Sie spielen nicht
We did not come to play. Ein Zitat aus der US-Zeitschrift Vanity Fair, die die demokratischen Widersacher von Donald Trump im Kongress porträtiert hat – darunter eine neue Generation von Politikerinnen, die viel vorhaben. Wir sind nicht gekommen, um zu spielen. Bei uns ist es genau umgekehrt: Der Leitspruch trifft in Österreich viel weniger auf die Opposition zu als auf die Regierung. Das politische Jahr ist gerade einmal zwei Wochen alt, und Sebastian Kurz und Herbert Kickl haben klargemacht: Da geht immer wieder was. Der Einzige, der ihre Pläne ein wenig durchkreuzt, ist der Vizekanzler, der im Papamonat irrlichtert.
Vier getötete Frauen in acht Tagen. So eine Serie an Frauenmorden in einer derartigen Dichte haben wir noch nie gehabt, sagt der Direktor des Bundeskriminalamts, Franz Lang, in der Kronenzeitung. Ganz Österreich spricht darüber, und die Bundesregierung natürlich auch. Für Innenminister Herbert Kickl ist vor allem der Migrationshintergrund der Tatverdächtigen interessant: Drei der vier sind keine autochthonen Österreicher, einer war noch dazu Asylberechtigter mit Vorstrafen und einem Asyl-Aberkennungsverfahren, das aber abgebrochen werden musste. Seine Verurteilungen wegen Körperverletzung waren nicht schwer genug, überdies hätte der Syrer wegen der Sicherheitslage in seiner Heimat auch nicht abgeschoben werden können.
Kickl und Kurz pfeifen auf die Konventionen
Ich habe es satt, dass wir mit einer Situation konfrontiert sind, wo die Menschenrechte und die internationalen Vereinbarungen diejenigen schützen, die unseren Rechtsstaat mit Füßen treten, und diejenigen auf der Strecke bleiben, die österreichische Staatsbürger sind und ein Recht darauf haben, dass sie von uns geschützt werden. Sprach Innenminister Kickl und kündigte an, auf die Menschenrechtskonvention – die Abschiebungen nach Syrien verbietet – und internationale Vereinbarungen – die Asyl-Aberkennung nur bei besonders schweren Straftaten wie Mord und Vergewaltigung zulassen – zu pfeifen. Der Bundeskanzler unterstützt Kickl dabei: Straffällige Asylwerber müssen abgeschoben werden – und zwar rasch und egal, woher sie kommen. Mit dieser Ansicht bekommt Sebastian Kurz selbst vom Mitbewerber SPÖ Beifall.
Einmal gut mit Waldhäusl durchmischen
Ein irrer Fall, der den Rechtsstaat an seine Grenzen bringt. Die FPÖ nützt das – mit wohlwollender Unterstützung der Kanzlerpartei ÖVP, um die Grundstimmung gegen Asylwerber weiter negativ aufzuladen. Herbert Kickl bringt am Rande des Ministerrats das stacheldrahtbewehrte Asylquartier seines Parteifreunds Gottfried Waldhäusl ins Spiel und sagt: Ich habe von den Gleichen, die sich in Drasenhofen drüber aufgeregt haben, dass die Küchenkastln fehlen und dass die Liegenschaft eingezäunt ist, kein Wort des Bedauerns darüber gehört, dass jetzt eine 16-Jährige ermordet wurde und dass es einen Mord in Oberösterreich gegeben hat. Hier fehlt mir die entsprechende Aufmerksamkeit. Und Landesrat Waldhäusl selber formuliert es noch drastischer: Während Frauen abgeschlachtet werden, sorgt sich Volksanwaltschaft um Mängel bei Essenausgabe in Asylquartier, so der Titel einer Presseaussendung.
