Zirkus-Nummer
Monatelang sind sie gesessen. Sie haben Tarifmodelle durchgerechnet und Ideen gesammelt, die diese Modelle finanzieren könnten. Bis zu sechs Milliarden Euro hätten sie dafür finden müssen. Aber das ist den Steuerexperten von SPÖ und ÖVP bei weitem nicht gelungen. Dafür haben sie, noch bevor der Endbericht der Gruppe vorliegt, aus der Lohnsteuer-Senkung eine Mehrwertsteuer-Erhöhung gemacht und einen Shitstorm der betroffenen Branchen ausgelöst. Das kommt davon, wenn Klientelpolitik über alles geht.
How not to design a tax reform: Die Sozialdemokraten wollen Hand in Hand mit ÖGB und Arbeiterkammer eine Lohnsteuerentlastung um sechs Milliarden Euro erzwingen. Da müssen sie natürlich nehmen, was sie kriegen können. Zum Beispiel 300 Millionen Euro durch eine Streichung des ermäßigten Mehrwertsteuer-Satzes in Bereichen, die vor allem der Landwirtschaft wehtun. Die Bauern waren für das rote Lager immer schon die Prügelknaben. Damit es nicht ganz so plump daherkommt, hat man noch ein paar Ausnahmen dazugeschrieben, die zu streichen wären. Theater- und Kinokarten, Eintritte in Zoo und Zirkus, aber auch der Besuch von Museen und Schwimmbädern würden dadurch teurer werden.
Theater um Bücher & Nächtigungen
Dieser Schuss ist voll nach hinten losgegangen. Weil die Experten noch nicht fertig sind und keiner aus der Gruppe offiziell spricht und Dinge zurechtrückt, blühen die Spekulationen. Finanzminister Hans Jörg Schelling hat den Ball allzu leichtfertig aufgenommen – als ÖVP-Mann kann er zwar nicht dafür sein, die Bauern derart zu belasten. Aber als offener Verhandler will er keine Idee einfach so vom Tisch wischen, das mit den Theaterkarten kann sich der Minister durchaus vorstellen – und schon ist in den Medien ein Schelling-Vorstoß daraus geworden.
Nur Essen, Arzneien & Mieten tabu
Auch deshalb, weil der Finanzminister gleich eine Garantie für Lebensmittel, Medikamente und Mieten abgegeben hat – hier sei der ermäßigte Satz tabu. Im Umkehrschluss stehen jetzt allerdings auch Bücher und Zeitungen, die Müll- und Kanalgebühren, der öffentliche Verkehr und Nächtigungen in Tourismusbetrieben medial zur Disposition. Das alles und noch mehr unterliegt dem begünstigten Mehrwertsteuer-Satz von zehn Prozent.
Die Spielchen mit der Klientel
Es ist absurd. Die Parteien spielen ihre Spielchen mit der Klientel der jeweils anderen und provozieren damit einen Aufstand der Kulturnation und des Tourismuslandes Österreich. Buchhandel und Autoren steigen auf die Barrikaden. Vertreter der Verkehrswirtschaft weisen darauf hin, wie unsinnig eine steuerliche Mehrbelastung von Öffis und Taxis wäre. Völlig zu Recht natürlich, weil: die falsche Richtung. Zugleich ist es um die Streichung von Begünstigungen für fossile Energieträger – ein Gebot der Stunde, wie auch Umweltminister Andrä Rupprechter meint – verdächtig still geworden.
Weiter Tricksen mit Reichensteuer
Der kapitale Fehlstart in die heiße Phase der Steuerreform-Verhandlungen zeigt sich auch in der Frage vermögensbezogener Steuern. Die SPÖ will diese auf Biegen und Brechen – Kern ihres Modells ist die sogenannte Millionärsabgabe, die 1,5 Milliarden Euro bringen soll. Ein Volumen, das die Steuerschätz-Experten des Finanzministeriums angeblich bestätigt haben, wie man aus der SPÖ erfährt. Aus der ÖVP wiederum hört man, dass das so nicht stimmt. Angeblich geht sich das SPÖ-Modell nur deshalb aus, weil auch die Betriebsvermögen eingerechnet sind. Ein No-Go für die Schwarzen. Im Bericht wird der Punkt daher strittig bleiben.
Petitessen statt Förder-Reform
So oder so sind die in der Koalition vereinbarten fünf Milliarden Euro Entlastung nicht in Reichweite, geschweige denn die von der SPÖ geforderten sechs Milliarden. Daher wurden auch Sparvarianten gerechnet, die bei der Hälfte dieses Volumens liegen. Überhaupt keine Rede ist noch von den strukturellen Reformen, die ursprünglich den größten Teil der Steuersenkung finanzieren sollten. Die Aufgabenreformkommission erging sich bisher in Verwaltungsreform-Petitessen.
In den Milliarden-Topf der Förderungen hat auch noch keiner hineingegriffen. Der ist heiß, da kochen Länder und Gemeinden kräftig mit. Man könnte sich also die Finger verbrennen, deshalb lässt man sie lieber davon. Tolle Aussichten für dieses Schicksals-Projekt der Koalition.