Smart wie Bibi
Freitag Vormittag, Bundeskanzleramt in Wien. Sebastian Kurz begibt sich in eine Videokonferenz mit sechs anderen Regierungschefs, teilweise zugeschaltet aus Übersee. Die von ihnen vertretenen Länder haben die erste Corona-Welle glimpflich überstanden oder besser erfolgreich, wie der österreichische Kanzler nicht müde wird zu betonen. Kurz hat diesen exklusiven Klub der smarten Anti-Corona-Staaten ins Leben gerufen. Das gibt für ihn mehr her als der inzwischen vierte EU-Gipfel zur Corona-Krise ohne einen Durchbruch. Dazu gab es von Kurz eine knappe Mitteilung mit dem bekannten Inhalt: Italien mag noch so wichtig für uns als Exportmarkt sein, wir bleiben auf der Schulden-Bremse.
Also konferierte der Kanzler über Bildleitung mit den Regierungschefs Scott Morrison (Australien), Jacinda Ardern (Neuseeland), Benjamin Netanjahu (Israel), Andrej Babis (Tschechien), Mette Fredriksen (Dänemark) und Kyriakos Mitsotakis (Griechenland). Alles smarte Länder, die das Virus im Griff hätten, so Sebastian Kurz danach in einem kurzen Statement für ORF-Fernsehen und Austria Presse Agentur. Was aber nicht heißt, dass sich irgendjemand Hoffnung auf einen Griechenland-Urlaub im Sommer machen sollte: Grundsätzlich ist es in einer Zeit wie dieser schwierig, wenn in verschiedenen Ländern Menschen aus unterschiedlichsten Ländern einreisen können, vor allem dorthin dann Menschen auch einreisen können aus Ländern, wo die Infektionszahlen sehr hoch sind, so Kurz. Also nicht Urlaub in Griechenland, sondern doch eher in Deutschland, wohin die Kurz sehr nahestehende Tourismusministerin schon den roten Teppich ausgerollt hat.
Eine Art virtuelle Westbalkankonferenz
Deutschland war bei der Konferenz der smarten Sieben freilich gar nicht dabei, und das erinnert an einen anderen Alleingang von Sebastian Kurz, der die Legende von ihm als Schließer der Balkanroute begründet und seinen Wahlsieg 2017 vor der Zeit besiegelt hatte. Aber um Deutschland ist es bei der Videoschaltung genauso wenig gegangen wie um Griechenland. Worum es Kurz gegangen ist, das hat Israels Premier Benjamin Bibi Netanjahu in einer Kaskade von Postings auf Twitter zu erkennen gegeben. Der Mann, der Sebastian Kurz nach dessen Angaben erst für die Gefahr durch das Virus sensibilisiert hat, ließ per Tweet wissen: The leaders expressed concern over a 2nd wave of outbreak and over the fact that the virus is expected to be with us for some time. Es könnte eine zweite Corona-Welle kommen, und da möchte der Kanzler gerüstet sein.
Prime Minister Benjamin Netanyahu participated today in a video conference hosted by Austrian Chancellor @SebastianKurz, with prominent world leaders on the #coronavirus pandemic. The leaders discussed international cooperation in dealing with the spread of the pandemic. pic.twitter.com/WAv8Uctcwn
— Prime Minister of Israel (@IsraeliPM) April 24, 2020
Die Tracking-App vom Mossad-Bruder
Und zwar nicht mit einer freiwilligen Stop-Corona-App à la Rotes Kreuz, die wenig überraschend vom Kanzleramt nicht promotet (und unter der Hand von dieser Seite auch für tot erklärt) wird, sondern mit einer Tracking-App à la Schin Bet. Das ist der israelische Inlandsgeheimdienst, quasi der Bruder des berüchtigten Mossad. Vor einem Monat hat die Regierung Netanjahu den Geheimdienst ermächtigt, seine Spionagetools erstmals auf Zivilpersonen anzuwenden und mit dem Virus Infizierte ebenso wie Verdachtsfälle so zu überwachen. Die Ermächtigung ist vorläufig abgelaufen, aber die Regierung verweist auf die Erfolge. Und Netanjahu verweist in einem weiteren Tweet darauf, dass Kurz & Co. das auch goutieren: The leaders sought to learn from Israel about digital tools especially in regard to dealing with a second wave of outbreak. Lernen von Israel.
