Dr. Fünfhouse
Rot-Grün II, ein einziges Missverständnis. Der seit zwanzig Jahren regierende SPÖ-Bürgermeister bei der Wiederwahl im Gemeinderat knapp an der totalen Blamage vorbei, weil er nur 52 von 100 Stimmen bekommen hat. Friendly fire. Die grüne Vizebürgermeisterin zuerst unter dem Gespött der Öffentlichkeit vom Rücktritt zurückgetreten, dann von der Basis ihres Landessprechers und Mitstreiters beraubt. Schattenboxen um den Lobau-Tunnel. Und dann noch ein Sideletter in Form mündlicher Absprachen zu roten Tabu-Themen wie Franken-Ausstieg und Geld für Inserate & Auslandsbüros. Holprig ist ein Hilfsausdruck.
Die gute Nachricht zuerst. Es gibt Nebenvereinbarungen zum rot-grünen Koalitionsvertrag, wonach die bisherigen absoluten Tabuthemen angegangen werden sollen: Ausstieg aus den Milliardenschulden in Schweizer Franken, grüne Teilhabe an der Kontrolle im städtischen Firmenimperium, Kürzung der städtischen Inserate um ein Drittel samt Erhebung der völlig intransparenten Inseratenausgaben der einzelnen Ressorts, Übernahme der Auslandsbüros vom Compress-Verlag samt Durchleuchtung und Totalreform innerhalb eines Jahres, Überprüfung der Sinnhaftigkeit der Publikationen der Stadt via Bohmann-Verlag. Das ist nicht nichts.
Verheddert in Nebenabsprachen
Reflexartig kamen von Seiten der SPÖ zunächst die Dementis. Aus den Franken-Krediten habe man sowieso aussteigen wollen, jetzt werde ein neuer Plan dafür gemacht. Dann bestätigte der Bürgermeister den Etappenplan. Im Finanzressort hieß es zuletzt: ein kursunabhängiger Ausstieg sei auch eine Option. Und warum sollten die Grünen denn keine Aufsichtsräte nominieren dürfen – die Übersiedlung der Stadtwerke-Holding ins Ressort von Ulli Sima biete Gelegenheiten dafür. Dass die Inserate sowie der Presse- und Informationsdienst geschrumpft werden sollen, hat die Wiener SPÖ gar nicht erst dementiert. Die Strafe folgte auf dem Fuße und traf den als Stadtrat abgelösten Christian Oxonitsch bei der Wahl zum Klubchef. Nur 71 Prozent.
Klubchef entblößt die Partei
Und weil’s eh schon wurscht war, hat Oxonitsch in einem Interview das desolate Innenleben der Roten in Wien nach außen gekehrt. Auf die Frage, warum die Nebenabsprachen zum Koalitionspakt verschwiegen worden sind, anwortete der Klubobmann geradezu fahrlässig offen: Viele SPÖ-Mandatare haben getobt – sie hätten unter diesen Bedingungen nie für die Koalition gestimmt – vor allem wegen des kursunabhängigen Ausstiegs aus den Frankenkrediten, womit die Stadt gewaltige Verluste einfährt. Dass wir einen schrittweisen Ausstieg planen, ist nicht neu und deshalb nicht im Koalitionspakt. Die klandestine Revolution der Parteispitze gegen die Herrschaft der Funktionäre aus den aufmüpfigen Bezirken.
Bobos stürmen die Außenbezirke
Und das ist die schlechte Nachricht. Man weiß nicht, was die mündlichen Vereinbarungen zu den heiklen Punkten wert sind. Ob die SPÖ das alles durchsetzen kann und will. Ob die Grünen es schaffen, den respektablen Druck aufrechtzuerhalten, mit dem sie in die Koalition gegangen sind – oder ob sie in basisdemokratischen Grabenkämpfen versinken. Der neue Landessprecher Joachim Kovacs will eine neue Richtung einschlagen. Mehr Engagement der Bobo-Partei für die großen Außenbezirke, das birgt natürlich Konfliktstoff. Nicht zuletzt beginnt die SPÖ in Wien langsam, aber doch in Richtung FPÖ wegzubrechen. Bestes Beispiel dafür: Rudolfsheim-Fünfhaus.
Rot-Blau Ecke Westbahnhof
Der 15. Bezirk ist der mit dem höchsten Ausländeranteil. Bei der Wahl hat die SPÖ mit Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal 39 Prozent erreicht, die FPÖ 25 Prozent und die Grünen 21 Prozent. Zuletzt hat die SPÖ mit den Grünen zusammengearbeitet, das hat Zatlokal aufgekündigt – zugunsten eines freien Spiels der Kräfte, wie er sagt. Am 20. November hat sich die Bezirksvertretung konstituiert, und der rote Bezirksvorsteher hat sich von den Blauen wählen lassen. Die Roten haben den FPÖ-Stellvertreter gewählt, die Blauen haben den Roten bei den Ausschüssen geholfen, eine von Roten & Grünen erfundene Kommission für Integration und Gleichstellung haben Rot & Blau gemeinsam abgeschafft. Obmann der Freiheitlichen im 15. Bezirk ist übrigens Dietbert Kowarik, Mitglied des Gemeinderats, Teil von Straches junger Garde & nicht zuletzt strammer Burschenschafter. Olympia.
Rise like a Ludwig
Dass ausgerechnet Wohnbaustadtrat Michael Ludwig die rot-blaue Fünfhauser Bezirksvorstehung angelobt hat, ist eine Ironie dieser Tage. Ludwig hat bei der Wahl im Gemeinderat satte 81 Stimmen bekommen, 29 mehr als der Bürgermeister. Auch die Freiheitlichen haben ihn gewählt – denn er sei der FPÖ nie ausgrenzend gegenübergetreten, sondern konstruktiv und freundlich, so der freiheitliche Klubchef im Gemeinderat. Die Krone hat es immer schon gewusst. Ludwig ist ein kommender Mann. Sozusagen ein Dr. Fünfhouse mit großer Diagnosefähigkeit und einem Rezept gegen den bösen Virus des Machtverlusts.