Perspektivny
Der Guardian zitiert aus einem Geheimpapier aus Moskau über eine Besprechung von Wladimir Putin mit seinen Spionagechefs. Es war US-Präsidentenwahl, und der Kreml wollte mitmischen: It says Trump is the “most promising candidate” from the Kremlin’s point of view. The word in Russian is “perspektivny”. Dieses Protokoll ist der ultimative Beleg dafür, dass Russland zugunsten von Donald Trump auf die Wahl 2016 Einfluss genommen hat. Trump appears to really be and have been America’s first Manchurian Candidate, heißt es auf der US-Plattform Medium. Perspektivny und Manchurian Candidates, das kennen wir.
Das deutsche Wort für perspektivny ist vielversprechend. Auf keinen ist das so oft angewandt worden und keiner hat es so oft getan – nämlich viel versprechen – wie Sebastian Kurz. Zuletzt hat der ÖVP-Obmann die Pandemie aus Sicht des Staates für beendet erklärt und versprochen, es sei wieder alles erlaubt, was Spaß macht – um wenige Tage später im Zuge seiner medial intensiv umhegten USA-Reise wieder Einschränkungen mitzutragen. Der grüne Gesundheitsminister hat das Heft in die Hand genommen, als die Infektionszahlen mit der Delta-Variante heftiger als erwartet gestiegen sind. Und die unzuständige Tourismus- und Gastronomieministerin Elisabeth Köstinger klang allen noch im Ohr, wie sie das rote Wien der Übervorsicht geziehen hatte, weil man dort der perspektivny des Bundeskanzlers nicht trauen wollte.
Ministerin Köstinger, eine Überschwemmung
Köstinger war ja auch einmal Umweltministerin, deshalb kennt sie sich mit der Klima-Katastrophe und von dieser begünstigten Naturkatastrophen aus. Die Überschwemmung des Zentrums von Hallein in Salzburg gehe auf das Konto der NGO, die durch Einsprüche im Genehmigungsverfahren die unumstritten notwendigen Maßnahmen für den Hochwasserschutz verzögert habe, ließ Köstinger von Brüssel aus wissen. Die zuständige Feuerwehr verwies freilich auf Verklausungen durch mitgerissene Pkw und sprach von einer Verkettung unglücklicher Umstände: Ohne diesen Fahrzeugpfropfen wäre der Hochwasserschutz wohl mit den Regenmengen zurechtgekommen oder die Überschwemmung zumindest weitaus glimpflicher ausgegangen. Die Leute im Einsatz gegen die Flut wissen wahrscheinlich noch nichts von der Klima-Diktatur, die der Umweltsprecher der ÖVP, Johannes Schmuckenschlager, an die Wand gemalt hat.
Schwarzer FPÖ-Sprech auch in Klima-Fragen
Der NÖ-Abgeordnete hat im Ö1-Mittagsjournal die ruhige Performance der grünen Klimaschutz-Ministerin Leonore Gewessler angesprochen und im FPÖ-Sprech kritisiert: Dass sie hier sehr schnell Dinge formuliert und fixieren möchte, die aber vorher nicht diskutiert, und man möchte dann nicht sozusagen eine Klimadiktatur haben. Ich glaube, unser Weg ist nicht der, dass weniger Auto gefahren werden soll, sondern dass wir uns überlegen, was füllen wir in den Tank. Nach den Überflutungen am Wochenende nahmen die Solidaritätsadressen vom Kanzler abwärts kein Ende, aber seine Manchurian Candidates in der ersten, zweiten und dritten Reihe bleiben angesichts der bereits für simple Gemüter greifbaren Auswirkungen der Treibhausgas-Emissionen dabei: Diktatur der Klimaschützer und der NGOs, Autofeinde überall.
Es gilt die Gehirnwäsche-Vermutung
Umdenken ist bei der noch immer mit Abstand stärksten politischen Kraft im Land nicht angesagt. Wobei die Definition von Manchurian Candidate anzupassen wäre. Bei uns geht es natürlich nicht um Infiltration der Demokratie durch fremde Mächte wie im Original des Films, von dem das Phänomen eines fiktiven Schläfers in höchsten politischen Kreisen seinen Namen hat. Das Remake mit Denzel Washington kommt uns schon näher, geht es da doch nicht mehr um die bösen Kommunisten, sondern um die globalen Geldverschieber als Hintermänner. Stichwort Großspender. Was bleibt ist der Kern. Die Gehirnwäsche, die Manchurian Candidates erst möglich macht. Daran fühlt man sich leider immer wieder erinnert, nicht nur wenn man den jetzt endgültig abgedrehten Ibiza-Untersuchungsausschuss Revue passieren lässt.
Hangers & Arnoldners und kaum Luft nach unten
Ein Andreas Hanger zum Beispiel, ÖVP-Fraktionsführer im U-Ausschuss, der kann nur so agieren, wie er agiert hat, wenn er komplett neu aufgesetzt worden ist. Der Mann hat neue Maßstäbe der Diskurszerstörung gesetzt, und das ist nichts, worauf eine staatstragende Partei stolz sein könnte. Oder Bernadette Arnoldner, die Landesgeschäftsführerin der ÖVP Wien, deren Parteichef der Finanzminister ist, dem die Grünen in der Sondersitzung am Montag einmal mehr die Mauer gemacht haben. Frau Arnoldner hat den grausamen Mord an einer Dreizehnjährigen in Wien-Donaustadt – dringend tatverdächtig sind schon früher straffällig gewordene afghanische Asylwerber – parteipolitisch gegen das von den Schwarzen regelrecht gehasste rote Wien instrumentalisiert. Das Mädchen sei Opfer eines Systems in Wien geworden, hat Arnoldner auf Facebook geschrieben. Ihr Foto neben einer Gedenktafel. Nach ungläubigen Protesten auch aus den eigenen Reihen der übliche Rückzieher.
