Sechsmal hübsch
Grün ist also die neue Modefarbe für Koalitionen. Sechs Bundesländer, sechs Regierungsbeteiligungen der Öko-Partei. Das ist nach der jüngsten Einigung auf Schwarz-Grün in Vorarlberg schon ausgiebig bejubelt worden. Nur das Burgenland, die Steiermark und Erwin Prölls Niederösterreich kommen noch ohne Grüne in der Landesregierung aus. Überall sonst ist der lange Marsch durch die Parlamente also mit Posten für verdiente Grün-Politiker belohnt worden. Ob sie damit auch Macht und Einfluss gewonnen haben oder doch mehr der Behübschung von ÖVP- und SPÖ-Landeschefs dienen – das ist die Frage.
Neu ist das grüne Mitregieren sowieso nicht. In Oberösterreich läuft das schwarz-grüne Experiment, das dort auf Seiten der Grünen eigentlich eine One-Man-Show von Rudolf Anschober ist, schon seit mehr als zehn Jahren. Anschober hat in der Umweltpolitik Akzente gesetzt und war der ÖVP stets ein berechenbarer Partner. Man könnte auch sagen, er hat die Kreise der Volkspartei nicht allzu sehr gestört. In Wien dürfen die Grünen seit genau vier Jahren mit den Roten am Regierungstisch sitzen, weil der allmächtigen Wiener SPÖ bei der Gemeinderatswahl 2010 mit 44 Prozent der Stimmen zwei Mandate auf die absolute Mehrheit gefehlt haben. An der Allmächtigkeit der SPÖ hat die grüne Regierungsbeteiligung nicht einmal gekratzt.
Grüne Selbstaufgabe in Kernthemen
Dafür gibt es eine Reihe von Belegen, etwa die grüne Selbstaufgabe in puncto Transparenz und Stadt-Eigenwerbung. So haben die Grünen 2013 einem neuen Rahmenvertrag über 133 Millionen Euro mit dem SPÖ-nahen Bohmann-Verlag zugestimmt, der mit dem vielen Geld Jubelbroschüren herstellen wird. Es ist nicht der erste Vertrag dieser Art, und in der Opposition haben die Grünen noch von dubiosen Millionendeals der SPÖ gesprochen. Jetzt rechtfertigt sich Grünen-Klubobmann David Ellensohn mit dem Argument, es gebe in Österreich eben kaum Verlage, die nicht als SPÖ- oder ÖVP-nahe gelten. Auch die jüngste Aufstockung der Mittel für das Stadtmarketing und zuletzt auch noch für den umstrittenen Presse- und Informationsdienst der Stadt, den PID – notabene kurz vor einem Wahljahr, tragen die Grünen tapfer mit. Ellensohn sagt dazu immer, dass das kein grünes Projekt und das Inseratenvolumen der Stadt zu hoch sei. Aber man müsse eben Kompromisse machen. Offenbar auch dann, wenn es um den Kern grüner Glaubwürdigkeit geht.
Kein Zuckerl für die Wiener Bobos
Die auch unter dem SPÖ-Projekt Gratis-Nachhilfe leidet, das sich die Stadt mit Blick auf die Gemeinderatswahl 2015 einiges kosten lässt. Dafür wird von den Grünen mit in Kauf genommen, dass wertvolle Zusatzstunden etwa für Begabtenförderung und Musik an den Volksschulen gekürzt werden müssen – weil Wien zu wenig Mittel aus dem Finanzausgleich bekommt und wegen des Förderunterrichts für sozial schwache Risikoschüler kein Geld mehr da ist, die Stundenkürzungen zu kompensieren (mehr dazu hier). Oder wie SPÖ-Chef Bürgermeister Michael Häupl es ausgedrückt hat: Wir bedienen unsere Klientel und nicht die Bobos der Grünen. Ein Affront, doch die Wiener Grünen hielten still. Selbst der rührige Bildungssprecher der Nationalratsfraktion, Harald Walser, blieb in der Sache aus Koalitionsräson auffallend schaumgebremst.
Gesamtschule: Wer hat den Größeren?
