Rothelmchen
Es war einmal ein Parteisekretär, der im Fernsehen auftrat, um den Eindruck vom Elend der Kanzlerpartei zu zerstreuen. Der ZIB2-Auftritt von Gerhard Schmid hat diesen Eindruck eher verfestigt. Abrutschen der SPÖ im Kernland Oberösterreich Richtung Bedeutungslosigkeit? Das müssen wir jetzt ganz, ganz tief analysieren. Wir hätten die Antworten besser kommunizieren können. Die größte Steuerreform aller Zeiten tritt erst 2016 in Kraft, das haben die Menschen noch nicht spüren können. Jetzt muss man in Wien aber unbedingt Häupl wählen, damit Strache nicht Bürgermeister wird. Und Werner Faymann bleibt selbstverständlich Parteivorsitzender. Die SPÖ ist endgültig zur Stahlhelmfraktion geworden.
Rothelmchen beim bösen Wolf. Es war wieder einmal ein Lehrstück dafür, dass sie es nicht verstanden haben. Was Strache richtig macht und was die SPÖ falsch macht. Gegen Ende der Sendung brachte Gerhard Schmid die Forderung des FPÖ-Chefs nach einem Grenzzaun rund um Österreich ins Spiel – eine schon topographisch so bizarre Idee, dass man sich damit nicht lang aufhalten müsste. Ein typischer Strache-Sager halt, an der markigen Stacheldraht-Politik von Ungarns Premier Viktor Orban angelehnt. Schmid hätte den Zuschauern gern erklärt, was so ein Zaun kosten würde, aber der böse Wolf hat schon auf die Sendezeit schauen müssen.
Das Märchen vom Zaun
Das mit dem Zaun kommt von dort, wo auch Parteimanager Schmid herkommt – aus dem Bundeskanzleramt, wo Werner Faymann und Josef Ostermayer residieren. Der Kanzlerminister hat ausrechnen lassen, was so ein Zaun rund um Österreich kosten würde. Wenn der Zaun was taugen sollte, dann wären es wohl einige Milliarden, und da stelle sich schon die Frage, wie Strache das bezahlen wolle. Das möchten Faymann & Co. gern unter die Leute bringen. Dabei ist den Leuten ziemlich egal, was so ein Zaun kosten würde. Sie fragen nicht danach. Sie bekommen von Strache einfache Antworten auf die Fragen, die sie stellen und die sonst keiner beantwortet.
Bald Sonderzüge nach Nirgendwo?
Der Kanzler sagt am Abend der Wahl, bei der seine Partei im Industrieland Oberösterreich unter 20 Prozent gefallen ist und bei den Arbeitern (dazu gute Analyse von Corinna Milborn hier) und den Jungen atomisiert wurde, dass er bei seiner Politik bleibe. Ordnung und Sicherheit – ja klar, aber vor allem auch Menschlichkeit gegenüber denen, die zu uns kommen. Und es sind immer noch Tausende pro Tag, die Übergangsquartiere sind voll. Die Deutschen deuten an, dass jetzt bald der letzte Sonderzug nach Berlin fahren könnte. Kontinuität Marke Faymanns ist eine noch untauglichere Antwort für die vielzitierten besorgten Menschen als das Märchen vom Zaun. Noch dazu, wo der Koalitionspartner ÖVP darauf brennt, mit dem nächsten Manöver Marke Law & Order die Kreise des Kanzlers zu stören.
Pühringer darf, was Niessl darf
Überhaupt, die ÖVP. In Oberösterreich warten sie jetzt einmal den Wiener Wahlsonntag ab, und dann geht es in die Koalitionsgespräche mit den Freiheitlichen. Die Industrie hat sich schon unmissverständlich gegen Schwarz-Rot ausgesprochen, Schwarz-Rot mit grüner Behübschung ist ohnehin mehr parteipolitisches Wunschdenken der Anschober-Partei als eine Allianz der Menschlichkeit. Demokratiepolitisch wäre das auch fragwürdig. Ein Pakt zum Ausschluss einer Partei, die gerade ihren Stimmenanteil auf mehr als 30 Prozent verdoppelt hat? Mit welcher Begründung? Quod licet Niessl, non licet Pühringer? Im Gegenteil: der rot-blaue Pakt im Burgenland wird der ÖVP im Fall das Falles jetzt immer als Rechtfertigung dienen, das ist sehr praktisch.
Drohpotenzial versus Kontinuiät
Der Niessl-Pakt hat auch Drohpotenzial für die Bundesebene, wo SPÖ und ÖVP dringend jeden Tag Gott danken müssten – Flüchtlingskoordinator Christian Konrad könnte auch Wallfahrten nach Mariazell organisieren -, dass der reguläre Wahltermin erst 2018 ist. Denn in den aktuellen bundesweiten Umfragen liegt die Strache-FPÖ so was von deutlich voran, bei 30 Prozent – SPÖ und ÖVP abgeschlagen dahinter. Im Unterschied zur Faymann-SPÖ hat die ÖVP hier zumindest einen theoretischen Spielraum und könnte die Sozialdemokraten mit der schwarz-blauen Karte in der Hand vor sich hertreiben. Bis zu einem gewissen Grad macht die ÖVP das auch jetzt schon, wie sich etwa in der Flüchtlingspolitik zeigt. Stichwort: Asyl auf Zeit.
Wenn sich Zwei zu Tode koalieren
Die Rothelme lassen sich nicht irritieren. Am liebsten würden sie den Zaun, den sie Strache propagandistisch nicht gönnen wollen, um die Koalition ziehen. Der Kanzler würde noch einmal einen Extrazaun bekommen und könnte von dort aus seine europäische Politik machen, eng mit Angela Merkel abgestimmt. So ließen sich dann auch die Sticheleien der ÖVP aushalten, die dauernd nach Strukturreformen schreit, die dann an ihren eigenen Zäunen scheitern. Und sie würden glücklich sterben.