Zangerl & Hämmerle
Wir schrieben den 26. August 2014, als der damalige ÖVP-Parteiobmann und Finanzminister Michael Spindelegger seinen Rücktritt von allen politischen Funktionen bekanntgab. Nicht aus heiterem Himmel: die Obmanndebatte schwelte schon lang, und an eben diesem Tag waren die Medien voll mit einer offenen Rücktrittsaufforderung an Spindelegger aus den eigenen Reihen. Sie kam von Erwin Zangerl, dem schwarzen Präsidenten der Tiroler Arbeiterkammer. Ein politischer Totenvogel, so wie sein Pendant Hubert Hämmerle in Vorarlberg. Jetzt ist die Werkzeugkiste zur Demontage eines ÖVP-Obmanns wieder offen. Zangerl & Hämmerle beweisen wieder einmal, dass diese ÖVP eher nicht zu retten ist.
Man kann so etwas nicht erfinden: Die Bundes-ÖVP liegt in den Umfragen unter 20 Prozent und muss mitansehen, wie der frische Glanz des smarten Bundeskanzlers langsam, aber doch auch dessen Partei in ein besseres Licht rückt. Die von Christian Kern bewusst wieder mehr links positionierte SPÖ hat in den Umfragen angezogen. Also bemüht sich auch die ÖVP um Neuaufstellung, sie will ihren Markenkern stärken – und das ist die Wirtschaft. Reinhold Mitterlehner hält eine Wirtschaftsrede, verlangt eine Senkung der Körperschaftssteuer, mahnt den 12-Stunden-Tag aus dem Koalitionspakt ein und stellt – horribile dictu – eine Kürzung der Arbeiterkammer-Umlage in den Raum.
Westen sägt schon am Obmann-Sessel
Die Rache der AK-Präsidenten aus dem Westen folgt auf dem Fuße – und gipfelt in der Ansage des Vorarlbergers Hämmerle in Richtung Mitterlehner: Vermutlich braucht er bald einen neuen Job und preist sich deshalb der Wirtschaft in den süßesten Tönen an. Der Tiroler Zangerl legt noch eins drauf und gibt vor, im Namen des gesamten ÖVP-Arbeitnehmerflügels zu sprechen (was so natürlich nicht stimmt): Wir haben den Vizekanzler mehrfach davor gewarnt, den Bogen nicht zu überspannen. Jetzt, nach einer bildlich mit dem Rücken zur Wand gehaltenen Rede des Bundesparteichefs, ist es so weit. Zeit, dass Zangerl & Hämmerle die Obmann-Säge in die Hand nehmen.
Wir schaffen das! im Mitterlehner-Style
Das Fatale ist, dass Mitterlehners Rede diese Aufregung nicht wert ist. Der ÖVP-Chef hat viele richtigen Punkte angesprochen, aber er konnte damit nicht begeistern. Viel zu lang sitzt die ÖVP schon in der Regierung, als dass man eine Rede ungestraft mit: Es gibt viel zu tun, packen wir’s an! beenden darf. Da hat ein herzhaftes Wir schaffen das! gerade noch gefehlt. Die Nervensägen von der pinken Konkurrenz waren natürlich auch zur Stelle und legten mit markanten Sprüchen draußen vor der Tür die Finger genau in diese Wunden. Und das Echo in den Medien war entsprechend. Die Glaubwürdigkeit ist halt ein Hund. Denn weder wird die ÖVP demnächst die Körperschaftssteuer senken, noch ist die Arbeitszeitflexibilisierung per Gesetz gegessen. Oder gar die Senkung der AK-Umlage. So wahr Rudolf Kaske helfe!
Eine ganze Partei außer Rand und Band
Ein außer Rand und Band geratener Arbeitnehmerflügel, der dem Parteiobmann vorwirft, außer Rand und Band zu sein, und dazu die Landesfürsten, die den ÖVP-Finanzminister in Sachen Finanzausgleich und den ÖVP-Vizekanzler in Sachen Mindestsicherung vor sich hertreiben. Das ist die ÖVP Ende 2016. Dass Mitterlehner den Streit um die Mindestsicherung dem SPÖ-Sozialminister umhängt, um nicht selber den Schwarzen Peter behalten zu müssen, das passt ins Bild. Wem – wenn nicht ihm als ÖVP-Bundesparteiobmann – soll es denn gelingen, zwischen der Position Wiens, den schwarz-blauen Zwängen Josef Pühringers und der Agenda Erwin Prölls zur vermitteln? Es gelingt nicht einmal dem ÖVP-Chef. Quod erat demonstrandum.
Der Chef ahnt, es geht sich nicht mehr aus
Reinhold Mitterlehner ist – wie viele ÖVP-Bundesparteiobmänner vor ihm – nicht zu beneiden. Er ist an einem Punkt angelangt, wo er weiß, dass sich das nicht mehr ausgehen wird. Aber er will es noch nicht wahr haben, reagiert gereizt auf Fragen nach Sebastian Kurz – die man ihm gern ersparen würde, aber leider nicht kann. Zu sehr kalkuliert die Partei mit dem Trumpf-Ass, zu offensichtlich bereitet sich Kurz auf höhere Weihen vor, zu fadenscheinig läuft diese innerparteiliche Debatte. Ob Kurz zum Retter der Volkspartei im bürgerlichen Spannungsfeld zwischen Irmgard Griss und NEOS aufsteigen kann, das weiß man nicht.
Und Khol serviert einen Wackelpudding
Es war Reinhold Mitterlehner, der indirekt Kurz ins Stammbuch geschrieben hat: Es sei ein Unterschied, flockig ein Ressort zu führen, wo nicht viel zu entscheiden ist – oder ein Regierungsteam und eine Partei zu koordinieren. The proof of the pudding is in the eating, den Spruch verwendet der gescheiterte ÖVP-Präsidentschaftskandidat Andreas Khol gern. Zuletzt hat sich Khol im Standard wieder einmal zu Wort gemeldet. Auch für ihn ist Sebastian Kurz das Trumpf-Ass der ÖVP. Und Reinhold Mitterlehner sei völlig unumstritten. Das schmeckt jetzt ein bisschen nach Wackelpudding.
Ein Gedanke zu „Zangerl & Hämmerle“
Khols Vorsätze sind wohl auch eine Tochter der Zeit… wollte er nicht nach der Präsidentschaftswahl nichts mehr in der Politik kommentieren?
Ich vermute die ÖVP wird es früher oder später zerbröseln wie die Democrazia Cristiana in Italien. Ich glaube es liegt ann der Struktur, weil die ÖVP immer vielen rechtmachen muss bzw. will. Sie ist beliebig geworden und nur starrköpfig bei verzopften Themen. 2002 gab es viele Leihstimmen der FPÖ, die mit Unwegen jetzt wieder zur FPÖ zurückgewandert sind. Immer mehr finden die ÖVP so verstaubt, dass das Neos gegründet wurde. Die FPÖ versucht jetzt mal den konservativen und rechten Teil für sich zu retten, den sie bisher noch nicht ergattert hatten. Die sind quasi gezwungen sich zwischen 2 übel zu entscheiden. Deswegen vermute ich, dass sich die FPÖ auch mit “Christlichkeit” schmückt.