Obwohl die Grünen gerade das Bildungsthema als ihre Kernkompetenz sehen. Daher waren auch die Erwartungen entsprechend hoch, als sich Schwarz-Grün in Tirol und Salzburg für die gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen stark machten. Jetzt gibt es einen Schulversuch in Hallein und eine sogenannte Modellregion für die gemeinsame Schule im Zillertal, wo nicht einmal ein Gymnasium dabei ist. Selbst dem Vorarlberger Grünen-Chef Johannes Rauch ist das zu klein, was da passiert: die mit der ÖVP im Ländle vereinbarte Modellregion werde bedeutend größer sein, sagte Rauch. Kurz zuvor hatte ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner im Ö1-Morgenjournal die Erwartungen bereits gedämpft und eine landesweite Modellregion, die die Grünen gern gehabt hätten, gleich einmal ausgeschlossen.
Zu billig auch bei der Umwelt
Auch sonst finden sich im Vorarlberger Koalitionsvertrag Punkte, denen es am nötigen Ernst fehlt. Die Abschaffung der Autobahnvignette bei gleichzeitiger Erhöhung der Mineralölsteuer etwa, die habe man auf Wunsch der Grünen hineingeschrieben, darüber könne man diskutieren, das sei aber nicht so dringend, hat ÖVP-Landeschef Wallner dazu gesagt. Und über umstrittene Straßenprojekte hat er gar nicht erst verhandelt, die seien Vorbedingung für Koalitionsverhandlungen gewesen, so Wallner. Die Grünen verkaufen sich zu billig – dem Vorwurf sehen sie sich auch in Tirol ausgesetzt, wo Naturschutz-Landesrätin Ingrid Felipe nach Ansicht der eigenen Parteifreunde und von Umweltorganisationen zu wenig gegen die höchst umstrittene Erweiterung des Kraftwerks Kaunertal unternimmt. Die ÖVP steht hundertprozentig hinter den entsprechenden Plänen des Landesenergieversorgers TIWAG, das Konzept liegt schon zur Genehmigung im Umweltministerium.
In Machtfragen am kürzeren Ast
Man kann die Liste jetzt noch um fragwürdige Postenbesetzungen erweitern, bei denen die Grünen etwa in Kärnten und Salzburg zugeschaut haben. Man kann aber auch das Standard-Argument bringen: Wer nur 10 oder 15 Prozent hat, kann nicht 100 Prozent seiner Vorstellungen durchsetzen. Das ist schon richtig – aber wenn man bei eigenen Kernthemen zu viele Abstriche macht, dann läuft man sehr rasch Gefahr, als billiger Mehrheitsbeschaffer dazustehen. Denn hübsche Koalitionsverträge sind das eine – aber in beinharten Machtfragen immer den Kürzeren zu ziehen, ist weniger hübsch. Und wirft natürlich auch einen Schatten auf die Bundesebene, wo die Grünen immer offener in Regierungsverantwortung drängen.
Arrangieren, um endlich zu regieren?
Unter Alexander van der Bellen hätten sie es 2003 fast geschafft, aber eben nur fast. Ganz entscheidende Punkte bei Budget, Pensionen und Universitäten führten dazu, dass die Verhandlungen mit der Schüssel-ÖVP gescheitert sind. Scheitern mussten. Und nicht zu vergessen die Eurofighter, auf deren Ankauf die ÖVP damals bestand. Würden die Grünen heute den Ausstieg aus der Luftraumüberwachung durchsetzen? Oder würden sie sich arrangieren, um endlich zu regieren? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass es keine rechnerische Mehrheit für eine Koalition in der Modefarbe Grün gibt wie damals, als die ÖVP unter Wolfgang Schüssel 42,3 Prozent eingefahren hatte. Aber das. Ist jetzt wirklich eine komplett andere Geschichte.
4 Gedanken zu „Sechsmal hübsch“
Danke!
Sie sprechen einem langjährigen Grünwähler aus der Seele. Die Entwicklung von der Hoffnungspartei “links von der Mitte” zur “Mehrheitsbringerpartie” läuft leider schon sehr lange. Siehe 28. Mai 2013: Inserate: Unter Rot Grün wird alles anders? http://wp.me/p1kfuX-DG
Der Link zu “Vorarlberger Koalitionsvertrag” ist tot.
Danke, ist repariert!