Bingo mit Karin K.
Für Norbert Hofer ist das, was etwa die Washington Post und der Ex-Chef des deutschen Bundesnachrichtendienstes als Vertrauensverlust bezeichnen, das Gegenteil: Mit der Hausdurchsuchung im BVT habe FPÖ-Innenminister Herbert Kickl begonnen, Vertrauen aufzubauen. Also Vertrauen zerstören, um Vertrauen aufzubauen? Hofer auf diese Journalistenfrage so: Ich weiß nicht, was Sie heute in der Früh getrunken haben, ob der Kaffee zu stark war. Wenn die Nummer zwei der FPÖ nach dem Ministerrat 1:1 auf Kampf-Rhetorik aus dem legendären ATV-Duell um die Hofburg zurückgreift, könnte an den Vorwürfen was dran sein.
Möglicherweise war es ja auch die Bild-Zeitung, die der frühere BND-Chef August Hanning als Plattform für die Breitseite gegen Österreichs Verfassungsschutz genutzt hat, was Hofer nervös gemacht hat. Bild hat zwar auch schon bessere Zeiten erlebt, aber das ist doch immer noch mächtiger Boulevard. Und dessen Wirkung weiß die FPÖ in Österreich von Tag zu Tag zu schätzen. Die Message Control hat beim Sommer-Ministerrat aber dennoch ganz gut funktioniert, als es um Fragen nach der internationalen Reputation Österreichs in diesem und in anderem Zusammenhang – Stichwort Putin – gegangen ist. Das Gegenteil ist wahr. Alle finden uns super.
Der Verfassungsschutz im Zwielicht
Hanning stelle da als Privatperson etwas in den Raum, so Vizekanzler und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Quasi ein abgehalfterter BND-Chef, was natürlich stimmt, aber den Vorwürfen ja nichts von ihrer Brisanz nimmt. Bundeskanzler ÖVP-Obmann Sebastian Kurz wiederum hat sinngemäß gesagt, das es weder seitens der deutschen Regierung, noch vom BVT eine Bestätigung für die Aussage Hannings gebe, wonach die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten erschwert sei. Und solange das so sei, gebe es für ihn auch kein Problem, so Kurz. Dass BVT-Chef Peter Gridling sagt, man habe immer wieder Fragen anderer Dienste zu beantworten und versichere stets, als BVT sorgsam mit Informationen umzugehen, zählt da nicht.
Die Republik in Putins Zangengriff
Ähnlich auch die Linie in Sachen Wladimir Putin, der zur Hochzeit von Karin Kneissl gekommen ist und damit europaweit für Aufsehen gesorgt hat – nicht zuletzt dank der extensiven Verbreitung von Bewegtbildern von der Arbeitshochzeit in den steirischen Weinbergen über die russische Propaganda-Maschinerie. Bei einem Besuch in Helsinki hat Putin seine streng private Reise, die als Arbeitsbesuch hohe Sicherheitsausgaben auf Steuerzahlerkosten verursacht hat, verteidigt: Österreich spiele eine sehr positive Rolle bei der Herstellung eines Dialogs zwischen Russland und der EU, so der Kreml-Chef. Und sei es durch einen Kniefall vor ihm durch die Außenministerin des aktuellen Vorsitzlandes jener Union, die mit Russland eine erhebliche Rechnung offen hat.
Der Kniefall kein Fall für den Knigge
Für Strache war der Kniefall von Karin Kneissl, der viele entsetzt hat, sogar positiv: Tanz- oder auch Hochzeitsdiplomatie vom Feinsten nannte es der FPÖ-Obmann – wer darin eine Unterwerfungsgeste sehe, der möge doch bitte den Knigge lesen, empfiehlt Strache. Im Knigge findet man zum Knicks nicht sehr viel, dafür im Dritten Buch Über den Umgang mit den Großen der Erde, mit Fürsten, Vornehmen und Reichen das hier: Man soll sich den Vornehmen und Reichen auf keine Weise aufdrängen. Im Elmayer wiederum steht etwas über den Knicks, aber auch das ist nicht allzu ermutigend: Eine komplizierte Sache, die man sicherheitshalber, so man sie benötigt, üben sollte.
