Durchschummler
Die von Schwarz-Blau geplante System-Umstellung beim Arbeitslosengeld zeigt, dass auch diese Musterkoalition nicht immer so slim-fit daherkommen wird, wie Sebastian Kurz und Gernot Blümel das gerne möchten. Die FPÖ muss nämlich ihre Klientel bedienen, und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein zeigte hier Steherqualitäten, auch um den Preis, dass sie jetzt in den Medien bereits als entmachtet gilt. Die Ministerin vertritt in der Frage des Zugriffs auf das Vermögen von Langzeitarbeitslosen, wenn dann einmal der schärfere Wind weht, eine etwas andere Meinung als die Koalitionschefs. Denn die versprechen volle Härte gegen Durchschummler. Und fast könnte man meinen, sie üben Selbstkritik.
Hartz IV, das Synonym für das System der Arbeitslosenunterstützung bei unseren deutschen Nachbarn (unter dem sozialdemokratischen Kanzler Gerhard Schröder eingeführt), hat einen ganz schlechten Ruf. Unsere Bundesregierung bemüht sich daher nach Kräften, nicht in dieses Fahrwasser zu kommen. Es gelingt leider nicht. Denn Faktum ist: Die Notstandshilfe im Anschluss an den Arbeitslosengeld-Bezug soll abgeschafft, das Arbeitslosengeld länger als bisher und gestaffelt, aber jedenfalls nur befristet ausbezahlt werden. Dann die Mindestsicherung. Hartinger-Klein hat zunächst versucht, sich durchzuschummeln, indem sie immerwährendes Arbeitslosengeld versprochen hat. Dann fuhr ihr der Kanzler in die Parade.
Der Kanzler hat natürlich recht
Die Sozialministerin daraufhin: Der Kanzler hat natürlich recht. Das Arbeitslosengeld werde nicht ewig laufen, aber in der Mindestsicherung werde nicht auf das Vermögen zugegriffen. Wieder beim Schummeln erwischt. Es könne schon vorkommen, dass das Vermögen einkassiert wird, wenn sich jemand im System durchschummeln wolle, sagten Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache nach dem Ministerrat unisono und bestimmt. Um die Frage, wie die Durchschummler definiert und ausfindig gemacht werden sollen, haben sie sich dann selber herumgeschummelt – wie um die Frage, wie man den rebellierenden Ländern dieses Modell Mindestsicherung statt Notstandshilfe schmackhaft machen will. Das ja zu Lasten der Länder geht.
SPÖ beklagt Schieflage, die schon da war
Schummler allerorten. Die SPÖ beklagt sich, dass der neue Familienabsetzbetrag von 1500 Euro jährlich pro Kind nur Menschen zugute komme, die ordentlich Steuern zahlen, und dass keine Negativsteuer für jene vorgesehen sei, die keine Steuern zahlen. Dabei haben die Sozialdemokraten mit der ÖVP im Jahr 2009 den Steuer-Freibetrag von 2300 Euro pro Kind für Betreuungskosten eingeführt, der letztlich eine ähnlich hohe Entlastung gebracht hat, wenn man den Rahmen ausschöpfen und dazu entsprechende Belege erbringen konnte. Und natürlich auch nur für Eltern, die Steuern zahlen. Diese alte Regelung plus Kinderfreibetrag hat 300 Millionen Euro gekostet, die neue kostet fünfmal soviel. Also eine fünfmal so hohe Entlastung. Die Klage über die angebliche Schieflage der Maßnahme will dennoch nicht enden.
