Der Blaufunk
Wenn wir Freiheitliche mehr zu sagen haben, dann werden wir dafür sorgen, dass nicht mehr soviel gelogen wird in den Redaktionsstuben. Das hat Jörg Haider gesagt, früh in den 1990-er Jahren. Lange vor Pegida hat er die Lügenpresse als strategischen Feind ausgemacht. Gemeint: die Zeitungen & Magazine, die nolens volens mitgeholfen haben, Haider und die FPÖ groß zu machen. Und natürlich der Rotfunk ORF. Haiders Drohung ist wahr geworden, aber auf andere Weise als viele seiner Kritiker damals befürchtet haben. Die Strache-FPÖ hat sich ihren eigenen Blaufunk geschaffen. Der heißt Livestream & Facebook und hat auch Schattenseiten, wie die Grenzgängerin Susanne Winter erfahren musste.
Den Wahlkampfauftakt beim Viktor-Adler-Markt in Wien-Favoriten Anfang September hat die FPÖ per Livestream im Internet übertragen. Stefan Petzner hat in einem Tweet dokumentiert, dass bisweilen 10.000 Menschen zugeschaut haben. Das ist eine beachtliche Zahl. Auch Pressekonferenzen von Heinz-Christian Strache kann man per Livestream vom Computer aus mitverfolgen, und das sogenannte FPÖ-TV auf der Website bringt Woche für Woche die freiheitliche Wahrheit unter die Leute – moderiert unter anderem von Petra Steger, Tochter von Ex-FPÖ-Chef & Vizekanzler Norbert Steger und von Strache geförderte Nachwuchshoffnung der Partei. Medienpräsenz – auch wenn es nur die neuen Parteimedien sind – kann da nicht schaden.
Massenpublikum auf Facebook
Ein echtes Massenpublikum erreicht Strache jedoch täglich auf seiner laufend aktualisierten Facebook-Seite. Die Zahl seiner Freunde nähert sich der 300.000-er Marke, das ist rund ein Drittel der freiheitlichen Wählerzahl bei der Nationalratswahl 2013. Kein anderer österreichischer Politiker hat ein derart mächtiges Social-Media-Werkzeug in der Hand wie Strache – das viel billiger ist als aufwändige Parteiapparate und wirkmächtiger noch dazu. Inhaltlich hat sich Strache dort eine ganz eigene Welt erschaffen. Es geht gegen die Islamisierung des Abendlandes (deshalb hat eine österreichische Pegida auch keine Chance gehabt, das erledigt bei uns eben die FPÖ), für mehr Härte gegen Kriminelle, für kompromissloses Abschieben von sogenannten Asyl-Betrügern (die schon von der Wortwahl her gern mit den Kriminellen in einen Topf geworfen werden). Immer wieder auch: gegen die Unfähigkeit der Regierung.
Die Geister, die sie im Netz rufen
Die Geister, die Strache und seine Parteifreunde damit rufen, werden sie nicht mehr los. Die Herren Kickl & Vilimsky kommen sozusagen mit dem Löschen von Hasstiraden nicht mehr nach. Auf der Website Eau de Strache sind Beispiele dafür dokumentiert, nicht nur von untragbaren Postings an Strache. Solche finden sich etwa auch auf der Facebook-Seite des Nationalrats-Abgeordneten & geschäftsführenden FPÖ-Landesobmanns in Niederösterreich, Christian Höbart. Der hat Ende September ein Video von einem Handgemenge unter Flüchtlingen vor einer kroatischen Bus-Station geteilt und so kommentiert: Wir werden zukünftig noch viel Spaß mit all diesen “Kriegsflüchtlingen” haben. Eines der Postings darunter lautet: Ganze Gruppe Feuer Frei. Es steht immer noch auf der Facebook-Seite des FPÖ-Abgeordneten.
Hass-Postings als Erfolgsbedingung
In Wahrheit können und sollen diese Seiten wohl gar nicht kontrolliert werden. Diese Seiten sind deshalb erfolgreich, weil dort unkontrolliert abgeladen werden kann. Dass man direkt bei den vermeintlich Mächtigen ablädt, macht es umso attraktiver. Und es ist schwierig, ein Hass-Posting etwa gegen Flüchtlinge dem Politiker vorzuwerfen, der es wiederum mit seinem Posting provoziert hat. Da gibt es tausend Ausreden. Bis hin zu – wieder einmal – den Lügenmedien, die fragwürdige Postings rascher veröffentlichen würden als die FPÖ sie löschen kann. So hat zum Beispiel Generalsekretär Harald Vilimsky in einer ORF-Diskussion argumentiert. Nur wenn freiheitliche Politiker selbst wieder einmal danebengreifen, rücken die Lösch-Brigaden wirklich aus.
Schützende Hände plötzlich weg
Herr Höbart musste sein Posting von der lustigen Bootsfahrt entfernen, das für große Aufregung gesorgt hat. Und er hat ein Posting des Bedauerns nachgeschoben, das war’s. Die Partei hält trotz Bootsfahrt, Erd- und Höhlenmenschen & Feuer Frei noch jene schützende Hand über Höbart, die sie von Susanne Winter weggezogen hat. Zu platt war deren antisemitischer Ausfall, wiederum auf Facebook, und zu seltsam ihre Erklärungsversuche, dass das alles nur ein Missverständnis gewesen sei. Winter hat im Gegensatz zu ihrer Ex-Partei den Ernst ihrer Lage nicht erkannt. Bei Antisemitismus gibt es neuerdings in der FPÖ keinen Pardon mehr. Es wird weitere treffen. Ob sie Höbart oder sonstwie heißen. Denn das Provozieren im Netz, das Teilen von Inhalten aus teils dubiosen, sprich rechtsextremen Quellen – das ist eine riskante Sache.
Antisemitismus im Chef-Posting
Das hat ja auch Heinz-Christian Strache erkennen müssen, als er vor wenigen Jahren die antisemitische Karikatur eines Bankers auf Facebook gepostet hat. Kritik an der Regierung wegen der Euro-Rettung war der Hintergrund, und Strache hatte sehr viel Erklärungsbedarf, der darauf hinauslief: Wenn ich einen Cartoon verlinke, den ein anderer User gepostet hat, wird mir auf einmal Antisemitismus unterstellt. Das ist mehr als perfid – so Strache larmoyant über die Geister, die er im Sommer 2012 gerufen hatte. Am problematischen Grundmuster hat sich nichts geändert.
Die Staatsanwaltschaft hat damals übrigens wegen Verhetzung gegen Strache ermittelt und das Verfahren nach Monaten eingestellt. Mit der bemerkenswerten & seltsamen Begründung, dass durch die Karikatur nicht gegen die Gesamtheit der jüdischen Bevölkerung gehetzt wurde. Aber das ist wieder einmal eine andere Geschichte.
Ein Gedanke zu „Der Blaufunk“
Ja, eh. Aber: Hinter der FPÖ wie dem pauschalisierenden Begriff “Lügenpresse” verbergen sich Realitäten und Phänomene, die man analysieren und verstehen muss (sollte). Die moralisierende Betrachtung erspart das, leider (so sehr ich das Allermeiste nachvollziehen kann). Und sie legt einen “Schwebezustand” nahe, der selten ist. — Ändert sich zudem das Wahlergebnis, sind die Einstellungen dann meist kein Thema mehr, siehe das Beispiel Kärnten (ich bezweifle, dass sich die politischen Grundeinstellungen dort ins Gegenteil verkehrt haben).