Schwarzweißer
Unter dem Mond von Grinzing ein launiges Gespräch des Bundeskanzlers mit dem Autor und Braunschlag-Macher David Schalko. Christian Kerns Botschaft an das dankbare Publikum war: Wir schaffen das. Wir bringen die SPÖ wieder hoch und drücken dem Land, wenn nicht der Europäischen Union unseren Stempel auf. Dazu müsse man aber schwarzweißere Antworten geben, so Kern im Garten des Kreisky-Forums. Der SPÖ-Vorsitzende will das Feld nicht mehr den rechten Populisten überlassen, sondern – nicht ganz überraschend – selber einer sein.
Die Leute wollen das System auf den Knien sehen, fasste Kern seine Eindrücke aus Gesprächen mit FPÖ-Wählern zusammen. Es sei diesen Menschen egal, ob die FPÖ die Probleme lösen kann, die sie anspricht und kritisiert. Die Menschen wollten klare Antworten, und die dürften sie nicht länger nur von der FPÖ bekommen, so Kern. Sein Auftritt im Parlament, wo er erstmals Gemeinsamkeiten mit Heinz-Christian Strache hervorgehoben hat, ist unter diesem Aspekt zu sehen. Sagen, wo die FPÖ recht hat und wo nicht. So bekannte sich Christian Kern am Abend im Kreisky-Forum auch zu Kritik an der EU von links. Denn ohne solche Kritik zerstöre sich die Union selber.
Kern schärft & Hofer verwischt Positionen
Sechs Kilometer weiter östlich, im Wiener Prater, versuchte zu gleicher Stunde der FPÖ-Präsidentschaftskandidat, weniger schwarzweiß zu sein. Norbert Gerwald Hofer verwischte vor Fans wieder einmal Positionen aus dem bisherigen Wahlkampf. Wäre er als Bundespräsident mit der Regierung unzufrieden, dann würde Hofer jetzt nicht mehr die Regierung entlassen. Er würde ihr einheizen. Mit Medienauftritten am Pflegebett, in der Schule, in Betrieben. Überall. Ähnlichkeiten mit Fernseh-Soaps eines Mitbewerbers aus dem ersten Wahlgang wären natürlich reiner Zufall. Aus der EU würde Hofer nicht mehr austreten, wie das im FPÖ-Programm immer noch als Option angeführt wird, sondern er würde die Europäische Union in einem Bündnis mit den Visegrad-Staaten von innen heraus verändern wollen.
Außenpolitische Grenzgänge des Kandidaten
Also mit Ungarn, das der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn wegen des autoritären Zugs der Regierung Orban aus der EU ausschließen möchte. Mit Polen, das eine rechtskonservative Regierung hat samt dazu passendem Präsidenten, der Hofer vom Werdegang her nicht unähnlich ist. Und Polen hat als erster Mitgliedsstaat auch ein Verfahren wegen möglicher Verletzung der Rechtsstaatlichkeit am Hals. FPÖ-Kandidat Hofer erwägt dennoch einen Besuch dort, so wie er auch beim tschechischen Präsidenten Milos Zeman war. Unabgesprochen mit der Nationalratspräsidentin und Sprecherin der interimistischen Staatsführung. Doris Bures hat in der ZIB2 denn auch Kritik geübt und Hofer zu mehr Sensibilität ermahnt.
Erste Frau im Staat rügt Dritten Mann im Staat
Soll heißen: der FPÖ-Präsidentschaftskandidat sollte sein Amt als Dritter Nationalratspräsident nicht für den Wahlkampf missbrauchen. Offensichtlich hat Hofer allergrößtes Interesse daran, die Bedenken zu zerstreuen, dass Österreich mit ihm als Staatsoberhaupt international ins Abseits kommen könnte. Das hat er auch im Prater vor seinen Fans mehrmals betont. Die Konkurrenz auf dem außenpolitischen Feld ist ja groß. Hier der umtriebige Außenminister Sebastian Kurz von der ÖVP, dort Kanzler Kern, der jetzt auch seine Pflöcke einschlägt. Mit einem Bekenntnis zu einer starken öffentlichen Hand und mehr staatlichen Investititonen in einem Essay in der FAZ.
Ein schwarzweißer Doppel-Salto in der FAZ
Die Antwort auf den am Abend im Kreisky-Forum bejubelten Aufsatz kam nur zwei Tage später ebenfalls in der Frankfurter Allgemeinen. Und zwar von Finanzminister Hans Jörg Schelling von der ÖVP, der die Ideen von Christian Kern als doppelten Salto zurück bezeichnet und den Kanzler selbst als linken Ideologieträger geißelt. Alles wird eben schwarzweißer. Nur der Innenminister bleibt beim undurchsichtigen Grau. Über Wochen hat Wolfgang Sobotka für die Asyl-Sonderverordnung getrommelt, mit der jetzt der Notstand herbeigeschrieben wird. Bis zuletzt vom Minister unbemerkt, hat sich dann die Wahlkartenkuvert-Blamage zusammengebraut, die Wahl des Bundespräsidenten ist auch noch zur Lachnummer geworden.
Sobotka lehnt es ab, die Grauzone zu verlassen
Aber auch der Innenminister selbst, mit seinen Abhandlungen über Klebstoff und die Hochkomplexität von Kuverts. Auf die Frage, ob er als politisch Verantwortlicher für das Desaster Konsequenzen ziehen werde, sagte Wolfgang Sobotka im Ö1-Interview unter anderem: Ich lehne das ab, dass das Innenministerium für einen Produktionsfehler veranwortlich gemacht wird. (…) Ich bin angetreten, der Rechtsstaatlichkeit wirklich zum Durchbruch zu verhelfen und dem fühle ich mich verpflichtet. Indessen gelangen die Verschwörungstheorien rund um die Problemwahl zu neuer Hochblüte.
Das ist nicht der Super-GAU, da hat Christoph Kotanko in seinem Leitartikel in den Oberösterreichischen Nachrichten schon recht. Aber so was nagt an den Grundfesten der Demokratie, der ein bisschen mehr Schwarzweiß – also Klarheit – auch in Fragen wie politischer Verantwortlichkeit nicht schaden würde.