Set this right
We have full trust in the people of Austria and Austrias democratic institutions to set this right. Volles Vertrauen in die Bevölkerung und in die Institutionen, dass die das in Österreich wieder hinkriegen, hat dieser Sprecher der Europäischen Kommission zur Lage nach Ibizagate gesagt. Er hat nicht gesagt: full trust in the chancellor, in diese vermeintliche Wunderwaffe der europäischen Konservativen gegen Nationalismus & Rechtspopulismus namens Sebastian Kurz. Sein Projekt, die Freiheitlichen regierungsfähig zu machen, ist nicht erst in Ibiza abgesoffen, es ist exemplarisch gescheitert. Und der Shootingstar ist jetzt Passagier.
Full trust in the democratic institutions, das kann man auch so übersetzen: Es ist gut, dass der Bundespräsident Alexander Van der Bellen heißt und dass wir ein durch die Volkswahl so stark legitimiertes Staatsoberhaupt haben. Und es ist gut, dass wir ein funktionierendes Parlament haben. Es ist das Herz der Demokratie, und dort werden in Situationen die Entscheidungen getroffen, wenn wie gerade jetzt alles auseinanderfällt, was die Message Control so trügerisch zusammengehalten hat. Wenn der lange Arm des Kanzleramts nicht mehr imstande ist, auch im Hohen Haus die Regie zu führen, dann wird die Bedeutung der Checks and Balances erst richtig sichtbar.
Ich werde die von Minister Kickl vorgeschlagene Ernennung v. Peter Goldgruber zum Generaldirektor f.d. öffentl. Sicherheit nicht unterzeichnen. Eine neue Bundesregierung soll dadurch in Personalfragen nicht präjudiziert werden. Das haben auch meine Amtsvorgänger so gehalten.(vdb)
— A. Van der Bellen (@vanderbellen) May 20, 2019
Ein Gegengewicht zu den Machtspielen
Sie bilden ein Gegengewicht zu den Machtspielen der Kanzlerpartei, die jetzt im Sog der Ibiza-Affäre Dinge bereinigen möchte, die sie bisher kühl lächelnd hingenommen hat. Und das nicht nur auf Bundesebene: Um Schwarz-Blau in Oberösterreich ohne viel Aufhebens weiterführen zu können, wirft ÖVP-Landeschef Thomas Stelzer jenen FPÖ-Landesrat aus der Regierung, der vor der AfD Thüringen unfassbare Dinge gesagt hat und mit einer Ermahnung davongekommen ist. Die Landes-FPÖ fügt sich, sie hat keine Wahl. Sebastian Kurz will Innenminister Herbert Kickl aus der Bundesregierung werfen – das Gesicht der freiheitlichen Regierungsbeteiligung, Ikone der rechten Szene und mutmaßlicher Votegetter bei der Nationalratswahl. Die Bundes-FPÖ fügt sich nicht.
Unterschiedliche Narrative des Scheiterns
Die Erzählungen, wie es zur Zuspitzung auf Kickl gekommen ist, unterscheiden sich. Kurz habe sich zunächst mit den Rücktritten von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus begnügt und weitermachen wollen, sagt die FPÖ. Dann sei (offenbar nach Telefonaten von Kurz mit ÖVP-Landeschefs wie Johanna Mikl-Leitner) die Forderung gekommen, dass Kickl das Innenressort abgeben muss. Immer noch unter dem Aspekt des Weitermachens, so die Version der Blauen. Die ÖVP stellt es hingegen so dar, dass der Kanzler immer schon gewusst habe, dass die Koalition erledigt ist. Kickl und das Argument, er sei in Sachen Ibiza-Ermittlungen befangen, wäre also nur beinhartes Kalkül gewesen, um die an sich überaus harmonische Regierung zu sprengen.
Es geht um den Kanzler-Job als Kurz-Asset
Das alles ist hot stuff für den Wahlkampf. Da wird es sehr stark darum gehen, ob Kurz es mit der Hofer-FPÖ wieder versucht, was er wahltaktisch schwer ausschließen kann und wohl auch nicht will. Die unmittelbare Konsequenz ist, dass sich der ÖVP-Chef und Bundeskanzler mit einem Misstrauensantrag im Parlament gegen seine FPÖ-befreite Übergangsregierung konfrontiert sieht, der eine Mehrheit bekommen könnte. Die Freiheitlichen irrlichtern noch zwischen staatspolitischer Verantwortung und rache-getriebener Parteitaktik. Die Sozialdemokraten verwenden es als Druckmittel, um eine Übergangsregierung auch ohne ÖVP durchzusetzen. Sebastian Kurz wäre damit den Kanzler-Job und damit auch ein wichtiges Asset für den Wahlkampf vorerst los.
