Kurzschluss
Man glaubt das alles nicht. Während zwischen Wien und Wiener Neustadt aus Nazi-Liederbüchern zitiert wird und Nazi-Liederbücher auf Anordnung der Justiz von der Kickl-Polizei beschlagnahmt werden, vollbringt die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl bei ihrem Besuch in Ankara ein kleines Wunder. Das österreichische Archäologenteam darf die Ausgrabungsarbeiten in Ephesos fortsetzen. Die türkische Regierung hatte dieses Projekt gestoppt, weil die SPÖ-ÖVP-Regierung den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert hatte. Die FPÖ war in dem Punkt immer die Scharfmacherin. Jetzt macht es ausgerechnet eine blaue Ministerin wieder gut.
Sonst machen die Blauen gerade gar nichts gut. Fünf Tage vor der Landtagswahl in Niederösterreich hat die Wiener Stadtzeitung Falter aufgedeckt, dass der freiheitliche Spitzenkandidat Udo Landbauer Vizevorsitzender einer Burschenschaft ist, die Nazi-Liedgut auf der Bude herumliegen hat. Durch Herausreißen von Seiten und Schwärzen von Textstellen in Liederbüchern behelfsmäßig entschärft, war die Sache alles andere als erledigt. Das zeigen auch die widersprüchlichen Rechtfertigungen nach Auffliegen dieser Ungeheuerlichkeit, die den Bundespräsidenten zu Formulierungen greifen ließ, die in dieser Deutlichkeit vor dem Hintergrund des so nahen Wahltermins einmalig sind. Selbst der Innenpolitikchef der Kronenzeitung verneigte sich davor.
https://twitter.com/Claus_Pandi/status/956437027079192577
Dass der Boulevard inklusive Kronenzeitung sich dann wieder sehr gern mit der Geschichte von den Wanzen im Büro des Vizekanzlers (die laut Polizei allerdings dem Vornutzer dieses Büros, Kanzleramtsminister Thomas Drozda von der SPÖ, gegolten haben dürften) ablenken ließ, das steht auf einem anderen Blatt.
Das Krisen-Wording geht am Kern vorbei
So gut der Bundespräsident reagiert hat, so gelinde ausgedrückt schleißig haben die Vertreter der Bundesregierung reagiert. Alle fanden zwar die Nazi-Lieder in dem Buch aus Landbauers Verbindung widerlich oder widerwärtig, so war das Wording, das man dazu vereinbart hat. Und die volle Härte des Verbotsgesetzes, die sollten sie auch noch spüren, die Verantwortlichen. Doch die Verantwortlichen blieben ungenannt. Gerade so, als würde sich das alles nicht in der hohen Politik abspielen und weit über unsere Grenzen hinaus Wellen schlagen. Als handle es sich da um eine Wirtshausrauferei, und man müsste nur herausfinden, wer mit dem Stänkern angefangen hat.
Heldin von Ephesos versagt im Heimspiel
Die Heldin von Ephesos war zuvor in Wien alles andere als eine Heldin. Auf die Frage, welche Konsequenzen sie für den Freiheitlichen Udo Landbauer fordere, sagte Karin Kneissl nach dem Ministerrat: Ich kann gar nichts fordern. Sie sei doch nur von der FPÖ nominiert, aber parteifrei. Und deshalb äußere sie sich auch nicht zur Parteipolitik. Auf den Vorhalt, dass sie als parteifreie Außenministerin geradezu prädestiniert sei, sich zu äußern und sich für das Andenken der Opfer des Holocaust und auch für das Ansehen Österreichs in der Welt einzusetzen, ist Kneissl nichts mehr eingefallen.
