Fitched & zugenäht
Stell dir vor, die nächste Ratingagentur nimmt Österreich das Triple A weg – und keiner rührt ein Ohrwaschel. Keiner? Fast keiner. ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner hat sich immerhin zu einem Tweet aufgerafft: Fitch Entscheidung bestätigt,daß wir bei Reformen an Tempo zulegen und nicht durchtauchen können. Wer hindert Mitterlehner daran? Und wenn ihn wer daran hindert, warum tut er nichts dagegen? Während der SPÖ-Vorsitzende neuerdings seine Sympathien für die griechische Linksregierung offen auslebt, bleiben die Wege der ÖVP in dieser Koalition unergründlich.
Die Ratingagentur Fitch hat auf die Explosion der Staatsschuld reagiert, die 2014 durch die Einrechnung der Effekte von EU-Bankenpaket und Rettungsschirm sowie der fast 18 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten aus dem Hypo-Alpe-Adria-Desaster um viereinhalb Prozentpunkte auf 86 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen ist. Für das ÖVP-geführte Finanzministerium ist das überhaupt kein Problem. Geht wieder vorbei. Das ist natürlich richtig, aber der eigentliche Grund für die Gelassenheit im Finanzressort ist die Niedrigzinsphase, in der wir uns befinden und die uns viel Geld beim Zinsaufwand für die Staatsschuld erspart. Daran wird die Herabstufung durch die zweite Ratingagentur (nach Standard & Poors bereits 2012) nichts ändern.
Kein Spielraum trotz Niedrigzinsen
Die niedrigen Zinsen würden eigentlich auch den Budgetspielraum erhöhen, aber davon ist in der politischen Debatte keine Rede. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob sich der Staat zu Zinssätzen von sagen wir 3,5 Prozent refinanziert – sprich neue Schulden aufnimmt, um alte zu begleichen – oder um 1,5 Prozent. Aber die niedrigen Zinsen sind offenbar eingepreist, um die Fengshui-Budgetpolitik früherer ÖVP-Finanzminister aufzufangen – wie das der amtierende Ressortchef Hans Jörg Schelling genannt hat: Milliarden-Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer, die zwar immer noch nicht existiert, aber fester Bestandteil der Budgetplanung ab 2016 ist – aber auch zu optimistische Erwartungen an die Schwarzgeld-Abkommen mit Liechtenstein und der Schweiz. Lauter Potemkin’sche Budget-Dörfer.
Reform-Rhetorik zum Fürchten
Und jetzt wieder diese Reform-Rhetorik. Die Appelle gegen das Durchtauchen. Die völlig im Gegensatz zu dem stehen, was aus den Steuerreform-Verhandlungen zu uns durchdringt. Keine neuen Steuern! Dafür wohl höhere bestehende. Ein heißer Tipp ist die Mehrwertsteuer. Und keine Belastung der Vermögenden! Dafür werden die Leistungsträger zur Kasse gebeten. Höhere Sozialversicherungsbeiträge für Besserverdiener sind im Gespräch – also für jene, die jetzt schon den weitaus größten Teil der Lohnsteuerlast tragen, wie Presse-Kollege Josef Urschitz hier sehr schön gezeigt hat. Thanks ÖVP. Reinhold Mitterlehner sollte es vielleicht einmal mit Selbstironie Marke Obama versuchen. Django ist er ja schon.
Die Mühen der Arbeitsgruppe
Denn nach ein paar geheimen politischen Verhandlungsrunden und einen Monat vor dem geplanten Beschluss der Steuerreform im Ministerrat streiten sich SPÖ und ÖVP immer noch um das Entlastungsvolumen, und wie es auf die verschiedenen Gruppen aufgeteilt wird. Bei der Bekämpfung von Steuerbetrug, wo beide Parteien rund eine Milliarde Euro holen wollen, wird schon was herauskommen – ob es die Summe bringt, wird sich erst später zeigen. Die SPÖ hat die Registrierkassenpflicht vorgeschlagen, die ÖVP nicht viel – durchaus möglich, dass sie hier zusammenkommen, wenn der ÖVP-Wirtschaftsbund die Wirtschaftskammerwahlen geschlagen hat. Aber die großen Strukturreformen, die die ÖVP jetzt wieder zu thematisieren beginnt, sind nicht in Sicht.
Föderalismusreform schon begraben
Der Leiter der Aufgabenreform-Kommission der Regierung, Verwaltungsgerichtshofs-Präsident Rudolf Thienel, hat die dringend notwendige Föderalismusreform am Wochenende begraben und gemeint, man habe sich nicht einmal damit beschäftigt. Man soll keine Energie in Vorschläge stecken, die politisch nicht umsetzbar sind, sagt Thienel. Und man dürfe sich auch nicht erwarten, dass Verwaltungsreformen Geld zur Finanzierung einer Steuerreform bringen könnten. Das mag schon sein. Aber beides ist kein Grund, die Dinge nicht endlich anzugehen.
Ausgabenlimits und alles wird gut?
So wird es neben den Nicht-Steuererhöhungen und der Vielleicht-Bekämpfung von Steuerbetrug wohl Limits für die Staatsausgaben geben. Das hat Finanzminister Schelling als Sozialversicherungschef auch bei der Gesundheitsreform so gemacht – um das System der Kassen insgesamt nicht angreifen zu müssen. Von denen heuer die meisten wieder ins Minus rutschen werden, aber das nur nebenbei. Anstatt zu gestalten, werden also die Ausgaben gedeckelt – und die betroffenen Bereiche dürfen dann schauen, wie sie zurechtkommen oder auch nicht. Das im verflixten Jahr sieben dieser Koalition, die angetreten ist, um die großen Probleme zu lösen.
Ein Gedanke zu „Fitched & zugenäht“
“Geht wieder vorbei”, glaubt vielleicht Schelling. Leider nicht – es ist noch kein Land nach einer Abstufung wieder aufgestuft worden, selbst wenn die Staatsverschuldung zurückgeht.
Wünsch dir trotzdem eine AAA-Woche lieber Stefan!
LG Hannes