Nachtzug aus Seefeld
Falter-Chefredakteur Florian Klenk fährt mit dem Nachtzug nach Zürich, muss diese Reise in unbequemen Waggons der ungarischen Staatsbahn – Viktor Orbán lässt auf Schienen grüßen – absolvieren und schreibt eine vernichtende Kritik auf Facebook. Ebendort bezieht dann auch noch Chris Lohner final gegen die Regierung und deren Galionsfigur Herbert Kickl Stellung, Zitat: Kickl muss jetzt einfach dringend weg! Seither kann kein Zweifel mehr bestehen. Eine große außerparlamentarische Verschwörung gegen Säulen dieser Regierung ist in vollem Gang, mit Unterstützung aus den Reihen der Koalition und gezielten Auswirkungen auf ihr nahestehende Verbände wie den ÖSV.
Das subversive Potenzial von Chris Lohner ist ja schon vor Jahrzehnten zu Tage getreten. Nicht genug damit, dass sie als ORF-Ansagerin bekannt geworden ist, sie hat auch bei der in Österreich weltberühmten TV-Serie Kottan ermittelt mitgewirkt. Fünf Meter grüner Stoff und ein blödes Gesicht war dort einmal die böse Definition für einen Polizisten, und es klingt wie eine frühe Kampfansage an Kickl und seine Mannen.
Dass ausgerechnet die ewige ÖBB-Stimme Lohner sich so exponiert, mag man oberflächlich als Kritik an den neuen Ausreisezentren des Innenministers verstehen. In Wahrheit versteckt sich dahinter natürlich beinharte Kritik am obersten ÖBB-Herrn, dem Verkehrsminister. Auch Florian Klenk hat mit dem Posting über seine Ausreise nach Zürich zwar en passant Viktor Orbán erwähnt, aber ohne Zweifel hat er Norbert Hofer gemeint. Der Minister hat sich nämlich mit seinem Verkehrssicherheitsgipfel und den darauf folgenden Versuchen, den Imageschaden in Sachen Lkw-Abbiegeassistent zu begrenzen, auf sehr holpriges Terrain begeben.
Identitärer Applaus für den Ausreise-Minister
Die Verschwörung gegen den Innenminister findet derweil auf ganz anderer Ebene statt. Herbert Kickl hat per 1. März bei den Erstaufnahmestellen für Asylwerber Tafeln mit der Aufschrift Ausreisezentrum anbringen lassen. Ein Paradigmenwechsel, der nicht einmal rechtlich gedeckt ist, wie ein namhafter Verfassungsexperte meint. Die Kritik an dieser mehr als symbolischen Maßnahme war laut, die Kanzlerpartei ÖVP verhielt sich ruhig, und der Applaus kam von Vertretern jener Bewegung, mit denen der Vizekanzler und FPÖ-Chef nicht an einem Tisch gesessen sein will. Identitären-Chef Martin Sellner auf Twitter über diese großartige Maßnahme der Regierung: Aus Aufnahmezentren werden Ausreisezentren. Das ist gut, aber hoffentlich erst der Anfang.
Und Sellner hat gleich eine Warnung nachgeschoben: Die Antifa wird womöglich heute oder morgen Nacht versuchen das Schild zu übermalen oder kaputt zu machen. In der Tat war schon am nächsten Tag ein amtsbekannter Aktivist in Traiskirchen vor Ort, um das neue Schild mit einem selbstgebastelten Plakat und Tixo zu überkleben und das publizistisch auszuschlachten. Verschwörer allerorten, nicht nur im Nachtzug.
Sinistres Geschehen auf dem Staatsball
Auch der Opernball als das gesellschaftliche Ereignis der schwarz-blauen Republik war diesmal ein Ort wahrlich sinistren Geschehens. Verschärfend kam hinzu, dass kein Geringerer als der Justizminister maßgeblich an der Verschwörung beteiligt war. Hat Josef Moser doch tatsächlich Song-Contest-Gewinnerin Conchita alias Tom Neuwirth zu seiner Ballgästin erkoren, die sich in ihrem Statement vor der ORF-Kamera dann auch noch zu den Menschenrechten bekannte. Ein Schlag ins Gesicht für viele FPÖ-Funktionäre, wie man an den Reaktionen ablesen konnte. Und Anlass für eine der übelsten Entgleisungen des gefürchtetsten Kronenzeitungs-Kolumnisten. Seltsam, verhaltensgestört, krank. Das sind nur drei von vielen Attributen, die ihm für die einst umjubelte Kunstfigur, die uns den Schas gewonnen hat, eingefallen sind.
