Polski Beat
Die Europäische Union hat die Polen, die rot-schwarze Koalition hat ihren Wolfgang Sobotka. Auch er vom Familiennamen her polnischen Ursprungs und immer wieder für eine Überraschung gut. Stets vorne dabei, wenn es darum geht, der gemeinsamen Sache im Weg zu stehen. Während der Europäische Rat aber aus der polnischen Tuskiade einen Akt der Geschlossenheit zu machen verstand, spaltet der Innenminister mit seinen Robinsonaden die eben erst notdürftig geflickte Koalition. Der Name Sobótka leitet sich zwar von Sabath, also Samstag, ab. Doch der Niederösterreicher wird immer mehr zum Freitag der Innenpolitik.
Der Verlauf dieser Woche sagt alles aus über den Zustand der Koalition. Am Sonntag haben sich die Regierungsmitglieder in der Feuerhalle Simmering noch gemeinsam von Sabine Oberhauser verabschiedet. Dann hat der Bundeskanzler Pamela Rendi-Wagner als neue Gesundheitsministerin vorgestellt. Wobei man den Eindruck nicht los wurde, dass es Christian Kern dabei vor allem um die Präsentation eines neuen Role-Models für die sozialdemokratische Quereinsteigerin des Jahres 2017 und folgende gegangen sein könnte. Fesch, eloquent und kompetent. Das Medienecho für die Ministerin ohne Mittel und ihren Promotor Kern war denn auch überwältigend positiv.
Ein Role-Model & dann fallen alle aus der Rolle
Kompetenz wurde Rendi-Wagner auch vom argwöhnischen Koalitionspartner ÖVP bescheinigt. Aber dann war es mit der Harmonie vorbei. Zuerst das Integrationsgesetz: von Sebastian Kurz mit seinem Herzblut geschrieben, wurde es vom Verfassungsdienst des SPÖ-geführten Bundeskanzleramts grausam zerpflückt. Und die roten Bastionen Arbeiterkammer und ÖGB machen Kurz das Verschleierungsverbot madig. Es gibt kein öffentliches Interesse, welches gebieten könnte, jemandem bestimmte Kleidung vorzuschreiben oder zu verbieten. Im Gegenteil sehen wir hierin einen tiefgreifenden Eingriff in persönliche Freiheiten, so die Gewerkschaft in ihrer Stellungnahme.
Herumdoktern bei Schule und Integration
Das Integrationsgesetz war die erste Initiative aus dem im Jänner abgeschlossenen neuen Koalitionspakt, die auf den Weg gebracht worden ist. Und schon wieder holpert es. So wie beim Autonomiepaket für die Schulen, an dem die SPÖ-Bildungsministerin seit ihrem Amtsantritt vor schon bald einem Jahr herumdoktert. So wie auch in der Sicherheitspolitik, wo sich SPÖ und ÖVP gegenseitig ein immer absurderes Match liefern, das sogar die FPÖ – die auf dem Feld propagandistisch zu Hause ist – zunehmend ratlos erscheinen lässt. Beim zuerst gemeinsam präsentierten verschärften Fremdenrecht warf Innenminister Sobotka der SPÖ später falsches Spiel vor.
Der Musiklehrer sorgt für schrille Töne
Dann kam der ÖVP-Hardliner mit Ideen zum Demonstrationsrecht, die zu einer klaren Einschränkung der Versammlungsfreiheit geführt hätten. Das war auch den Hardlinern in der SPÖ und selbst ÖVP-Parteiobmann Reinhold Mitterlehner zu viel, der sich aber sonst auffallend ruhig verhält. Und jetzt legte Sobotka nicht nur einen Vorschlag für ein Auftrittsverbot für ausländische Politiker zur Wahlkampfzwecken vor, sondern erneut auch die schon einmal abgelehnten Einschränkungen der Versammlungsfreiheit. Die SPÖ tobt im wahrsten Sinne des Wortes. Regierungskoordinator Thomas Drozda zeigte sich schwer verärgert, Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler spielte auf den Zivilberuf des Innenministers an: Der Musiklehrer sorge für schrille Töne und Missklang im Koalitionskonzert. Und die ÖVP schießt natürlich zurück.
ÖVP schießt zurück & Mitterlehner schaut zu
Nichts Polnisches ist uns fremd. Dabei wäre spätestens jetzt der Vizekanzler gefordert, dem Musiklehrer zu zeigen, wo die Musik spielt. Und welche. Dass er mit seinem Polski Beat keinen Applaus bekommen wird. Doch nichts dergleichen geschieht. Mitterlehner macht gediegene Sachpolitik, fliegt zum Gipfel der Europäischen Volkspartei nach Brüssel und schaut dem Treiben in Wien zu. Das sein Generalsekretär Werner Amon noch dazu einer mangelnden Leadership des Kanzlers und dessen Zickzack-Kurs in der Frage türkischer Propaganda auf österreichischem Boden zuschreibt. Das Märchen vom Neustart hat gerade einmal einen Monat gehalten.
Die Wahltaktik als einziger Kitt für die Koalition
Der neue Pragmatismus, den die Regierung in Fragen der europäischen Solidarität und in der Sicherheitspolitik an den Tag legt, der wäre auch in der Existenzfrage schon längst angebracht. How low can you go? Die Antworten darauf geben sie dieser Tage in Wahrheit selbst. Und es ist ärgerlich zu wissen, dass es ausschließlich taktische und technische Überlegungen sind, die dieses Paar noch zusammenhalten.
4 Gedanken zu „Polski Beat“
Ich lese diese Kommentare regelmäßig und interessiert, aber, sorry, jetzt möchte ich mal etwas anmerken: Ich hab das Gefühl, dass es immer mehr in Richtung eines banalen Koalitions-Bashing ausartet und die intellektuelle Substanz darunter leidet. Außer der immer wiederholten Message, dass sich die Partner gegenseitig blockieren, so gut (schlecht) es geht und die Regierung schon längst “weg” gehört kann ich nicht mehr viel herauslesen. Mag sein, dass bei Blau-Schwarz weniger “Fetzen” fliegen werden, weil die ideologischen Gegensätze gering sind, aber ist es das, was ich aus diesen Kommentaren ableiten soll?
Habe an Kappachers Kommentar nichts auszusetzen und denke, die Sache verhält sich viel banaler. Man hat Mitterlehner ein paar Kuckuckseier ins Nest gelegt und sowohl seine Motivation als auch seine Macht sind ziemlich am Boden. Entsprechend tanzen die Mäuse in der ÖVP auf den Tischen und angesichts der dramatischen Umfragewerte und dessen, dass Kern gerade ein paar gute Züge gemacht hat, sind die Schwarzen in Vollpanik. Denke, man wandelt langsam auf den Spuren der Democrazia Cristiana.
Schade, dass Sie es als Bashing empfinden. So lege ich die Analysen nie an. Aber momentan kann ich leider nicht mit einer anderen Bestandsaufnahme dienen. Danke jedenfalls fürs regelmäßige Lesen.
Wir leben im zeitalter des empörialismus und des aufmerksamkeitsdefizits. Sind wir doch froh, wenn kluge menschen mehr als nur schlagzeilen produzieren und zusammenhänge und muster aufzeigen. Weiter so; vielleicht geht es aber nicht nur um kritisches aufzeigen sondern um bewusst machen. leider scheint immer mehr taktik und immer weniger strategie unsere politik zu beherrschen. Deswegen gerät jede kritische beschreibung schnell zum bashing.