Slim-fit wie Freud
Der SPÖ-Regierungskoordinator in seiner Rolle als Medienminister bei den Medientagen, wo ihm die Branche schon wegen seiner Ankündigung einer Reform der Medienförderung zu Füßen liegt. Der SPÖ-Kanzler in Erwartung der Photo-Opportunity mit US-Präsident Barack Obama in New York. Und der SPÖ-Bundesgeschäftsführer im Ö1-Morgenjournal und am Abend in der ZIB2, um das Ergebnis der SPÖ-Mitgliederbefragung zum Freihandelsabkommen der EU mit Kanada – kurz CETA – zu erklären und gegen die wütende Kritik der ÖVP zu verteidigen. Die ließ die SPÖ wissen: Das Ergebnis sei so viel wert wie eine Mitgliederbefragung des Alpenvereins. Lahme Enten schnattern aufgeregt.
Georg Niedermühlbichler musste diesen Rucksack allein tragen und versuchte irgendwie nicht sehr überzeugend, den Eindruck zu vermitteln, der Rucksack sei eh nicht so schwer. Die Umfrage hat bestätigt, dass es wie vermutet eine große Skepsis in der Bevölkerung gibt, vor allem gegen die gefühlten Geheimverhandlungen, so der SPÖ-Bundesgeschäftsführer. Große Skepsis. Wie vermutet. Verschwörung. Damit hat auch die FPÖ gerade sehr viel Erfolg. Da wollen die neuen Populisten von links den Rechtspopulisten in nichts nachstehen. Und die SPÖ freut sich auch schon auf zukünftige Befragungen zu verschiedenen Themen.
Fehlstart zur Demokratisierung der SPÖ
Mit der CETA-Befragung hat SPÖ-Vorsitzender Christian Kern zwei Dinge erreicht: Das Instrument zur Einbindung der Mitglieder – ein Schritt zu innerparteilicher Demokratie, die bis zur Mitsprache bei Koalitionsverträgen und bei der Wahl des Parteichefs gehen soll – wurde mit Suggestivfragen zu einem vom Boulevard vorgekochten Thema ganz massiv entwertet. Das ist reine PR und nicht Politik, wie auch Politikwissenschafter Peter Filzmaier angemerkt hat. Die SPÖ wird diesen Vertrag der EU mit Kanada nicht kippen und auch nicht in der Substanz ändern – welchen Beipacktext auch immer man mit der Kommission noch herausholen kann.
ÖVP fühlt sich bei CETA erneut vorgeführt
Dass Parteimanager Niedermühlbichler darauf verwiesen hat, dass letztlich ohnehin Außenminister Sebastian Kurz von der ÖVP den CETA-Vertrag unterschreiben müsse, sprich: die SPÖ im Zweifelsfall einen Sündenbock hat, sagt auch viel aus. Und passt zur zweiten Konsequenz aus der Mitgliederbefragung: Die ÖVP, deren Spitzen für das Abkommen sind, fühlt sich vom Koalitionspartner neuerlich vorgeführt. Eben erst hat der SPÖ-Chef und Bundeskanzler gemeint, man führe in der Koalition viele sinnlose Diskussionen, er wolle aber unbedingt bis 2018 weiterarbeiten. Dann der Abflug zum Flüchtlingsgipfel und zur Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York.
Kern & Kurz posieren vor Restaurant Freud
Dort warteten wichtigere Dinge. Kein Slim-fit-Duell mit dem ebenfalls im Big Apple angekommenen Sebastian Kurz, dafür schicke Hochglanz-Aufnahmen via Social Media ausgerechnet vor und aus dem Restaurant Freud. Das war dann nur noch zu toppen durch den Versprecher Georg Niedermühlbichlers in der ZIB2, wo der dem SPD-Chef und CETA-Freund Sigmar Gabriel den Vornamen Sigmund verpasste.
Der "Sigmund" Gabriel ist die Mutter aller Freudscher. #zib2
— Paul Schuierer-Aigner (@pablodiabolo) September 20, 2016
Freud schau oba. ÖVP-Parteiobmann Reinhold Mitterlehner, in der Slim-fit-Klasse leider nicht mehr startberechtigt, stellt derweil dem in New York weilenden SPÖ-Vorsitzenden ein Ultimatum. Entweder bringen wir das Ding systematisch ins Laufen oder eben nicht. Dann reden wir über die Konsequenzen. Neuwahlen versteht der Vizekanzler darunter aber eher nicht, weil dadurch käme dann alles ins Wanken, so Mitterlehner bei einem Hintergrundgespräch. Dann also doch das Slim-fit-Duell? Man kommt schon ins Wanken, wenn man sich überlegt, wie wenig Zeit seit Mitterlehners Ja, ich will! und dem Es reicht fast schon! vergangen ist. Da waren nur wenige Phasen von Rot-Schwarz, in denen die allerbesten Feinde dermaßen umtriebig waren wie in diesen Tagen.
Der Alpenverein müht sich in der Ebene
Die Mühen der Ebene sind eben nichts für einen Alpenverein. Da kann der SPÖ-Kanzleramtsminister noch so oft betonen, dass hinter den Kulissen in den Arbeitsgruppen eh alles wunderbar laufe und dass man die Pakete mit den Reformen schon zeitgerecht liefern werde. Was immer da kommt: Es werden Kompromisse sein und nicht die großen Würfe, die sich das Land zu Recht erwartet. Und selbst die Kompromisse werden dann noch zerredet werden wie seinerzeit die Steuerreform. Slim-fit ist da gar nichts. Außer die Hemden im Diplomatengepäck in New York.