Lögers Angst vor der eigenen Courage
Interessant ist in dem Zusammenhang, wie Finanzminister Hartwig Löger von der Volkspartei auf diese anhaltende Klage in puncto Fairness reagiert. Anstatt bei der klaren Ansage zu bleiben, dass man eben vor allem Steuerzahler mit Kindern entlasten will, weil man das aus Überzeugung so und nicht anders machen wolle, schummelte sich Löger zum Beispiel bei Corinna Milborn auf puls4 mit diesem Geschwurbel durch: Wenn der Ansatz ist, über die Entlastung die Möglichkeit zu geben, wieder Freiraum zu schaffen, dann gehen wir davon aus, dass auch im Sinne des Leistungsbezuges es gelingen soll, hier eine gesamtheitlich gute Lösung zu geben. Ein Satz, der fast nicht zu transskribieren ist. Und der zugleich auch verschwurbelt, dass die Regierung offenbar eine deutliche Erhöhung des Alleinerzieherinnen-Absetzbetrags machen will, der auch bei null Steuerleistung wirkt – weil er einfach direkt ausbezahlt wird.
Die Milliarde unter der Matratze
Ganz großes Kino ist auch, wenn der Finanzminister erklärt, wie er in den Ministerien auf eine überzählige Milliarde gestoßen ist, die er jetzt – gespart wird im System! – für das Doppelbudget 2018/19 heben will. Und warum sein Vorgänger Hansjörg Schelling diese Milliarde nicht entdeckt hat: Schelling habe nicht diese Detailsicht gehabt, die ihm als Versicherungsmann eigen sei, so der frühere UNIQA-Chef Löger. Und dann weiter: Wir haben uns die Ressortbudgets der vergangenen drei Jahre angeschaut und einen Nichtverbrauch entdeckt, der fortgeschrieben wird. Klingt nach einem richtig großen Wurf. Als hätte jemand unter einer alten Matratze einen längst vergessenen Sparstrumpf entdeckt, der jetzt zum Wohle der Steuerzahler geleert werden kann.
Nachhaltiges Reform-Geschwurbel
Reformminister Josef Moser hat in einem ZIB2-Interview zum Thema Kassenfusion den schönen Satz gesagt: Es wird in Richtung gehen, dass die Gespräche jetzt in Richtung der Reduktion auf die fünf Krankenkassen eben geführt werden. Die Schritte sind am Weg. Und Tourismus- und Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger hat uns ebenfalls in der ZIB2 mit dem Bekenntnis erfreut: Vor allem (weil) viele Touristen zu uns kommen, weiß man, dass in Österreich Umweltschutz ein Herzensanliegen ist. Und, dass wir natürlich auch sehr viel noch zu tun haben. Und dass das vor allem, wenn wir in Rankings zurückfallen, für uns nichts ist, auf das wir uns ausruhen und sagen: Na, es ist eigentlich eh egal. Diese Regierung wird uns noch mit viel Tatkraft und Zielstrebigkeit überraschen. Momentan schummelt man sich halt noch ein bisschen durch.
6 Gedanken zu „Durchschummler“
wie schon im jahr 2000 ist das herausragendste merkmal von schwarz/blau nicht die rechtslastigkeit (die natürlich alles überschattet), sondern die kaum vorstellbare inkompetenz.
Wirkte sich nicht auch die Steuerreform von 2016 am meisten bei mittleren und höheren Einkommen aus?
Das ist in einem progressiven Steuersystem auch fast nicht anders möglich. Allerdings wurde die Belastung auch für sehr niedrige Einkommen deutlich gesenkt und das stand auch von Anfang an im Fokus.
Das Beunruhigende ist: Man weiß nicht, ob es Dreistigkeit ist, die die Leute zum, wie’s hier so nett heißt, Schummeln treibt oder Inkompetenz. Oder beides. Am abenteuerlichsten ist natürlich das Geschwurbel um Hartz IV. Die Botschaft lautet im Wesentlichen: Wir machen (zu 99 Prozent) das Gleiche wie die Deutschen bei Hartz IV, es ist aber nicht Hartz IV. Als ob sie eine Schrödingersche Katze beschreiben würden.
Transkriptionen von Politikeraussagen zeigen nicht nur die rhetorische Inkompetenz ….
Der FM erklärt auf eine außertourliche Milliarde gestoßen zu sein. Erinnert an das 1. NULL-Defizit, das KHG 2001 großartig angekündigt hatte, das sich aber dann als Luftblase erwies!