Der Kanzler von Kneissl getrieben
Dem Kanzler geriet der Knicks dann auch mehr zu Verrenkung, als er nach dem Ministerrat dazu gefragt wurde. Er habe die negativen internationalen Reaktionen selbstverständlich verfolgt, so Kurz, aber die außenpolitische Position Österreichs habe sich durch die Hochzeit nicht geändert. Indirekt hat der Kanzler dann zugeben müssen, dass er von der Teilnahme Wladimir Putins an der Hochzeit schon überrascht worden ist. Karin Kneissl habe ihn davon just zu dem Zeitpunkt in Kenntnis gesetzt, als er selbst zugesagt habe, zur Feier in die Südsteiermark zu kommen, so Sebastian Kurz. Bingo! Wer solche Ministerinnen hat, dem hilft der Knigge auch nicht mehr viel.
Die Außenministerin schlecht beraten
Zumal Kneissl auch wenig Gespür zu haben scheint, was sonst so geht. In einer Leibnitzer Gratiszeitung kann man die Außenministerin samt ihrem Ehemann auf einem Foto mit dem Goldschmied sehen, der ihre Eheringe hergestellt hat. Das Bildmaterial ist Redaktionen kostenlos angeboten worden, eine Bombenwerbung für das lokale Handwerk. Aber auch für den Fleischgroßhändler und Immobilieninvestor Alois Köhrer, ein Jugendfreund des Bräutigams, hat sich die Sause gelohnt. Der Mann, der auch den VW Käfer für die Unterschrift Putins zur Verfügung gestellt hat, ist ein Opfer der EU-Sanktionen gegen Russland. Er hat von Fleischexport nach Russland auf Hundefutter umgestellt – und jetzt große Erwartungen. Köhrer, der während der Hochzeitsfeier im Gasthaus mit Hundewürsten geworben hat, spricht von einem Riesen-Coup.
Der Blogger und das zerstörte Türkis
Einen solchen Coup wollte auch Dominik Schrott landen, Nationalratsabgeordneter und Obmann der Jungen ÖVP in Tirol. Und damit sind wir wieder beim Kanzler, zu dessen engerer Umgebung Schrott zählt. Die JVP hat bekanntlich mit Kurz die Macht in der Volkspartei übernommen. Der ehrgeizige Tiroler Abgeordnete hat im Rahmen seiner Vorzugstimmenkampagne ein Gewinnspiel veranstaltet, der Blogger Markus Wilhelm hat aufgedeckt, dass das Gewinnspiel eine Täuschung war. Gewonnen hatte nämlich eine Karin K. – nicht Karin Kneissl, sondern ein Fake-Account des ÖVP-Mandatars Schrott auf Facebook. Und Schrott ist mit der Agentur, die das alles durchgeführt hat, so eng verwoben, dass Zufall und Nichtwissen schwer zu glauben sind.
https://twitter.com/JochenDickinger/status/1032231093959909376
Das Fadenscheinige nicht über dem Berg
Fadenscheinig, so der Befund vom Tiroler Wirtschaftskammer-Präsidenten Jürgen Bodenseer, ein ÖVP-Mann. Sebastian Kurz hat die Aktion auch verurteilt, aber seinem Parteifreund Schrott hat der Kanzler zugleich trotz aller Fadenscheinigkeit ein gutes Krisenmanagement bescheinigt und einen Persilschein ausgestellt. Böses Bingo! in diesem Fall, aber andere sind schuld und alles wieder gut. Am Samstag gehen wir Türkisen wieder auf den Berg, dann fahren wir nach Singapur und nach Hongkong, und dann redet keiner mehr drüber. Noch einmal der Knigge, den uns Vizekanzler Strache so ans Herz gelegt hat: Wir sehen die klügsten, verständigsten Menschen im gemeinen Leben Schritte tun, wozu wir den Kopf schütteln müssen. To whom it may concern.
Ein Gedanke zu „Bingo mit Karin K.“
Bei Kneissl vermutete man mehr Intelligenz bei Einladung von Hochzeitsgâsten und etwas mehr Wissen, wie man sich als Regierungsmitglied eines neutralen Staates zu verhalten hat. Den von Strache empfohlenen Elmayer kennen u beherzigen zwar die meisten Österreicher – für HC & co kann ich nicht garantieren – ist aber zu dürftig für eine AM. Und wenn eine AM einen autoritären Staatsführer schlechter Reputation einlädt,den Kanzler detto, diesen aber ohne Information lässt, hat Kneissl auch message control missverstanden. Mit einem privaten Fest die Taschen der Steuerzahler erleichtert, davon würden Knigge / Elmayer dringend abraten. Oder Kurz hat kalte Füße bekommen und aus dem Schlamassel das beste dares gemacht, indem er die Info als zu spät erhalten beweint. Wie immer man es dreht: Der Regierung entgleiten die Mitglieder. Performance as it’s worst.