Die Ministerinnen arbeiten dann fein nach
Szenenwechsel. Die ÖVP-Frauenministerin, die ÖVP-Staatssekretärin im Innenministerium und die Außenministerin auf dem FPÖ-Ticket, das sich für Strache & Co. allein durch den Kniefall vor Putin schon hundertmal rentiert hat, sagen der Gewalt gegen Frauen den Kampf an. Das ist die hohe Schule der Message Control. Zuerst wird von den Freiheitlichen grob gehackt, dann wird ÖVP-fein nachgearbeitet. Etwas mehr Geld, das zuvor gekürzt worden ist, und Täterarbeit, wie sie seit vielen Jahren von den Experten gefordert wird. Dazu Screening der Mordfälle seit Anfang 2018, was es in anderer Form schon gegeben hat und unter dieser Regierung abgeschafft worden ist – die sogenannten Fallkonferenzen. Und: eine neue, diesmal dreistellige Notrufnummer für Frauen, die Angst haben und Hilfe brauchen. Gegen nichts davon ist etwas einzuwenden, wenn es denn auch umgesetzt wird.
Opposition können oder ausgebremst werden
We did not come to play. Anschauungsbeispiel ist die neue Notrufnummer, die von der früheren Frauenministerin und SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek, aber auch von Opferschutzeinrichtungen heftig kritisiert wird. Verständlich, denn es gibt schon seit zwanzig Jahren die Frauenhelpline, die unter 0800 / 222555 rund um die Uhr erreichbar ist. Von der damaligen SPÖ-Frauenministerin Barbara Prammer eingeführt, arbeiten die Mitarbeiterinnen der Helpline seit Jahren dafür, die Nummer bekannt zu machen. Jetzt macht die Regierung einfach eine neue Nummer. So kurz und leicht zu merken wie die Notrufnummern von Polizei, Feuerwehr und Rettung, freut sich der Boulevard. So geht politische Kommunikation, da kann speziell die SPÖ noch einiges lernen.
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Shooting-Star der Demokraten macht es vor
Auch von Alexandria Ocasio-Cortez, dem Shooting-Star der US-Demokraten, die als Oppositionelle eben nicht gekommen ist, um zu spielen. Ocasio-Cortez macht unter anderem mit der Idee von sich reden, dass Multimillionäre einen Spitzensteuersatz von 70 Prozent zahlen sollten. Dazu kann man stehen, wie man will. Aber es ist eine klare Ansage. Weit klarer als jene von Pamela Rendi-Wagner, die sich nicht sicher ist, wie laut sie als SPÖ-Vorsitzende eine Vermögensteuer fordern soll. Ihre Unentschiedenheit – die Besteuerung vor allem der großen Internetkonzerne sei jetzt einmal wichtiger, sagt Rendi-Wagner – hat zu öffentlich ausgetragenen Diskussionen in der SPÖ geführt. Das 130-Jahr-Jubiläum der Sozialdemokratie, begangen am Ort des Einigungsparteitags in Hainfeld, war davon so überschattet, dass man das lieber nicht groß inszeniert hat.
Edelpensionist Häupl ist schon ungeduldig
So nicht inszeniert, dass sich sogar Edelpensionist Michael Häupl von der Tiroler Tageszeitung aus der Reserve locken ließ: Zuletzt habe ich mir schon des Öfteren gedacht: Was ist mit meinen Freunden, wann steht endlich einer auf und hält dagegen? Ich muss mich jetzt richtig zurückhalten, ich bin ein Pensionist, verbal gefesselt mit gebundener Zunge. Sie spüren es vielleicht – ich bin durchaus ein Anhänger der härteren Gangart. Doch die Genossen stehen immer noch am Spielfeldrand und warten darauf, eingewechselt zu werden. Was so rasch nicht passieren wird.
