Die Gewinnler
Die große Flüchtlingskrise geht auch einmal vorbei, hat einer beim Ö1-Lokalaugenschein im Oberösterreich-Wahlkampf den Landeshauptmann zu beruhigen versucht. Josef Pühringer darauf wie aus der Pistole geschossen: Aber dann ist die Wahl auch vorbei! Dem alten Hasen schwant nichts Gutes. Die dramatischen Entwicklungen seit Anfang September werden viele Stimmen kosten. Der FPÖ werden sie Stimmen bringen, die Frage ist nur: viele oder exorbitant viele. Heinz Christian Strache ist aber nicht der einzige Gewinnler dieser Krise. Der andere heißt Werner Faymann.
Vor dem Sommer hatte der Kanzler noch ordentlich zu kämpfen – die Serie der unerfreulichen Landtagswahl-Ergebnisse unter seinem Parteivorsitz setzen sich im Burgenland und in der Steiermark fort, mit noch unerfreulicheren Folgen. Hier der Landeshauptmann weg, dort eine rot-blaue Koalition im Eiltempo geschmiedet und das Ende der SPÖ als ewiges Bollwerk gegen rechts besiegelt. Zoff mit der ÖVP, Murren in der eigenen Partei und eine ganz schlechte Presse – wenn man von den befreundeten Blättern absieht. Zu allem Überdruss tauchen auch noch potenzielle Nachfolger auf. Gerhard Zeiler bewirbt sich per Kurier-Interview, ÖBB-Generaldirektor Christian Kern wird per Dementi der Nationalratspräsidentin auf den Schild gehoben und steigt nicht mehr herunter. Nolens volens.
Kanzler der Herzen am Abstellgleis
Kern hat in der schwierigen ersten Phase der Flüchtlingskrise Sensibilität und Leadership bewiesen und seinen großen Auftritt als Kanzler der Herzen vieler gehabt. Man könnte glauben, der amtierende Kanzler hat sich da etwas abgeschaut. Denn Werner Faymann hat sich mit Angela Merkels Go in der Hand fürs Durchwinken der Flüchtlinge entschieden und ist im Grunde bei dieser Linie geblieben. Das hat ihm erst die große europäische Bühne bereitet, die sein USP – der Unique Selling Point – als Regierungschef ist. Auftritte für Quotenregelung, für Milliardenhilfen in Krisenregionen, Besuch bei Merkel, Sondergipfel in Brüssel, Auftritte gegen die Stacheldraht-Politik Marke Viktor Orban. Faymann ist schon lange nicht mehr so fest im Sattel gesessen.
Fest auf dem taumelnden Pferd
Was kümmert es ihn da, dass das Pferd unter ihm zusammenbricht. Die SPÖ wird mit ziemlicher Sicherheit in Oberösterreich auf Platz drei zurückfallen, dabei ist das ein rotes Kernland, wo die SPÖ bei Nationalratswahlen praktisch immer vorne liegt – wie Johannes Huber in seinem Blog gut darstellt. Sogar die rote Bastion Wien wankt gefährlich – allein dass viele Medien seit Wochen ein Duell zwischen SPÖ und FPÖ um Platz eins herbeischreiben, muss das Selbstverständnis gestandener Sozialdemokraten zutiefst erschüttern. Aus der Sicht Faymanns hingegen könnte es nicht viel besser laufen. Wenn um ihn herum alle zerbröseln, wer sollte ihn dann von dort oben stürzen wollen, wo er so große Politik macht?
Größter Maximierer aller Zeiten
FPÖ-Chef Strache könnte am Sonntag und zwei Wochen später in Wien endgültig aus dem Schatten Jörg Haiders treten. Für den hat auch nur die Stimmenmaximierung gezählt, und in dieser Disziplin hat er in Strache wohl seinen Meister gefunden. Was der mit den Ergebnissen dann anfängt, ob weitere – wie Hans Niessl im Burgenland – glauben, nicht mehr an der FPÖ vorbei zu kommen, das ist eine andere Frage. Wie verlockend es ist, auf diesen Zug aufzuspringen, zeigt die Bundes-ÖVP vor. Die hat in der Schlussphase des Oberösterreich-Wahlkampfs den Schmiedl gemacht, obwohl der Schmied Strache seit Wochen laut und immer lauter hämmert.
