Froschkonzert
Die Türkei schafft vor dem Referendum das Wort Nein ab – der Standard-Titel übertreibt, aber nur ein bisschen. Tatsächlich sollen – in Sorge um den Ausgang des Verfassungsreferendums – Nein-Slogans aus türkischen Wasserrechnungen und Antiraucher-Broschüren eliminiert worden sein, der staatliche Pay-TV-Sender Digitürk hat einen Film über den chilenischen Diktator Pinochet mit dem Titel No aus dem Angebot genommen. Der deutsche Journalist Deniz Yücel ist weiter in türkischer Haft, zwischen Berlin und Ankara herrscht ein Krieg der Worte. Und in Österreich, da läuft ein Wettkampf im Erdogan-Bashing. Ein Froschkonzert.
Mit 98,7 Prozent ist Heinz-Christian Strache vom FPÖ-Parteitag in Klagenfurt als Parteiobmann bestätigt worden. Am Vortag hatte der Bundesparteivorstand Strache auch noch schnell zum Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl gekürt, damit die ewigen Sticheleien in großen und kleineren Medien über Schattenobmann Norbert Hofer endlich ein Ende haben. Es war eine gute Woche für Strache, nachdem er zuvor schon prinzessinnengleich den hässlichen grünen Frosch Peter Pilz geküsst und die Neuauflage des Eurofighter-Untersuchungsausschusses mit ihm paktiert hatte. In der Erdogan-Frage sind der grüne Routinier und der blaue Langzeitobmann schon länger auf den Frosch gekommen.
Wenn Pilz und Strache auf einen Kebab gehen
Der türkische Wahlkampf muss von Österreich ferngehalten werden, sagt Strache. Erdogan sei hier nicht nur unerwünscht, sein politischer Auftritt gehöre untersagt. Auch Pilz findet, dass es keine Toleranz für Hetzreden von türkischen Politikern geben dürfe. Erdogan kann gern nach Wien kommen, um hier einen Kebab-Stand zu eröffnen, ätzte der Grüne, der zuletzt auch mit Recherchen über ein Spitzel-Netzwerk des türkischen Präsidenten in europäischen Metropolen für Aufsehen gesorgt hat. Recep Tayyip Erdogan ist ein hässlicher Frosch, den niemand küssen will. Und das ist gut so. Es ist richtig, was Bundeskanzler Christian Kern in einem Interview mit der Welt am Sonntag gesagt hat: Erdogans Regime trete Menschenrechte und demokratische Grundrechte mit Füßen, die Inhaftierung von Journalisten und Wissenschaftern sei schockierend.
Kern bessert auf ÖVP-Kritik ein wenig nach
Kern hat mit dem Interview aber auch in das Froschkonzert eingestimmt und ein EU-weites Verbot von Wahlkampfauftritten türkischer Politiker gefordert. Eine gemeinsame Vorgehensweise der EU, um solche Wahlkampfauftritte zu verhindern, wäre sinnvoll. Sagt der SPÖ-Chef, der nationalen Alleingängen in anderen Fragen sonst nicht so abgeneigt ist und der vor wenigen Tagen noch beschwichtigt und gemeint hatte, er werde sich mit der Frage dann auseinandersetzen, wenn es ein entsprechendes Begehren gibt. Die Replik der ÖVP ließ nicht lange auf sich warten: Das klingt fast wie eine Einladung, kritisierte Generalsekretär Werner Amon des Kanzlers Zurückhaltung als völlig unverständlich. Jetzt hat Kern zwar nachgelegt, aber das ist der Volkspartei auch wieder nicht recht.
Der Dirigent fürs Grobe nimmt das in die Hand
ÖVP-Obmann Vizekanzler Reinhold Mitterlehner auf seiner Facebook-Seite: Nur auf eine EU-weite Regelung zu warten, löst in diesem Fall das Problem nicht. Das halte ich für illusorisch. Daher prüft der Innenminister in meinem Auftrag bereits Möglichkeiten, wie man solche Auftritte verhindern kann. Wir müssen hier auf nationaler Ebene glaubwürdig vorgehen. Mitterlehner hat also an Kern vorbei den Hobby-Dirigenten Wolfgang Sobotka beauftragt, die Partitur für das Froschkonzert noch einmal zu überarbeiten. Den Ausgangspunkt haben die neuesten Regierungs-Misstöne ja bei Außenminister Sebastian Kurz, der sich als Erster zu möglichen Wahlkampfauftritten geäußert hatte. A New Kind of Statesman nennt ihn das Time Magazine, das Kurz aktuell in seine Galerie der Next Generation Leaders aufgenommen hat.
Lob für den Schließer der Westbalkanroute
Sein Ruf als Schließer der Westbalkanroute geht um die Welt. Während die deutsche Kanzlerin schon dankbar sein muss für Berichte, wonach sie die Grenze zu Österreich für Asylweber fast geschlossen hätte. Die Rechtspopulisten von der AfD haben denn in Deutschland auch weiter Zulauf, während sich deren Freunde von der FPÖ dagegen wehren müssen, bereits totgesagt zu werden. Original und Kopie. Schmied und Schmiedl. Darüber wird jetzt viel philosophiert und analysiert. Natürlich ist die FPÖ noch lange nicht tot, aber selten hat sie so viel Entschlossenheit der Regierung in ihrem angestammten Feld gespürt. Migrationspolitik mit Untertönen gegen den Islam, das ist kein Heimspiel mehr für die Blauen. Deshalb wird gleich nachgelegt.
Neue Vorlage vom Schmied für den Schmiedl
Norbert Hofer fordert in einer Aussendung jetzt auch noch das Aussetzen der Verleihung von Staatsbürgerschaften an Türken. Nebst Stopp von Beitrittsgesprächen und Vorbeitrittshilfen sowie der Kündigung des Assoziierungsabkommens, versteht sich. Alle Verbindungen kappen. Der Schmied macht dem Schmiedl wieder eine Vorlage. Aber man muss ja nicht immer das Schlimmste annehmen, wie Rosemarie Schwaiger in einem klugen Leitartikel im profil geschrieben hat. Wider die Empörung über und die Dauerkritik an der Regierung, nur weil die den Rechtspopulisten das Wasser abzugraben versuche. Wenn sie das auch noch ohne Froschkonzert zu Wege brächte, dann klappt das vielleicht auch mit dem Vertrauen.