Der wundersame Aufstieg der Sonja Klima
Das Match läuft an ihnen vorbei. (Noch dazu arbeitet sich die Kronenzeitung massiv an der SPÖ ab, auch am Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, dem sein Millionenvergleich mit dem Gratisblatt-Verleger Wolfgang Fellner in der Berichterstattung der Krone noch lang nachhängen wird. Aktuell jubelt man dort Sozialstadtrat Peter Hacker zum Erzrivalen von Ludwig hoch.) Neuerdings hat dafür die Ex-Gattin eines Ex-Kanzlers und Ex-SPÖ-Parteivorsitzenden ihren Platz im Regierungsdrehbuch. Sonja Klima wird neue Chefin der Spanischen Hofreitschule, der Beirat hatte jemand anderen vorgeschlagen und ist nach der Entscheidung des Aufsichtrats für Klima geschlossen zurückgetreten.
Charity-Netzwerk mit Kanzler und Glock
Es ist für mich unverständlich, wie jemand bestellt werden kann, der die Kernkriterien der Ausschreibung nicht erfüllt, so die Begründung von Michael Enzinger, Präsident der Wiener Rechtsanwaltskammer und Beiratsmitglied. Politische Einflussnahme steht im Raum. Und politisch verantwortlich für die Hofreitschule ist ÖVP-Ministerin Elisabeth Köstinger, die das natürlich abstreitet. Köstinger ist eine enge Vertraute von Kanzler Kurz. Den wiederum verbindet ein langer gemeinsamer Weg mit Sonja Klima, in deren Funktion als Präsidentin der Ronald-McDonald-Kinderhilfe – die Kurz unterstützt, so wie das übrigens auch die Pferdesparte des Waffenproduzenten Gaston Glock macht. Was jetzt gut zum Reiten passt. Im Juni war Sebastian Kurz als Kanzler bei der Einweihung eines Kinderhauses dabei, gesegnet hat Dompfarrer Toni Faber. Und kurz vor Weihnachten hatte der Kanzler Frau Klima und mehrere Kinder zur Foto-Opportunity bei sich im Büro. Aber das alles hat bestimmt nichts mit der umstrittenen Entscheidung zu tun.
Strache, leicht irrlichternd im Papamonat
Und da wäre dann noch Heinz-Christian Strache, der Vizekanzler, der eigentlich im Papamonat ist und mit Windelwechseln schwer beschäftigt sein sollte. Den es aber doch immer wieder herumreißt – von der Regierungsklausur zum Ministerrat und dann auch noch in den Gerichtssaal, wo er mit dem PR-Berater Rudi Fußi kurzen Prozess machen wollte. Der hatte ein Foto von Strache verbreitet, das den FPÖ-Chef und Vizekanzler in einem Lokal in der Steiermark mit Vertretern der rechtsextremen Identitären Bewegung am Tisch sitzend zeigt. Zunächst hatte Strache das Foto als Fälschung bezeichnet, dann hat die Anwältin des Beklagten mehrere Fotos von dem Treffen vorgelegt, und Strache musste zugeben, dass er doch mit den Rechtsextremen am Tisch gesessen ist.
Der Tupfen auf dem identitären Pallawatsch
Fazit von Andreas Koller in den Salzburger Nachrichten: Strache ist politisch beschädigt, seine Wahrheitsliebe hat arge Schrammen erlitten, er wird als Freund der Rechtsradikalen durch die politische Arena getrieben werden, und der unbequeme Rudi Fußi darf sich über einen ungeahnten Popularitätsschub freuen. Warum tun sich Politiker das an? Warum tut ein Regierungspolitiker das der Demokratie an, kann man auch fragen. Politiker, die mit falschen Anschuldigungen auf Kritik reagieren, sind eine Gefahr für die Meinungsfreiheit und damit für die Demokratie, warnt Irmgard Griss, die frühere Höchstgerichtspräsidentin und Präsidentschaftskandidatin und jetzige NEOS-Abgeordnete. Sie fragt auch zu Recht, warum der Vizekanzler der Republik in diesem Prozess von einem Anwalt vertreten wird, der gleichzeitig Verfassungsrichter ist. Der Tupfen auf dem i. We did not come to play.