"Burschenschaften haben nichts mit der FPÖ zu tun", meinte Strache. Im aktuellen Profil sagte #Strache noch das Gegenteil. Darum mag ich Krisen-Kommunikation so. In der Hektik wirds zur Intelligenzfrage. @profilonline pic.twitter.com/ENNMByLHvt
— Christina Aumayr (@ChristinaAumayr) January 25, 2018
Strache & die Burschenschaften-Weglegung
Der FPÖ-Chef und Vizekanzler hat sich nicht nur in Widersprüche bezüglich der Bedeutung der Burschenschaften für seine Partei verwickelt. Strache hat auch gemeint, die Angelegenheit Niederösterreich sei zwar widerlich, aber Landbauer habe die rote Linie nicht überschritten. Strache hält es für plausibel, dass Landbauer nur ein Liederbuch mit herausgerissenen oder geschwärzten Seiten gekannt habe. Und das reicht dem FPÖ-Chef auch als Rechtfertigung. Straches Eiertanz ist umso pikanter, als jetzt über das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel bekannt geworden ist, dass ausgerechnet die Germania zu Wiener Neustadt ihm im Juni 2017 das Ehrenband verliehen hat. Die FPÖ dementiert.
Einfach Volkslieder, die nie gesungen werden
Landbauer selbst hat in bemerkenswerten Interviews im Ö1-Mittagsjournal und dann in der ZIB2 auch allerhand gesagt – unter anderem dass er sich ja auch nicht wundere, wenn aus einer Zeitung eine Seite herausgerissen wurde. Und es wurde offensichtlich, dass einer, der nach eigenen Angaben nie viel gesungen hat, durchaus gegensätzliche Expertisen zu rassistischen und Nazi-Liedern abgibt, wenn es sein muss:
Zur Kenntnisnahme. pic.twitter.com/uUmiB5DpSh
— Dokumentationsarchiv (@doew_at) January 25, 2018
Das Dokumentationsarchiv DÖW sei für ihn nicht der Maßstab, was man singen und sagen darf oder was rechtsextrem ist, hat Landbauer gesagt. Und man muss in Tagen wie diesen schon dankbar dafür sein, dass wir einen Nationalratspräsidenten haben, der da klar widerspricht. Der studierte Historiker Wolfgang Sobotka von der ÖVP im Ö1-Morgenjournal über die Rolle des DÖW: Ich sehe die Arbeit des Dokumentationsarchivs als ganz enorm wichtig, um ein klares Bild der österreichischen Geschichte in diesen Zeiten zu haben. Der FPÖ-Klubobmann im Nationalrat, Johann Gudenus, hingegen hat sich reflexartig dem Bashing angeschlossen und von einem durchsichtigen Manöver der linksextremen Stadtzeitung Falter knapp vor der Landtagswahl gesprochen.
Und Kickl baut in Sofia einen Böhmdorfer
Der FPÖ-Innenminister wiederum meldete sich von einem Treffen mit den EU-Kollegen in Sofia zu Wort und sagt in Bezug auf Udo Landbauer: Ich halte es ehrlich gesagt für ziemlich ausgeschlossen, dass es Ermittlungen gegen ihn gibt. Damit erinnerte Herbert Kickl an den früheren Justizminister Dieter Böhmdorfer, der dem damaligen FPÖ-Chef Jörg Haider im Zusammenhang mit einer Spitzelaffäre bescheinigte, über jeden Verdacht erhaben zu sein. Böhmdorfer fühlt sich bis heute missverstanden, er habe doch nur ausdrücken wollen, dass kein Ermittlungsverfahren gegen Haider anhängig war. Kickl hat seinen Böhmdorfer gelernt und ist mittlerweile zurückgerudert: Die Aussagen bezogen sich darauf, dass nach meinem Wissensstand aktuell gegen unbekannte Täter ermittelt wird und nicht gegen Landbauer, so Kickl. Ein Déjà-vu.
Historikerkommission soll Schaden begrenzen
Am Abend taucht dann ein Foto von der Website einer anderen Burschenschaft auf, Germania zu Wien. Wo man im Fasching als Ku-Klux-Klan geht. Viel Arbeit für die Historikerkommission, die die FPÖ jetzt zur Schadensbegrenzung angekündigt hat.
Zwei ehrenwerte Tweets des Bundeskanzlers
Und über diesem Trümmerfeld einer innenpolitischen Woche schwebt der junge Bundeskanzler Sebastian Kurz. Zwei ehrenwerte Tweets hat er bisher zu der Sache abgesetzt, das eine oder andere inhaltlich nicht weitergehende Statement kommt dazu. Aber allen unangenehmen Fragen zu den politischen Konsequenzen aus dem Fall Landbauer hat sich Kurz bisher verweigert, beim Ministerrat drückte sich der Kanzler mit der Ausrede, das Olympia-Team visavis beim Bundespräsidenten verabschieden zu müssen. Sportminister Heinz-Christian Strache war da auch dabei, und der hat sehr wohl Zeit gefunden, zur Angelegenheit Niederösterreich Stellung zu nehmen.