Position der Sozialdemokratie nach Gesprächen mit Bundespräsident und Sebastian Kurz: Bundespräsident ist am Zug, Regierung anzugeloben, die stabile Mehrheit im Parlament hat. Eine Regierung, die aus unabhängigen ExpertInnen besteht, stellt dafür die besten Voraussetzungen. (prw)
— Pamela Rendi-Wagner (@rendiwagner) May 20, 2019
Die SPÖ und das Lied von der Staatspolitik
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat mit der Festlegung auf eine reine Experten-Übergangsregierung erstmals ein klares Zeichen gesetzt, nachdem die Partei selbst am historischen Wochenende des Scheiterns der Regierung Kurz orientierungslos gewirkt hat. Rendi-Wagner hat sich im ORF-Talk Im Zentrum am Sonntag Abend vom FPÖ-Klubobmann so vorführen lassen, dass es wehgetan hat. Jetzt wollen die Roten es also wissen, und man wirft ihnen schon vor, nicht staatspolitisch zu agieren, sondern die Interessen der Partei in den Vordergrund zu stellen. Ein Vorwurf, der der SPÖ zur Ehre gereicht, weil an sie immer noch automatisch staatstragende Ansprüche gestellt werden. Aber die Sozialdemokraten könnten das Misstrauen ganz gut begründen.
Der ÖVP-Chef und die Silberstein-Methode
Schließlich war Sebastian Kurz der Erste, der nach dem Platzen der Ibiza-Bombe parteipolitisch agiert hat. In seinem Statement, mit dem er am Samstag Abend live im ORF vor zwei Millionen Zusehern Neuwahlen angekündigt hat, war ganz bewusst die Chiffre Tal Silberstein eingebaut – der Mann, den die SPÖ im Nationalratswahlkampf 2017 angeheuert und für dessen Dirty Campaigning sie bitter bezahlt hat. Die Botschaft des ÖVP-Obmanns, der freilich als Bundeskanzler zum Volk gesprochen hat, war klar: Der Wahlkampf gegen die Linken ist wieder eröffnet. Im Interview mit der Krone hat Kurz das mit Silberstein leider ohne Beweis bekräftigt, im Gespräch mit der Bild-Zeitung hat er das Thema dann auch noch über die Grenzen hinausgetragen.
Schwarz-Blau war ein Hochrisiko-Projekt
Selbstverständlich hat Sebastian Kurz, der sich im selben Statement bemitleidet hat, was er nicht alles an Grauslichkeiten von FPÖ-Seite immer wieder hinunterschlucken habe müssen, auch eine Mitverantwortung für das, was passiert ist. Mit Leuten wie Strache und Gudenus in zentralen Positionen ein Regierungsprojekt zu starten, das war von Anfang an eine Hochrisiko-Strategie. Das hat man schon wenige Wochen nach dem Start an der Affäre um die Nazi-Liederbücher gesehen, es hat mit den Kontakten zur Identitären Bewegung – die nach der Spende des Christchurch-Attentäters heiß geworden sind – einen Höhepunkt erlebt. Jetzt ist das Projekt krachend gescheitert.
Der Regisseur hinter der roten Tapetentür
Der Verlust des Kanzlerpostens würde den Anteil von Kurz an dieser unerfreulichen Entwicklung sichtbar machen. In Österreich und auf europäischer Ebene. Nicht mehr und nicht weniger. Das wäre für Kurz schmerzhaft, persönlich und wahltaktisch. Eine Staatskrise, die jetzt von manchen beschworen wird, wäre das aber noch lange nicht. Es ist bei allen Drohgebärden aus der SPÖ auch alles andere als ausgemacht, dass es am Ende zu einem Misstrauensvotum kommen wird. Set this right. Die Regie liegt in den Händen des Bundespräsidenten, und dort ist sie gut aufgehoben.
Ein Gedanke zu „Set this right“
Das Wirken von Kurz in seiner Gesamtheit war durchgehend destabilisierend.Das Vertrauen in seine stabilisierenden Fähigkeiten hat sich damit erschöpft. Und in Kanzlerfunktion die eigenen 2 Bruchlandungen als Krisenmanager wegspielen, da muß mit Widerstand gerechnet werden.