Manchurian Candidates bis zum Bodensee
Manchurian Candidates wohin man schaut. In der Sitzung, wo die Grünen Gernot Blümel wieder vor einem Misstrauensantrag gerettet und den Ibiza-Untersuchungsauschuss ein letztes Mal nicht verlängert haben, hat ein gewisser Karlheinz Kopf – Generalsekretär der Wirtschaftskammer unter Harald Mahrer – einem Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen zugestimmt, der nicht mehr und nicht weniger als eine Ohrfeige für die Landes-ÖVP in seiner Heimat Vorarlberg ist. In dem Antrag wird Klimaschutz-Ministerin Gewessler ausdrücklich aufgefordert, ein alternatives Projekt zur seit Jahren umstrittenen S18 zu prüfen – die wiederum für die Vorarlberger ÖVP ein absolutes Muss ist. Für so ein Abstimmungsverhalten muss man sich in der Landeszeitung Vorarlberger Nachrichten natürlich rechtfertigen. Kopf hat das so getan, Zitat: Der Antrag wurde der ÖVP von den Grünen regelrecht abgenötigt.
Die ÖVP im großen Straßenbau-Dilemma
Das ist gar nicht so ein kleiner Erfolg für Leonore Gewessler, die den Entschließungsantrag politisch initiiert hat. Die Zustimmung der ÖVP bedeutet nämlich, dass sie die von der grünen Ministerin ausgerufene Evaluierung aller Straßenbauprojekte akzeptiert. Darunter der Lobau-Tunnel und die sogenannte Stadtstraße – das einzige Thema, wo Rot und Schwarz einmal einer Meinung sind. Nämlich dass gebaut werden muss. Sebastian Kurz hat sich da rasch auf die Seite seiner Landeschefs geschlagen und den Hausverstand ins Spiel gebracht, der den Straßen schon noch zum Durchbruch verhelfen werde. Auch sehr perspektivny, dieser Ansatz. Und im Zweifelsfall gilt nicht, was August Wöginger im Parlament mit Sigrid Maurer treibt, sondern das, was Kurz und seine Consulter im Kanzleramt sagen.
Überschattete Erfolge der Leonore Gewessler
Der gar nicht so kleine Erfolg der Grünen war der Preis, den die ÖVP fürs Stillhalten in Sachen U-Ausschuss und Blümel zahlen musste. Konkreter Hebel für die Grünen war ein ÖVP-Ausritt im Bundesrat. Der Erfolg bleibt mit dem Makel behaftet, dass er wie alle anderen Erfolge im Umweltbereich im Schatten einer nachhaltigen Beschädigung der demokratischen Kultur in diesem Land stattfindet. Das kann man den Grünen anlasten, doch es ist eine Verantwortung, die allein die Kanzlerpartei zu tragen hat – die schwarzen Landesfürsten, die auf türkise Bonuspunkte spekuliert haben und weiter spekulieren, inbegriffen. Ihnen ist vielleicht nicht bewusst, dass die Mandschurei in der österreichischen politischen Geographie gleich neben Ibiza liegt. Und dass ihnen das alles noch einmal gewaltig auf den Kopf fallen könnte. Denn so vielversprechend ihr Votegetter dereinst angetreten ist, so perspektivny präsentiert er sich heute.
Das Leiden der SPÖ & Kurzens Sommer wie damals
Kurzens Glück ist, dass er immer noch keine Konkurrenz hat und einen Zwischenwahlkampf-Sommer wie damals einschieben kann – als er von der Parlamentsmehrheit abgewählt wurde und der ersten Bundeskanzlerin der Republik Platz machen musste. Pamela Rendi-Wagner wird Brigitte Bierlein schon dann und wann um diesen Titel beneidet haben, denn sie ist auch von der zweiten Bundeskanzlerin der Geschichte weiter entfernt denn je. Hans Peter Doskozil spricht zwar richtige Dinge an und bereitet Rendi-Wagners Umfeld, wo alle um ihr Leiberl fürchten, schlaflose Nächte. Aber Doskozil, den die SPÖ-Vorsitzende konsequent als einstigen Hoffnungsträger bezeichnet, ist ihr Manchurian Candidate. Während die SPÖ-Anhänger so Eine wie sie wollen, sind die Anhänger der rechten Parteien mehrheitlich massiv für Doskozil als SPÖ-Chef. Eine sinnlose Rechnung, die aber gegen die SPÖ aufgeht.
Doskozil schläft nicht & Ludwig spielt eine Leiche
Doskozil ist sozusagen ein Schläfer, der nicht schläft. Wer hingegen sehr wohl schläft, ist der Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig, der als Einziger die Macht hätte, in der Bundespartei für Klarheit zu sorgen. Ludwig und stellvertretend die Stadt Wien bekommen nicht zufällig immer wieder etwas von der Volkspartei ab, er ist mit seiner gut geölten SPÖ-Maschinerie einer der wenigen ernstzunehmenden Gegner, die Sebastian Kurz – neben sich selber – noch hat. Über kurz oder lang wird Ludwig daher handeln müssen, auch wenn das Rathausleben so beschaulich sein kann. Kürzlich war der Bürgermeister am Set für die Dreharbeiten zu SOKO Donau und hat sich sichtlich gefreut, dass er vielleicht auch einmal mitspielen darf. Man habe ihm eine Rolle als Leiche in Aussicht gestellt, so Ludwig. Das wäre dann so richtig perspektivny für die Sozialdemokratie, wenn sie sich nicht bald etwas einfallen lässt.