffage statt Reform
Werner Faymann ist am Wochenende mit einem interessanten Vorschlag herausgekommen. Und es war auch höchste Zeit, denn der Kanzler hat schon vor zwei Jahren eine große Reform der ORF-Gremien verprochen. Die soll jetzt, Faymann-type, so aussehen: Der ORF-Stiftungsrat verkleinert sich selbst. Zehn Mitglieder müssen reichen, die restlichen 25 sollen sich aus freien Stücken zur Staffage erklären. ORF-Gesetz hin oder her. Faymanns Vorstoß eröffnet völlig neue Perspektiven des Regierens.
Wozu noch Verfassungsgesetze zur Kürzung von Luxuspensionen beschließen, die ohnehin nur für böses Blut sorgen. Die Betroffenen sollen einfach selbst auf einen ordentlichen Teil ihrer Ruhebezüge verzichten, dann machen sicher auch all jene mit, die der Bund mit dem in Begutachtung stehenden Sondergesetz nicht erfasst hat – Luxuspensionisten der Länder zum Beispiel.
Wünsch dir was & die Länder
Die Länder sind überhaupt ein dankbarer Adressat für diese neue Form des Regierens, die der Kanzler einführen möchte. Der zermürbende Streit um die Schulkompetenzen wäre mit einem Schlag beendet und gelöst, wenn der Bund die Länder auffordert, freiwillig ihre Zuständigkeiten für die Pflichtschullehrer herzugeben. Die Landesschulräte wiederum werden angehalten, sich selbst aufzulösen oder sich zumindest substanziell zu dezimieren. Noch einfacher ist das Ganze bei den Subventionen: Die Empfänger von staatlichen Fördermitteln müssen nur von sich aus auf die komplette Summe oder einen erklecklichen Teil davon verzichten.
Beim Nationalrat abgeblitzt
Das funktioniert garantiert – nur umgekehrt nicht, wenn es nämlich darum geht, den Steuerzahler zur Kasse zu bitten. Denn bei den Steuereinnahmen, da ist es nicht weit her mit der Freiwilligkeit. Und natürlich auch sonst nicht. Wie absurd der Vorschlag des Kanzlers bei allem Respekt ist, zeigt doch die immer noch gültige Vorgabe der Bundesregierung an Nationalrat und Bundesrat, dass sich die beiden Kammern um etwa zehn Prozent verkleinern sollen. Das ist einmal als Kniefall vor dem Boulevard in ein Sparpaket hineingekommen und bis heute nicht verwirklicht worden. Der Nationalrat zählt immer noch 183 Abgeordnete, und eine Reform des Wahlrechts, die das ändern könnte, ist nicht in Sicht.
Juristen schütteln den Kopf
Beim ORF-Stiftungsrat gibt es zwei Aspekte: Erstens ist der Vorschlag Faymanns einer Selbstamputation rechtlich überhaupt nicht gedeckt, ein derart gewonnener zehnköpfiger Stiftungsrat wäre schlicht nicht beschlussfähig, sagen Juristen. Und zweitens ist die Vorgangsweise eine Farce. Zwei Tage, nachdem sich der Stiftungsrat in altem Kleid und alter Stärke konstituiert und die SPÖ brachial einen der Ihren an die Spitze des Gremiums gehievt hat, geht der Bundeskanzler mit diesem Vorschlag in den Kurier.
Medienpolitischer Offenbarungseid
Sein Haus, federführend der für Medien zuständige Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, hat die Mehrheit der Publikumsräte und fast die Hälfte der Stiftungsratsmitglieder nominiert, anstatt die Zeit für die Umsetzung der versprochenen Reform zu nützen. Und jetzt soll sich ein Gremium, das vor allem zwei Parteien und neun Länder fest im Griff haben, selbst reformieren. Am Gesetz vorbei – denn dieses zu ändern, mit dem Ziel einer Reform, dazu sieht sich der Kanzler außerstande. Hätte es noch eines medienpolitischen Offenbarungseides bedurft, dann ist der jetzt abgelegt.