Rechtes Mobbing gegen den Justizminister
Josef Moser ist seinen früheren Parteifreunden in der FPÖ nicht erst nach seiner zurückhaltenden Reaktion auf die Kickl-Idee einer präventiven Haft für Asylwerber ein Dorn im Auge. Der Innenminister selbst hat entsprechende Andeutungen gemacht, und nach dem Opernball-Auftritt mit Conchita gibt es kein Halten mehr. Die Salzburger FPÖ-Chefin Marlene Svazek feuerte eine Breitseite gegen Moser und wurde damit von der befreundeten Plattform ausgiebig zitiert: Spätestens wenn Moser am Life-Ball dann womöglich das Bodypainting für sich entdeckt, reicht Fremdschämen wohl nicht mehr aus, so Svazek. Auf einem anderen FPÖ-freundlichen Portal wird mittlerweile schon ganz offen der Rücktritt des Justizministers gefordert.
Die muslimische Karfreitags-Verschwörung
Verschwörung selbstverständlich auch von muslimischer Seite, Stichwort Karfreitag. Während die zuständige Sozialministerin in der Presse am Sonntag betont hat: Ich hätte vorgeschlagen, dass es einen zusätzlichen Urlaubstag gibt. Aber wir haben auch einen Koalitionspartner, man muss Kompromisse eingehen. Sagt der FPÖ-Obmann und Vizekanzler dagegen in der Österreich-Zeitung: Wir konnten jetzt nicht noch einen 14. Feiertag für alle beschließen, sonst wären muslimische und andere Religionsgruppen gekommen und hätten auch neue Feiertage für alle und für sich gefordert. Und einen muslimischen Feiertag wollen wir sicher nicht. Damit war die Rutsche gelegt zum neuen alten (lange geplanten) Aufreger-Thema: Eine neue Beobachtungsstelle für religiösen Extremismus soll kommen. Georg Renner zeichnet den Propaganda-Coup hier sehr schön nach, Oliver Pink kommentiert das Manöver hier.
Nicht einmal der Skiverband wird verschont
Nicht zuletzt ist dann auch noch ein Nachtzug aus Seefeld gekommen. Man stelle sich vor: Heim-WM der nordischen Athleten und ausgerechnet da schlagen die Doping-Fahnder zu. Das kann nicht mit rechten Dingen zugehen, das muss eine Linke sein, erklärt ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel: Es kommt mir vor, es war eine getürkte Aktion, wie das inszeniert worden ist, gerade bei der WM. Man muss nachdenken, ob es nicht eine Gruppe gibt, die uns schaden will. Für den 77-jährigen Schröcksnadel, der schon über seinen Abschied von der ÖSV-Spitze nachgedacht hat, ist das vorerst kein Thema mehr. Zuerst will er den Verschwörern das Handwerk legen. Aufhören wollte ich sowieso, aber jetzt kann es passieren, dass ich noch länger bleiben muss.
Und noch eine Scheibe von Orbáns Salami
Bleiben will auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der dem Klenk das Ausreisen so verleidet hat. Bleiben namentlich in der Europäischen Volkspartei (EVP), aus der immer mehr Rufe nach Ausschluss seiner Fidesz-Partei laut werden. Auch das ist nur eine Verschwörung, wahrscheinlich von den üblichen Verdächtigen. In Wirklichkeit kommt der Angriff von links, nicht um uns, sondern um die EVP zu schwächen. Wenn es uns nicht mehr gibt, werden sie die Italiener angreifen, und danach kommen die Österreicher an die Reihe. Das nennt man Salamitaktik, sagt Orbán. Von dem könnten sich hiesige Verschwörungstheoretiker noch eine Scheibe abschneiden.