Wenn schon Hegemonie von rechts, dann ordentlich. Während sich ÖVP und FPÖ anschicken, eine schwarz-blaue Koalition nachhaltigen Zuschnitts zu zimmern, wird in Wien eine der wenigen verbliebenen Bastionen der Grünen sturmreif geschossen. Via Christoph Chorherr, der eine große Nummer in der Wiener Stadtplanung ist & ein Vertrauter der zuständigen Vizebürgermeisterin und Grünen-Chefin Maria Vassilakou. Chorherr hat sich seit vielen Jahren für ein spendenfinanziertes Schulprojekt in Südafrika eingesetzt. Von wem die Spenden gekommen sind, hat er nicht so genau wissen wollen. Das fällt ihm jetzt politisch auf den Kopf. Symbolhaft für diese Wendezeit, die viele ratlos macht.
Großspender aus der Immobilienbranche wie René Benko und die Signa, die mit der Stadt Wien Projekte umsetzt, Querverbindungen zum Hochhaus-Projekt am Heumarkt, das die Grünen in Wien gegen eine knappe Mehrheit der eigenen Basis mittragen. Und schon steht die Redlichkeit eines bis heute über jeden Zweifel erhabenen Politikers in Frage. Christoph Chorherr ist in Erklärungsnot, seit der Kurier Spendenbestätigungen zugespielt bekommen und diese veröffentlicht hat. Die Rolle, die Heumarkt-Gegner mit und ohne Liste-Pilz-Hintergrund dabei spielen, was von ihrer Skandalisierung und ihren Korruptionsvorwürfen ohne Belege zu halten ist, hat Ulrike Weiser in der Tageszeitung Die Presse sehr treffend beschrieben. Es ändert nichts am nächsten grünen GAU, auch wenn es den falschen Politiker und das falsche Spendenprojekt trifft.
Chorherr, die Grünen & das Auseinandergehen
Politik ist ein hartes Geschäft. Für die grüne Bundespartei war Rausfliegen aus dem Nationalrat keine Option, doch dann ist es passiert. Für SPÖ-Chef Christian Kern war der Verlust der Kanzlerschaft nach nur eineinhalb Jahren auch keine Option, jetzt steht ihm das bevor. Verbal hat sich die Sozialdemokratie auf diese Rolle schon eingestellt, aber innerlich scheint sich im Team rund um Kern noch alles gegen die Opposition zu sträuben. Man will nicht polternd, sondern staatsmännisch auftreten, ist da zu lesen. Christian Kern werde als Person die Antithese zum neuen Bundeskanzler Sebastian Kurz sein, werden hohe Parteikreise zitiert. Wenn schon Opposition, dann wenigstens als Kanzler der Herzen, mögen sie sich denken. Auseinandergehen tut weh.

So kritisch hat das Nachrichtenmagazin profil im Februar 2000 über das Kabinett Schüssel I getitelt. Heute versucht der Chefredakteur, sich das schwarz-blaue Nachfolgemodell schönzureden: „Petrol ist nicht Schwarz-Blau“, meint Christian Rainer.
Christian Rainer: Ein Neonazi ist kein Nazi
Dabei hätte profil-Chefredakteur Christian Rainer zum Zusammenbleiben geraten. Wenn die FPÖ jenes Übel sei, als das sie von der SPÖ dargestellt werde, dann sollte sich die Sozialdemokratie für Österreich opfern, sie sollte jedwede Bedingungen der Volkspartei akzeptieren und mitregieren, schreibt Rainer. Und er schreibt gleich dazu, dass das unrealistisch und blauäugig sei. Auf der ausgebliebenen bedingungslosen Kapitulation ist dann die ganze Argumentation aufgebaut: Sebastian Kurz habe anders als Wolfgang Schüssel vor siebzehn Jahren keine Wahl gehabt, Schwarz-Blau heute sei nicht das Schwarz-Blau von 2000, die FPÖ von heute sei nicht die FPÖ von damals, Heinz-Christian Strache sei nicht Jörg Haider. Ein Neonazi ist kein Nazi. Spätestens hier reißt es einen. Ein missglückter Relativierungsversuch.
Es reicht, wenn sich Kurz die FPÖ schönredet
In einem kritischen Gastkommentar im Standard findet sich der Punkt: Wenn zwei sehr weit rechts stehende Parteien miteinander die Mehrheit haben und gewillt sind, diese auch einzusetzen, dann werden sie es tun, und niemand kann und darf sie in einer Demokratie daran hindern. Man muss die FPÖ nicht schönreden, es reicht, dass Sebastian Kurz das für sich getan hat und in den kommenden Tagen noch oft auch laut tun wird. Wissend, dass die FPÖ heute ideologisch viel klarer ausgerichtet ist, als sie das unter Haider war. Dass die Burschenschafter so eine Dominanz haben, dass Kritik an der Aula – dem als rechtsextrem eingestuften Zentralorgan der Burschenschafter – einfach ignoriert wird. Wissend auch, dass offene antisemitische Anspielungen des Ex-Abgeordneten Johannes Hübner, der bis vor kurzem als ministrabel gegolten hat, von der FPÖ-Führung bis heute als ein Missverständnis abgetan werden.
Die neue Tonalität des Bundespräsidenten
Berichte über FPÖ-Verhandlerin Anneliese Kitzmüller und ihr rechtes Netzwerk dringen ebensowenig durch wie Auszüge aus einer Rede von FPÖ-Verhandler Axel Kassegger vor Burschenschaftern 2015. Darin stellt er die Interessen der Gruppe über die Freiheit des Individuums und propagiert Ehre, Freiheit, Vaterland als Geisteshaltung – der Wahlspruch der Deutschen Burschenschaft. Der schwarz-blaue Zug fährt, und er wird die Veränderungen bringen, die Kurz und Strache meinen. Jede Kritik daran kann als Veränderungsunwilligkeit abgetan werden, und wenn es sein muss, können sich ÖVP und FPÖ sogar auf den Bundespräsidenten berufen: Das Resultat dieser Wahl zeigt einen Willen zur Veränderung, hat Alexander Van der Bellen in seiner Rede zum Nationalfeiertag gesagt. Und gleichzeitig hat er das Fundament definiert.
Schwarz-Blau in Oberösterreich hüpft es vor
Van der Bellens Stunde der Bewährung kommt möglicherweise noch. Mit seinem unaufgeregten Zugang zu dieser Regierungsform, die wohl kaum seiner Traumvariante entspricht, hat der Bundespräsident jedenfalls die Tonalität vorgegeben. Wissend, dass eine rechte Regierung keine linke Politik machen wird. Schwarz-Blau in Oberösterreich, wo mit Thomas Stelzer und Manfred Haimbuchner zwei Kaliber von ÖVP und FPÖ am Ruder sind, zeigt es vor. Schuldenbremse, Ausgabenkürzung quer durch die Ressorts, Kostenbeiträge für bisherige Gratisleistungen wie den Kindergarten. Auf Bundesebene tun sich weitere Spannungsfelder auf: zum Beispiel wie sich Schwarz und Blau das mit der plebiszitären Demokratie vorstellen. Und wie sie am Ende die riesigen Erwartungen erfüllen wollen, die sie im Wahlkampf in Sachen Migration geweckt haben.