Die Volkspartei schmiedelt herum
Asyl auf Zeit ist ein selten unausgegorener Vorschlag, das haben die verwirrten und verwirrenden Reaktionen aus den Reihen von ÖVP und SPÖ gezeigt. Auch wenn das aus ehrlicher Sorge vor einer Überforderung unserer Gesellschaft gekommen ist, das kann man der Volkspartei ruhig zugestehen. Man muss sich ernsthaft Gedanken machen, was passiert, wenn die Deutschen uns die durchreisenden Flüchtlinge nicht mehr abnehmen oder wenn die geplanten EU-Hotspots nicht funktionieren. Aber befristetes Asyl ist eine untaugliche Antwort und eine überdies unredliche – denn die Familienpartei ÖVP will damit den Familiennachzug beenden, wie der Parteiobmann mittlerweile unmissverständlich zugibt. Die SPÖ rudert in der Frage ziemlich herum. Hier schlummert der nächste Koalitionskrach.
Zweimal Grün ausgehübscht?
Die Grünen könnten in den nächsten Wochen gleich zwei ihrer hübschen Regierungsbeteiligungen in den Ländern verlieren. Es könnte sich Schwarz-Grün da und Rot-Grün dort einfach rechnerisch nicht mehr ausgehen. Oder Schwarz da und Rot dort könnten sich aus innerparteilichen Erwägungen andere Partner suchen. Indizien dafür gibt es sowohl in Oberösterreich als auch in Wien. Das wäre ein Dämpfer für die Bundespartei, die im Parlament zuletzt so eng mit SPÖ und ÖVP kooperiert hat, dass es fast schon an Anbiederung grenzt. Einen Entschließungsantrag an die Regierung zur höheren Dotierung des World Food Programme der UNO haben die Grünen gemeinsam mit den Regierungsparteien eingebracht. Eher ungewöhnlich.
Pink bleibt die Hoffnung auf Wien
Die NEOS wollen in Oberösterreich und Wien wieder punkten, nachdem es im Burgenland und in der Steiermark nicht funktioniert hat. Auch der pinken Partei kommt sehr ungelegen, dass das Flüchtlingsthema alles überlagert und der Ruf nach dem Abschneiden alter Zöpfe jetzt gerade nicht so viel Aufmerksamkeit erregt. In Wien kommt die Zuspitzung auf das Duell SPÖ gegen FPÖ dazu – eine Dynamik, die kleine Parteien zur Verzweiflung treiben kann. In Oberösterreich dürfte es knapp werden, in Wien – wohl auch wegen der inferioren Performance der Stadt-ÖVP – eher nicht. Entsprechend relativ zu sehen ist die Selbstlosigkeit von NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger: Sie hat am Donnerstag ihre Abschiedsrede als Abgeordnete zum Nationalrat gehalten und sich von ihrer Fraktion für das Risiko, das sie da eingeht, beklatschen lassen. Der Grat zwischen mutig & tricky ist schmal.
Ein Gedanke zu „Die Gewinnler“
Die Politik in Österreich gibt derzeit gernerell ein jämmerliches Bild ab und ich bin zornig darüber und tief enttäuscht. Seit mehreren Jahren war diese enorme Migrationsbewegung absehbar, weil in den Flüchtlingslagern Jordaniens, des Libanons und der Türkei die Überlebenschancen immer geringer wurden und es keine Hoffnung auf eine Rückkehr in die Heimatländer mehr gab. Zusätzlich wurden auch noch die Mittel für die UNO-Flüchtlingshilfe halbiert. Doch die europäische und nationale Politik hat die deutlichen Zeichen und Warnungen ignoriert. Ich bin sehr stolz, dass es in unserem Land soviele Menschen gibt, die großherzig und opferbereit ihr Möglichstes tun. Ich arbeite selbst mit, in unserer kleinen Gemeinde einige Familien unterzubringen und es gibt schon viele, die mithelfen wollen, aber die bürokratischen Hürden und die Gleichgültikeit der Gemeindepolitik sind beinahe unüberwindbar.