Die Burschenschafter haben auch Kurz gekapert
Eine kleine, großteils ultrarechte Clique hat die FPÖ gekapert. Bundeskanzler Sebastian Kurz wird noch viel Freude mit seinem Koalitionspartner FPÖ haben, schreibt Hans Rauscher im Standard. Die Burschenschafter sind nicht ein Problem der FPÖ, sie sind die FPÖ. Sie schupfen die Ministerbüros, sie sind Funktionäre in Bund und Ländern, sie sind Mitarbeiter von Abgeordneten, und sie sind selbst Abgeordnete. Fünf Wochen nach dem Antritt dieser schwarz-blauen Bundesregierung hat es den ersten Kurzschluss gegeben. Doch Kurz kann nicht Schluss machen. Die Geister, die er gerufen hat, wird er nicht mehr so schnell los. Schweige er, wie er wolle.
Update: Laut Dachverband Österreichischer Pennälerring (ÖPR) hat Strache nicht das Ehrenband der Germania, sondern jenes des ÖPR erhalten. Die Verleihung fand wie berichtet im Umfeld der 100-Jahr-Feier der Germania im Sparkassensaal in Wiener Neustadt statt.
Update 30.01.2018: Der ÖPR hat die Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt ausgeschlossen und seine Satzung um eine Präambel erweitert, die ein Bekenntnis zur demokratischen Republik Österreich und eine Absage an jede Form von Antisemitismus und Rassismus enthält. Die niederösterreichische SPÖ hat jenen Wiener Neustädter Funktionär ausgeschlossen, der für die Illustration des Nazi-Liederbuches verantwortlich sein und ein verwandtschaftliches Naheverhältnis zu führenden Mitgliedern der Germania haben soll. Hier der Bericht im Standard.
2 Gedanken zu „Kurzschluss“
Kopfschütteln? Aufschreien? Hoffen, dass alles doch nicht so schlimm wird?
Der Schock sitzt jedenfalls tief und wir haben zu konstatieren:
Anders als im Jahr 2000, als HJ nur wenig intellektuell begabtes Personal fand (von wenigen Ausnahmen abgesehen), agieren heute in der FPÖ ideologisch gefestigte Recken aus dem akademischen Milieu machtvoll im Hintergrund.
Jahrzehntelang wurden diese Burschenschaftler an Unis belächelt. Exoten, die sich im Suff ihre Gesichter zerschneiden, grölend Biergläser auf Budentische knallen und tränengerührt deutsche Lande besingen.
Niemand vermochte sich vorzustellen, dass aus diesen alkoholgeschwängerten Mininetzwerken scheinbar verschrobener Gesellen jemals gefährliche Netze entstehen würden, in denen eine Regierung, ja sogar ein ganzes Land zappeln könnte.
Nun scheint die Gefahr real.
Kurz (und auch Strache?) sind aufgefordert, diesem Treiben schnellstens Einhalt zu gebieten. Solange sie noch können.
Burschenschafter- Akademikerball :
Der Schwerpunkt der Tematik zum Burschenschafter- Akademikerball liegt auf der Bedeutung: warum eine derartige Veranstltung aus Sicherheitsgründen
nicht von der Regierung aus der Hofburg herausgeholt wird.
Der Ball könnte auf Grund der jährlichen Gefahrensereignissen längst in ein anderes Gebäude (Palais) verwiesen sein.
Wer Zahlt die Kosten für einen derartigen Einsatz der Polizei ?
Das Innenministerium hätte hier aus Gründen der Sicherheit, und zur Vermeidung eines dafür nötigen, und kostenaufwendigen
Polizeieinsatzes, diese provokannte Ballveranstaltung in der Hofburg untersagen müssen.
Wenn der Betreiber meint trotzdem den Ball in der Hofburg abzuhalten, dann
muß Er auch die Kosten des entstehenden Aufwandes in Kauf nehmen.