Zum Schreien
Die Demoskopen leisten ganze Arbeit. Eine Umfrage von Peter Hajeks Unique Research für das Nachrichtenmagazin profil sieht die FPÖ mit 28 Prozent deutlich an erster Stelle, Heinz-Christian Strache in der Kanzlerfrage mit dem aktuellen Kanzler von der SPÖ gleichauf. Und in der Asylpolitik bescheinigen die Österreicher der FPÖ die mit Abstand höchste Kompetenz. Jener Partei, die die Abschiebung von Flüchtlingen mit der Hercules-Transportmaschine des Bundesheeres fordert – damit man die Schreie nicht hört, wie die Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein erklärt hat. Österreich zu Sommerbeginn 2015 – und weder Rot noch Schwarz strengen sich übermäßig an, dieses Bild zu korrigieren.
Noch eine Umfrage mit 500-er Sample, die die Momentaufnahme zuspitzt: Im Vertrauensindex von APA/OGM hat ausgerechnet FPÖ-Obmann Strache gegenüber April um sechs Prozentpunkte zugelegt. In einer Kategorie wohlgemerkt, in der normalerweise nicht Provokateure und Krawallmacher punkten, sondern die Besonnenen, die Staatsmännischen. Nicht zufällig führt dieses Ranking aktuell und traditionell mit großem Abstand der Bundespräsident an. Auf den Plätzen zwei bis vier die Stars der ÖVP-Regierungsriege, auch wenn Reinhold Mitterlehner und Hans Jörg Schelling nach dem Match mit dem eigenen Wirtschaftsflügel um die Steuerreform erste Blessuren davongetragen haben.
Vertrauen in den Krawallmacher
Der Kanzler findet sich ganz unten, am negativen Ende der Vertrauensskala. Werner Faymann ist sechs Prozentpunkte weiter abgestürzt und hat den zweitschlechtesten Wert, schlechter sind nur noch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP (die aktuell um elf Punkte abgestürzt ist – das Prinzip von Schmied & Schmiedl ist eben ein ehernes) und ex aequo Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek von der SPÖ. Aber das ist ein anderes trauriges Kapitel in der Zustandsbeschreibung einer ziemlich desolaten österreichischen Sozialdemokratie. Als Bollwerk gegen Rechts hat sie sich mit Rot-Blau Marke Niessl & Darabos aufgegeben, gegenüber der ÖVP hat sie sich – siehe Steiermark – so richtig erpressbar gemacht.
Ein Muchitsch in City-Nähe
Das Gesetz der Serie will es, dass sich die SPÖ jetzt in einem weiteren Kernbereich sozialdemokratischer Politik beschädigt: leistbares Wohnen. Die Wiener SPÖ hat das ins Zentrum ihres verzweifelten Abwehrkampfs gegen die Freiheitlichen gestellt, man will wieder Gemeindewohnungen bauen und den Gemeindebau auch gegen Zuwanderer abschotten, damit mehr echte Wiener dort unterkommen. Und dann bezieht ein Steirer, der auch SPÖ-Abgeordneter und Chef einer Gewerkschaft mit angeschlossener gemeinnütziger Wohnbaugesellschaft ist, eine Sozialwohnung. Günstige Miete, City-Nähe und kein bisschen Transparenz. Das geht gar nicht.
Frage von Anschein & Anstand
Für Josef Muchitsch gelten andere Regeln, wenn er bei der tiefroten Sozialbau – an der die Wiener SPÖ über ihr kommerzielles Herz, den Verein der Wiener Arbeiterheime, zu einem Fünftel beteiligt ist – um eine Wohnung anfragt. Er sollte gar nicht erst anfragen, sondern sich auf dem freien Markt umsehen. Ein Abgeordneter kann sich das leisten. Ein Gewerkschaftschef mit Verbindungen in das parteipolitisch durchdrungene Geflecht der gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften muss sich das leisten, er darf nicht einmal den Anschein erwecken, es sich gerichtet zu haben. Und er darf sich nicht im Sozialbau einnisten um eine Miete, die bei der Hälfte des Marktpreises liegt.
Die Bilderberger für Arme
Das alles spielt jenen in die Hände, die immer schon gegen das verfilzte System aufgetreten sind, das in dem Fall rot, aber anderswo auch einmal schwarz – oder einfach rot-schwarz ist. Bilderberger für Arme. Ob im Sozialen Wohnbau oder in diesem unglaublichen Dickicht der Sozialversicherung mit ihren vielen Kassen und Funktionären – das ist Wasser auf die Mühlen vor allem der FPÖ, und das kocht besonders gern hoch, wenn Wahlkampf ist. Daran wird sich so lange nichts ändern, solange das System nicht an der Wurzel gepackt und von Grund auf reformiert wird. Da kann man die FPÖ nachahmen oder auch mit ihr koalieren, soviel man will. Die Ankündigungen von SPÖ-Seite in Sachen Unvereinbarkeiten & Sozialer Wohnbau bleiben leere Wahlkampfhülsen, wenn nicht rasch Taten folgen – mit Unterstützung von ganz oben. Wenn die Parteispitze noch die Kraft dazu hat.
Mit Transparenz in die neue Zeit
Das Zauberwort ist Transparenz, und damit tun sich Rot und Schwarz immer noch schwer. Seit fünf Jahren wird über die Abschaffung des Amtsgeheimnisses diskutiert, seit zweieinhalb Jahren soll es abgeschafft werden. Es ist immer noch nicht abgeschafft, im Parlament geht nichts weiter. Es ist zum Schreien. Am liebsten würde man ja in einen Flieger steigen und abdüsen. Aber da hört einen dann keiner mehr.
P.S. Respekt für Josef Muchitsch. Er gesteht Fehler ein & kündigt die Billigwohnung.