Schluss mit Soft bei einem zweiten Outbreak
Lernen von Israel mit Blick auf eine mögliche zweite Welle mit neuerlich exponenziell steigenden Infizierten-Zahlen. Man kann es sich lebhaft vorstellen: Wie die Leute um Kurz dann für den israelischen Weg Druck machen – für die Methoden eines Landes, das sich ständig im Kriegszustand wähnt und völlig anders tickt. Wie darauf hingewiesen wird, dass sich dieser softe Zugang des grünen Koalitionspartners mit Spaziergang-Erlaubnis und Öffnung der Bundesgärten nicht bewährt habe. Wie dann wieder das Angst-Argument in den Vordergrund gerückt wird: Bald wird jeder von uns jemanden kennen, der an Corona gestorben ist. Hunderttausende Tote allein bei uns. Denn genau das ist die Bruchlinie zwischen den Regierungspartnern, hier prallen die Welten so aufeinander, dass es bei aller inszenierten Harmonie dieser Corona-Koalition nicht im Verborgenen bleibt.
Bruchlinie knirscht, Konflikte werden sichtbar
Die Kanzleramtsministerin mit Zuständigkeit für Verfassungsfragen schießt gegen den Gesundheitsminister, der mit Verordnungen auf Basis der COVID-Maßnahmengesetze eine Schlüsselrolle spielt. Weil Rudolf Anschober eine Juristen-Runde mit der Prüfung der Verordnungen beauftragt und deren Sprecher – Ex-Justizminister Clemens Jabloner – zu Recht den Verfassungsdienst im Kanzleramt in die Pflicht genommen hat. Hintergrund war die ebenfalls zu Recht vielkritisierte Bemerkung des Bundeskanzlers, man solle sich in Anbetracht der Corona-Krise nicht in juristischen Spitzfindigkeiten ergehen, weil die Maßnahmen eh schon wieder ausgelaufen sein werden, wenn der Verfassungsgerichtshof zum Schluss kommen sollte, dass sie verfassungswidrig waren. Das habe er nur getan, um Anschober zu schützen, wird eine Aussage von Sebastian Kurz dazu kolportiert. Im Netz hat einer der Architekten der schwarz-grünen Koalition geantwortet.
Szenen einer #Corona-Koalition. https://t.co/CfghTDH1yI pic.twitter.com/9GN2dmYH8o
— Stefan Kappacher (@KappacherS) April 21, 2020
Die Sonne strahlt in den Umfragen so hell
Die Sonnenanbeter, wie sie der Vorarlberger Grünen-Chef nennt, werden gern auch als Kurz-Jünger bezeichnet. Und die Sonne, die strahlt in den Umfragen immer heller. Viel fehlt nicht mehr auf die absolute Mehrheit für die Kanzlerpartei. Und die Spekulationen, wann Sebastian Kurz den Absprung machen wird, um die dritte Koalition vorzeitig zu beenden, laufen schon auf Hochtouren. Nicht ob, sondern wann. Ein Interview von Markus Wallner, wonach es wegen Corona eine neue politische Agenda brauchen werde, hat die Debatte befeuert. Das Bemerkenswerte ist, dass irgendwie jeder den Zeitpunkt für einen Koalitionsbruch – mitten in der Pandemie, die die Regierung soweit gut bewältigt hat – für abwegig hält, dass aber auch jeder, der Kurz halbwegs kritisch gegenübersteht, dem ÖVP-Chef diesen Schritt und den Griff nach der absoluten Macht zutraut.
Ein zum Weinen unglückliches Land nebenan
Kurz hat ein schlechtes Vorbild, zu dem er zwar nicht so aufschaut wie zu Netanjahu, dem er aber die Stange hält. Auch als der zuletzt das Parlament ausgeschaltet hat und es dank der Zweidrittelmehrheit seiner Fidesz-Partei in der Hand hat, ob und wann es wieder zusammentritt. Das Vorbild heißt Viktor Orbán und regiert jetzt seit genau einem Jahrzehnt in Ungarn. Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel beschreibt, was das mit und aus unserem Nachbarland gemacht hat. Keine Diktatur im russischen und im türkischen Sinn, zitiert Der Spiegel den Philosophen Gáspár Miklós Tamás: Oppositionelle sitzen nicht in Gefängnissen oder werden ermordet. Dessen bedarf es mangels Widerstands gegen Orbán auch nicht. In Ungarn herrschen Ordnung und Ruhe. Es ist ein zum Weinen unglückliches Land. Und dass das von unserem Bundeskanzler, vom Außenminister und vom Nationalratspräsidenten politisch gedeckt wird, ist nicht minder zum Weinen.
Ein Gedanke zu „Smart wie Bibi“
ich bleibe in Sachen #Kurz bei meiner Diagnose Narzisstische Persönlichkeitsstörung und eine Anhängerschaft mit masochistischen und neurotischen Zügen. Kurz zerstört auf seine perfide Art alles und jeden, was und der ihm im Wege steht.