Diplo-docus in Kagran
Der Diplodocus ist eine ziemlich bekannte Dinosaurier-Gattung. Mit dem Diplomaten hat der Diplodocus einen Wortteil gemeinsam, der aus dem Altgriechischen stammt und so viel wie “doppelt” bedeutet. Beim Saurier bezieht sich das auf die Figur, die aussieht wie ein Doppelbalken. Beim Diplomaten geht es um das Diplom, ein doppelt gefaltetes Schreiben – und mit Schriftstücken haben Diplomaten ja andauernd zu tun. Etwa gerade jetzt mit dem Vertrag über die millionenschwere Förderung des Bundes für die Vienna International School. Was da abläuft, lässt den Verdacht aufkommen, dass die Saurier und die Diplomaten mehr gemeinsam haben könnten als nur zwei Silben.
Ausgangspunkt der Ö1-Recherche waren zwei Anfragebeantwortungen im Parlament zum Thema Vienna International School: In der einen stellt das Bildungsministerium klipp und klar fest, dass es mit Auslaufen des Fördervertrags mit der Eliteschule keine Zahlungsverpflichtung mehr sehe und daher die bisherige Förderung von fünf Millionen Euro pro Jahr im Budget 2015 bereits auf Null gestellt habe. In der zweiten Anfragebeantwortung erklärt das Außenministerium, dass man die Eliteschule angesichts ihrer Bedeutung für die diplomatische Community weiter zu fördern gedenke, aber noch nicht wisse wie. Der Vertrag mit der VIS laufe jedenfalls mit 31. Juli 2014 aus. Wir wollten also wissen, ob es schon eine Lösung gibt – und vor allem, wer das zahlen wird.
Drei Ressorts & eine heiße Kartoffel
In den involvierten Ressorts – federführend das Außenamt, dazu das Bildungs- und das Finanzministerium – beginnt das große Herumdrücken. Die Verhandlungen seien noch im Gang, man sei um eine Lösung bemüht, weder Außen- noch Bildungsministerium hätten aber das Geld. Man möge doch einmal bei der Gemeinde Wien nachfragen, die sich gern einen internationalen Touch gebe und auch gern als UNO-Stadt glänze. Fehlanzeige. Die Stadt Wien denkt nicht daran, die fünf Millionen Euro plus zweieinhalb Millionen Euro an Naturalsubvention für Gebäudemiete und Instandhaltung zu übernehmen. Denn das, so viel wird inzwischen vom Finanzministerium bestätigt, bleibt die Zielgröße. Ö1 berichtet im Morgenjournal über diesen Stand der Dinge.
Neiddebatte mit Horrorszenarien
Der Vorwurf, eine Neiddebatte angezettelt zu haben, überlagert die weiteren Recherchen. Das gefährde den UNO-Standort Wien, ohne Förderung des Bundes müsse die Vienna International School (die sehr hohe Schulgelder verlangt und allein daraus Einnahmen in der Größenordnung von 20 Millionen Euro haben muss sowie über Millionen-Rücklagen verfügt) zusperren, 1400 Schüler würden auf der Straße stehen, die internationalen Organisationen würden aus Wien abwandern. Das alles bekommt man zu hören. Und den Hinweis: Was sind schon fünf Millionen? Es kristallisiert sich heraus, dass die wohl aus einem Sonderbudget kommen werden. Irgendwo wird der Finanzminister das Geld schon finden. (Kreativ ist er ja, wie wir bei dem Brief an die Europäische Kommission mit den Nachbesserungs-Vorschlägen kurz vor dem Budgetbeschluss gesehen haben.)
Die Republik vs. bad Ban Ki-moon
Und dann entlarvt sich die Politik wieder einmal selbst: Zur vermeintlichen Entlastung wird ein Schreiben von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon an Bundespräsident Heinz Fischer an die Medien gespielt, in dem der UNO-Chef freundliche Drohungen von sich gibt. Für die Vereinten Nationen sei die Millionen-Förderung des Bundes für die Vienna International School eine Angelegenheit von entscheidender Bedeutung (“a matter of vital importance”), hat Ban Ki-moon Heinz Fischer schon im April wissen lassen und um Intervention ersucht (“I would kindly ask for your personal involvement and kind support in helping to find an urgent solution”). Der Chef der Weltorganisation legt sich für ein Millionen-Privileg einer Eliteschule in Wien-Kagran ins Zeug. Mit Interventionen dieser Preisklasse haben es die in dieser Hinsicht leidgeprüften Kabinette nicht oft zu tun.
Millionen-Zuckerl für die Saurier
Das ist aber kein Grund, dieses aus der Zeit gefallene Privileg einfach so fortzuschreiben. Wir sind nicht mehr in den 1970- und 1980-er Jahren – damals war der Geldsegen für die Vienna International School nachvollziehbar, Österreich wollte die UNO nach Wien locken und verteilte Zuckerln. Heute gibt es internationale Privatschulen mit dem gleichen Angebot, in die gehen auch viele Diplomatenkinder, und diese Schulen bekommen keine vergleichbare Förderung vom Bund. Das Beharren der Vienna International School mit ihrem obersten Fürsprecher Ban Ki-moon auf dem über die Jahre ersessenen Millionen-Privileg hat etwas Dinosaurier-haftes. Es ist nur damit erklärbar, dass Diplomaten eben in einer ganz eigenen Welt leben und immer noch genug Privilegien haben, die sie offenbar für selbstverständlich halten. Eine eigene Gattung, so wie der Diplodocus – nur nicht ganz so gut erforscht.
Eine Frage der Glaubwürdigkeit
Die Regierung steht in der Frage also unter großem Druck, das ist nicht zu übersehen. Aber sie kann sich da nicht drüberschwindeln. Wenn ein Sonderbudget für die Eliteschule möglich ist – warum ist dann nicht auch ein Sonderbudget für die Alternativschulen möglich, die alle zusammen nur halb soviel Förderung kriegen wie die Vienna International School allein – und die jetzt noch mühsamer zu ihrem Geld kommen, weil der Bund “technische Budgetkürzungen” vorgenommen hat. Und warum kein Sonderbudget auch für die Regelschulen, damit die Bildungsministerin nicht bei jeder noch so kleinen Idee sagen muss: schön und gut, aber ich hab leider kein Geld dafür? So könnte zumindest ein bisschen Spardruck von der Bildung genommen werden. Und das Millionen-Privileg für die Eliteschule hätte noch sein Gutes.
2 Gedanken zu „Diplo-docus in Kagran“
Das gehört wirklich gebloggt! Man sollte auch dazusagen, dass ja nicht nur die Forderung sondern auch die Schulgelder aus Steuermitteln bezahlt werden. Weil woher kommt denn das Geld der Diplomaten?
Andererseits ist natürlich nicht von der Hand zu weisen dass die Diplomaten in Wien schon ein super Geschäft sind für das Land, und man sie vielleicht wirklich weiterhin hofieren sollte?