Wer ist Norbert Hofer. Wie weit würde dieser Mann gehen, wäre er erst einmal Bundespräsident. Und wie unabhängig wäre dieser Mann von seinem Förderer Heinz-Christian Strache, sollte er ab 8. Juli wirklich das Büro hinter der roten Tapetentür beziehen? Diese Fragen werden sehr kontroversiell diskutiert. Alarmistisch von den einen, fatalistisch von den anderen. Was soll schon groß passieren. Dann wäre halt ein Blauer Bundespräsident. Die fast schon amikale Debatte des blauen mit dem grünen Präsidentschaftskandidaten am Mittwoch Abend im Radiokulturhaus hat diese These nur scheinbar gestärkt.
Jetzt sind wir schon wieder einer Meinung. Ja, ich würde den Herrn Hofer gegen ungerechtfertigte Angriffe verteidigen. Ich grabe jedenfalls keine Keule aus, sagte Alexander van der Bellen in der Ö1-Sendung Klartext mit Klaus Webhofer. Obwohl Norbert Hofer gegen die – konkret – Nazikeule gar nichts unternehmen würde, wie er sagte. Denn niemand werde gezwungen, in die Politik zu gehen – und so etwas müsse man in der Politik aushalten. Hofer würde auch die Bezeichnung „grüner faschistischer Diktator“ mittlerweile eleganter formulieren. Das war eine Replik auf den Plan, FPÖ-Chef Strache nicht zum Kanzler anzugeloben. Dabei bleibt Van der Bellen zwar, aber er hat nichts persönlich gegen Strache, mit dem er viele Zigaretten im Raucherkammerl des Parlaments geraucht habe. Die befürchtete Polarisierung schaut anders aus.
Statt Polarisieren in der Softwahlkampf-Falle
Es war ein bezeichnender Kampagnenstart für die Stichwahl. Beide Seiten müssen darauf bedacht sein, eben nicht zu polarisieren. Der eine, um nicht dem anderen die Wähler aus dem bekannten Reflex heraus zuzutreiben. Jetzt erst recht. Wir wählen, wen wir wollen. Das hat schon früher gut funktioniert. Hofer wiederum muss trachten, mit seinem doch eher radikalen Amtsverständnis nicht Wähler zu verschrecken, die dann beim bedächtigen Professor Zuflucht suchen könnten. Doch der FPÖ-Kandidat mit seinen 35 Prozent im ersten Wahlgang hat die komfortablere Ausgangsposition. Das und der Umstand, dass Hofer als Persönlichkeit so schwer zu fassen ist, stellt Van der Bellen in den kommenden drei Wochen vor eine schwer lösbare Aufgabe.
Es ist nicht jeder Tennisspieler ein Nazi
Norbert Hofer ist für seine Kritiker ein Wolf im Schafspelz. Er wird das freundliche Gesicht der FPÖ genannt. Tatsächlich ist Hofer ein strammer Partei-Ideologe mit Burschenschafter-Hintergrund. Viel weniger Populist, als es Strache ist. Und auch mit den Codes der extremen Rechten durchaus vertraut, wie er mit seinem letzten Satz in der ersten Pressekonferenz nach dem Wahlsieg erkennen ließ. Es ging um die Frage einer Journalistin zur blauen Kornblume als Parteisymbol der Freiheitlichen, Strache und Hofer verteidigten das Tragen dieser Blume (die auch ein Symbol der illegalen Nazis in den 1930-er Jahren war) etwa bei Angelobungen im Parlament. Und dann sagte Hofer den Satz: Ein Tennisspieler ist ja auch kein Nazi, weil er weiße Socken trägt. Eine Anspielung wieder auf die illegalen Nazis, deren Kennzeichen ein weißes Hemd war – zur Ledernen oder Bundhose mit weißen Kniestrümpfen.
Freundlich bis zum Wundern
Angenehm im persönlichen Umgang, aber auch beinhart, wenn es sein muss: Im Wahlkampf hat Hofer von sich aus immer wieder erzählt, dass er als Stellvertreter des Parteiobmanns die Parteiauschlüsse zu exekutieren habe. Täuscht euch nicht in mir. Eine ähnliche Botschaft wie der Sager aus der ORF-Sechser-Runde der Kandidaten für den ersten Wahlgang: Sie werden sich wundern, was alles gehen wird. Das ist Hofer herausgerutscht und hat so selbstverständlich geklungen, weil es in ihm drinnen ist. Längst ist es ein geflügeltes Wort, das die verbreitete Angstlust befeuert. Viele Kommentatoren befürchten eine autoritäre Wende wie unter Viktor Orban in Ungarn.
Do it like Orban – oder eher wie Polens Duda
Das bessere Beispiel ist vielleicht Polen mit Präsident Andrzej Duda, der als weithin unbekannter EU-Abgeordneter Präsidentschaftskandidat der rechts-nationalistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) – die Partei von Jaroslaw Kaczyński – geworden ist. Die PiS stellt auch die Regierung, die sich mit einem umstrittenen Mediengesetz den Zugriff auf die öffentlich-rechtlichen Sender gesichert hat und jetzt per Gesetz das Verfassungsgericht schwächen will. Präsident Duda steht in beiden Fällen auf Seiten der Regierung und verteidigt deren Tun etwa im Interview mit der Washington Post.
Der Gegner am Rand der Selbstverleugnung
Die Post fragt den Präsidenten, ob er eine Marionette von Kaczyński sei. Und Duda sagt darauf: Menschen, die mir als Präsidentschaftsanwärter gegenüber kritisch waren, werden weiterhin sagen, dass ich kein unabhängiger Präsident sei. Doch aktuell bin ich der Präsident der Republik Polen. Und jede Entscheidung, die ich treffe, die treffe ich aus meiner eigenen Verantwortung heraus. So ein Satz würde auch gut zu Norbert Hofer passen. Der es auch gut versteht, alles abtropfen zu lassen. Der sich amikal gibt, aber in gewissen Momenten eine Bestimmtheit und Entschlossenheit an den Tag legt, die viele irritiert. Und der Alexander van der Bellen zu einer Tonalität im Wahlkampf zwingt, die fast schon an Selbstverleugnung des grünen Unabhängigen grenzt.