Extreme Makeover
Jeder kann sich gerne zwei, drei mit nach Hause nehmen und kann auf sie aufpassen oder kann sie pflegen und hegen. Sprach FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl, als er für die gefängnisartige Unterbringung von minderjährigen Asylwerbern in Drasenhofen in Niederösterreich Kritik einstecken musste. Es ist der Un-Satz des Jahres, und Guido Tartarotti bringt es im Kurier auf den Punkt:
So ein Satz passiert nicht aus Überforderung, hier vergleicht einer bewusst eine Unterkunft für Menschen mit einem Tierheim. Die Sprache der Hass-Postings ist in der Politik angekommen. Der Freiheitliche Waldhäusl hat für viele eine rote Linie überschritten. Doch die Kanzlerpartei ÖVP will es nicht so sehen.
Bundeskanzler Sebastian Kurz vertraut seinem Umfeld blind. In einem Gespräch mit dem ihm nahestehenden Buchautor Andreas Salcher über persönliche Dinge hat der ÖVP-Obmann die Familie und den privaten Umkreis als seine Leitplanken genannt. Vor allem aber: mein Team im Büro, wo wir all das, was wir tun, immer wieder kritisch hinterfragen, Dinge teilweise ewig lang ausdiskutieren, weil es gut ist, unterschiedliche Ansichten auf dem Tisch zu haben. In diesem Team, so heißt es, hat man auch über rote Linien in der Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen gesprochen. Zum Beispiel Antisemitismus. Ein No-Go. In erster Linie deshalb hat FPÖ-Chef Vizekanzler Heinz-Christian Strache seine auch von Kritikern positiv registrierte Rede gegen Antisemitismus gehalten. Vor Burschenschaftern auf dem Akademikerball.
Waldhäusl ist Kurz keine rote Linie wert
Was Landesrat Waldhäusl in Niederösterreich treibt, ist offenbar keine rote Linie wert. Da reden wir über ein Quartier für als schwierig geltende Jugendliche, das notdürftig eingerichtet und schleißig hergerichtet war; das vorn mit einem stacheldrahtbewehrten Bauzaun gesichert und von Security-Leuten bewacht war; das von den Jugendlichen nur sehr kurz und unter Begleitung verlassen werden durfte; das keine psychologische und sonstige Betreuung für die Burschen vorsah. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft nach einem Lokalaugenschein: Dies erweckt den Anschein eines Freiheitsentzuges. Doch das scheinen eher nicht diese Dinge zu sein, die Kurz und sein Umfeld teilweise ewig lang diskutieren und immer wieder kritisch hinterfragen.
Eine klandestine Kommandoaktion
Das Quartier ist noch am selben Tag auf Anordnung der Landeshauptfrau geräumt worden. Die unbegleiteten minderjährigen Asylwerber wurden in Einrichtungen gebracht, die für Menschen mit besonderem Betreuungsbedarf geeignet sind und die schon länger Diskussionen mit Waldhäusl in dieser Frage führen mussten. Und es stellte sich auch heraus, dass der FPÖ-Landesrat in einer klandestinen Aktion auffällige Jugendliche aus verschiedenen Asylwerber-Quartieren im ganzen Bundesland für sein Lager zusammensammeln hat lassen. Es ist wichtig, dass die Zuweisungen alle durchgeführt werden, damit der Herr Landesrat bei seinem Besuch ab 16 Uhr sieht, dass die Einrichtung bereits besetzt wurde/wird, heißt es im Mail einer Beamtin an jenen Mann, der die Burschen abholen und nach Drasenhofen bringen sollte.
Die Saat des Landesrats geht gut auf
Waldhäusl zeigte auch nach der Intervention der Landeshauptfrau kein Einsehen. Wenn jetzt jemand feststellt, dass zu wenige Bilder an der Wand hängen oder ein Laminatboden zu alt ist – obwohl die Polizei dort jahrelang gearbeitet hat, also für die Polizisten war er gut genug und jetzt ist er zu schlecht – wenn das jetzt die Gründe sind, dann nehme ich sie zur Kenntnis. Aber, so Waldhäusl in der ZIB2 weiter: Wir werden wieder Probleme haben. Ich hoffe nur, dass nichts passiert. Diese Saat geht gut auf. Ein Posting unter dem Facebook-Eintrag der Landeshauptfrau über die Schließung des Waldhäusl-Lagers: Wenn einer dieser auffälligen Asylanten in nächster Zukunft ein Verbrechen an Österreichern verübt (darauf kann man fast wetten – umsonst waren sie nicht da drin), sollte man SIE persönlich in die Verantwortung nehmen.
Im Stacheldraht ist ein Tor, sagt der Innenminister
In der Bundes-FPÖ zweifelt niemand am Kurs des Landesrats. Der stellvertretende Parteiobmann Norbert Hofer hat gesagt: Gottfried Waldhäusl ist einer, der oft polarisiert, der aber auch gesetzestreu ist. Und Innenminister Herbert Kickl hat auch das Quartier mit Stacheldrahtzaun verteidigt: Nicht bös’ sein, im Zaun ist ein Tor, wo man hinaus- und hineingehen kann. Einen Wachdienst und einen Zaun – das alles gibt es auch in Traiskirchen. Wenn man aufs Land rausfährt, hat fast jede Liegenschaft einen Zaun. Dass da jemand gemerkt haben könnte, dass er überzogen hat, wie Landeschefin Johanna Mikl-Leitner in Richtung Waldhäusl gemutmaßt hat – davon merkt man nichts. Weder beim Landesrat selber, noch bei der Bundes-FPÖ.
Der Kanzler am Cover & in der Endlosschleife
Und Sebastian Kurz hält dennoch unbeirrt an seinem Koalitionspartner fest. Eben hat ihm das Time Magazine in der Europa-Ausgabe eine Titelgeschichte gewidmet, und schon auf dem Cover steht unter dem Motto Extreme Makeover sinngemäß, dass der Kanzler die extreme Rechte salonfähig mache. Die ÖVP hat den Artikel im Netz sehr freudig geteilt. So viel zu den roten Linien und zum Gespür der Kanzlerpartei.
Weltweit portraitieren Journalisten @sebastiankurz wie selten zuvor einen österreichischen Regierungschef. Auch das @TIME Magazin berichtet nun.https://t.co/i862lHOK8B
— Volkspartei (@volkspartei) November 29, 2018
In dem eingangs zitierten Gespräch über seine Person ist Sebastian Kurz auch gefragt worden, wie er eigentlich seine Entscheidungen trifft. Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: Ich bin der intuitive Typ und versuche aber immer, auch noch eine analytische Sicherheitsschleife zu drehen. In puncto FPÖ dürfte es sich freilich um eine Endlosschleife handeln, in der der Kanzler zunehmend gefangen ist. Die Intuition ist hier angesichts einer gewissen Machtverliebteit auf der Strecke geblieben.
Ein Gedanke zu „Extreme Makeover“
Lange hab ich mir die Frage gestellt, wo hat Kurz die viel beschworenen roten Linien gegenüber der FPÖ? Jetzt weiß ich es: Die gibt s nicht! Dieser “pseudo ÖVPler” und “pseudo BK” lässt die FPÖ einfach SEINE Politik machen. Er wäscht seine Hände in Unschuld und dabei geschieht in Österreich der Wandel zur autoritären rechten 3. Republik, die er, BK Sebastian Kurz, anstrebt zusammen mit der FPÖ!
Er will das so und ich frage mich, wie lange die demokratischen Kräfte in der ÖVP da noch zusehen?