Summertime Blues
Da zieht die erste politikfreie Woche dieses Sommers ins Land, man wähnt die Politiker am See oder auf dem Berg – aber was tun die? Sie fallen in Interviews übereinander her, eines peinlicher als das andere. Der Kanzler möge aus dem Keller kommen oder wahlweise auch ein Machtwort sprechen, tönt es aus der ÖVP. Der Finanzminister möge seinen Streikposten verlassen und sich das Leben nicht schwer machen, indem er Budgetlöcher konstruiere, schallt es aus der SPÖ zurück. Das Schlimme ist: es steht zu befürchten, dass sie den Unsinn ernst meinen.
Der Bundeskanzler neigt einerseits tatsächlich dazu, sich innenpolitisch zu verstecken. Wenn die europäische Bühne ruft, dann ist Werner Faymann schnell da – auf dem Gebiet hat er als Player im Europäischen Rat die Richtlinienkompetenz, die er auch für die anderen Politikbereiche gern hätte. Da kann man schon verstehen, dass es den SPÖ-Chef immer wieder nach Brüssel zieht. Dass sich Faymann kritischen Medien – darunter die ZIB2 und die Ö1-Journale – nicht stellen will und Interviews konsequent verweigert, ist da schon weniger verständlich.
Hobeln um des Hobelns willen
Andererseits würde Faymann seinem Vizekanzler aber wohl jederzeit ein Interview geben. Michael Spindelegger hat auch seine Handy-Nummer. Aber Spindelegger schickt lieber seine engsten Vertrauten vor, die den Kanzler in Interviews anpatzen – oder um es mit Spindelegger zu sagen: Klubchef Reinhold Lopatka und Finanzstaatssekretär Jochen Danninger hobeln, dass die Späne nur so fliegen. Dabei ist das ein völlig schiefes Bild, hinter dem sich der ÖVP-Chef da versteckt. Es ist ja viel mehr ein Hobeln um des Hobelns willen, denn das Werkstück – die Steuerreform – wird durch das schwarze Kanzler-Bashing nicht gefälliger.
Sie wollen nicht zusammenpassen
Wir sind wieder einmal an dem Punkt, wo die Inkompatibilität von Rot und Schwarz voll durchkommt. SPÖ und ÖVP passen zwar schon seit vielen Jahren zusammen, aber eigentlich wollen sie gar nicht zusammenpassen. Das ist der Kern des Problems. Sie wollen am liebsten dem jeweils anderen bei jeder Gelegenheit eins auswischen. Die „roten Gfrieser“ (© Andreas Khol) und die „mieselsüchtigen Koffer“ (© Michael Häupl) fallen einem wieder ein. Ausdrücke, die die Kluft zwischen diesen Parteien anschaulich machen. Traurig nur, dass sie nicht einmal ein Jahr nach der Wahl schon wieder so weit sind.
Die Breitband-Breitseite
Ein besonders unter-griffiges Beispiel ist die Breitband-Milliarde. Geld für den Internet-Ausbau, das da ist. Aber der Finanzminister wollte die Rücklage nicht auflösen, weil das das Defizit erhöht. Infrastrukturministerin Doris Bures von der SPÖ hat dann öffentlich Druck gemacht, einen Runden Tisch mit den Mobilfunk-Betreibern veranstaltet. Spindeleggers rechte Hand Jochen Danninger ist daraufhin ins Ö1-Morgenjournal gegangen und hat Bures vorgeworfen, die Regierungslinie verlassen zu haben. Dann sprangen aber die Länder auf und machten ebenfalls Druck. Da konnte Spindelegger nicht mehr anders und lenkte ein – um das Ganze jetzt als seinen Erfolg zu verkaufen. Der SPÖ-Kollegin Bures will er das nicht gönnen.
Die Hickhacker & der Cleaner
Dieses sogenannte Hickhack ödet die Menschen an, macht die unbeliebte Koalition noch unbeliebter. Und dass die Hickhacker jetzt fast schon routinemäßig dazusagen, wie sehr das öffentliche Streiten der Koalition schade, das macht es nicht besser. Eher noch schlimmer. Jetzt steuert dieser Summertime Blues auf einen neuen kleinen Höhepunkt zu. Es naht der Sommer-Ministerrat und jede Wette: die Hobler werden das Hobeln kurz sein lassen, die Späne werden von Werner Faymanns Mann fürs Feine & Grobe (Josef „the Cleaner“ Ostermayer, © ZIB2-Kollegin Julia Ortner feat. Pulp Fiction) ordentlich aufgesaugt sein, und die Regierungsspitze wird uns erklären, dass wieder einmal die Medien alles aufgebauscht haben.