Der Fischaufstieg
Es ist ein symptomatisches Bild, das die Gastronomieministerin auf Instagram gepostet hat: Elisabeth Köstinger mit Plastikkübel auf einem Stein in einem Bach stehend, der offensichtlich zum Zwecke des Hochwasserschutzes verbaut worden ist. Halb Social Media stürzt sich auf die ÖVP-Ministerin und Kanzler-Vertraute, ihr unterschwellig unterstellend, dass sie Naturkatastrophen für plumpes Polit-Marketing missbrauche. Dabei hat Köstinger nur eine Fischaufstiegshilfe in Kötschach-Mauthen eingeweiht. Es ist wie beim Steinzeit-Sager und dem Kirche-gegen-Justiz-Ausspielen: Viel wichtigere Aufstiegshilfen werden vernebelt.
Im Berichtsentwurf von Wolfgang Pöschl, dem Verfahrensrichter im Ibiza-Untersuchungsausschuss, werden einige solche Aufstiegshilfen unfassbar konkret angesprochen. Zum Beispiel die Art und Weise, wie der FPÖ-Mann Peter Sidlo in den Casinos-Vorstand gehievt worden ist und wie sich der ÖVP-Mann Thomas Schmid quasi selbst – unter wohlwollendem Kriegst-eh-alles-was-du-willst-Zutun der maßgeblichen Leute in der Kanzlerpartei – zum Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG gemacht hat. Der Verfahrensrichter schreibt: Es hat sehr wahrscheinlich einen Hintergrunddeal gegeben. Eine Verschränkung der schwarz-blauen Bestellungen habe man zwar nicht feststellen können. Die Untersuchung habe aber doch eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen Deal in Zusammenhang mit den Vorstandbestellungen ergeben. Jemand ist also mit dem Kübel bereitgestanden, weil die Fische müssen ja hinaufkommen.
Die hohe Wahrscheinlichkeit für einen Deal
Lange sind sie nicht oben geblieben. Sowohl Schmid als auch Sidlo haben ihre Jobs unter dem Druck der Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und der Arbeit des U-Ausschusses aufgeben müssen. Ein kleinerer und ein größerer Fisch, der größere das war Thomas Schmid, der laut Berichtsentwurf – also quasi amtlich – als Generalsekretär des Finanzministeriums Formulierungen für die Ausschreibung des ÖBAG-Chefpostens veranlasst hat, die seine Bewerbung begünstigten und andere Bewerber, insbesondere solche aus der Privatwirtschaft, weitestgehend ausschlossen. Es wird nicht das erste Mal gewesen sein, dass so etwas passiert ist. Aber nie war die Vorgangsweise so dümmlich dreist, und deshalb ist sie jetzt auch so gut dokumentiert.
Wenn eine Strache-Affäre eine der ÖVP wird
Oder die Sache mit dem PRIKRAF – ein Fonds, der Sozialversicherungsgelder für Leistungen im Dienste von Kassenpatienten an Privatkliniken ausschüttet. Heinz-Christian Strache steht wegen Bestechlichkeit vor Gericht, weil er eine Gesetzesänderung betrieben und durchgesetzt hat, die einem Strache-Bekannten und Privatklinik-Betreiber helfen sollte. Der Mann hat auch an die FPÖ gespendet, ein Urteil in diesem ersten Ibiza-Korruptionsprozess wird für Ende August erwartet. Verfahrensrichter Pöschl hat in seinem Berichtsentwurf den Fokus in dieser Causa auf die ÖVP gelenkt. Die stellte damals mit Hartwig Löger einen Finanzminister, der unmittelbar davor UNIQA-Österreich-Chef war und als solcher Aufsichtsrats-Vorsitzender der Tochtergesellschaft Premiqamed. Das ist der größte Privatklinikbetreiber Österreichs, ihr Chef Julian Hadschieff die zentrale Figur in Sachen PRIKRAF – auch als zuständiger Funktionär in der Wirtschaftskammer.
Begünstigend auf ÖVP-Willensbildung einwirken
Das Fazit des Verfahrensrichters muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Nach den im Untersuchungsausschuss gewonnenen Erkenntnissen spricht viel dafür, dass einerseits die sachlich nicht begründbaren Aktivitäten Straches ein wesentliches Argument für die Gesetzwerdung waren und dass andererseits die genannte Spende der Premiqamed Group begünstigend auf die Willensbildung in der ÖVP einwirken sollte. Zweimal 25.000 Euro sind an die ÖVP gegangen, die zweite Tranche in zeitlicher Nähe zur Gesetzwerdung. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl: Naheliegenderes Spendenmotiv ist die erwartete Unterstützung durch die ÖVP in dem Bestreben der Premiqamed, durch Aufnahme der Privatklinik Währing in den Prikraf keine Verluste zu erleiden, sondern vielmehr aus einem vergrößerten Fondsvermögen höhere Leistungen zu erhalten. Mehr Fische im Teich, ein paar Kübel Wasser dazu, und alle können gut damit leben.
Das Kübeln und das Lächerlichmachen
Wie trüb das Wasser durch das ständige Kübeln ist, kann man längst mit freiem Auge erkennen. Die betroffene Regierungspartei ÖVP hat den Ibiza-Untersuchungsausschuss – wohl der wichtigste, den das Parlament je eingesetzt hat – über die Grenze des Erträglichen hinaus zu diskreditieren versucht. Da und dort ist die Lächerlichmachung auf fruchtbaren Boden gefallen. Alles nur Hickhack, Österreich ist doch kein korruptes Land, das ist doch immer schon so gelaufen. Ist es nicht. Nie wurde die Regierungspolitik dermaßen auf Marketing abgestellt, das strukturell und finanziell großzügig unterfüttert ist. Nie wurde die Regierungspolitik so von Consultern geprägt und von Umfragen getrieben. Nie wurde die Gewaltenteilung so in Frage gestellt, nach dem Parlamentarismus kommt die Gerichtsbarkeit dran. Die vom ÖVP-Parteianwalt beantragte und per Weisung der grünen Justizministerin durchgesetzte richterliche Einvernahme des Bundeskanzlers in dessen Falschaussage-Causa muss, wie man so liest, nicht des Ende gewesen sein.
Die ausgeprägte Hybris und der Küniglberg
Und nie war der Führungszirkel der Republik so eng wie heute. Sebastian Kurz regiert mit einer Handvoll Vertrauter, altgediente Schwarze wie Ex-Wirtschaftsminister Johannes Ditz bescheinigen dem Kanzler und seinem Umfeld eine ausgeprägte Hybris, Ditz sagt: Macht löst bei jungen Politikern ein Faszinosum aus, da neigt man zu Überheblichkeit. Einer aus dem Umfeld ist der Medienbeauftragte Gerald Fleischmann, und der ist seit der Posten-Debatte um Thomas Schmid bemüht, so zu tun, als hätte er mit der Bestellung des ORF-Generaldirektors am 10. August genau nichts zu tun. Zufällig war er Anfang Juli bei einer Sitzung des ÖVP-Freundeskreises, der die Mehrheit im ORF-Stiftungsrat hat und den Generaldirektor im Alleingang bestellen kann. Der Standard schrieb damals: Dabei war der Medienbeauftragte von Kanzler Sebastian Kurz, Gerald Fleischmann. Und wie bei vielen Sitzungen zuvor Roland Weißmann, Vizefinanzdirektor des ORF.
Wenn der türkise Elefant im Sitzungsraum steht
Weißmann ist heute einer der Bewerber für den ORF-Chefposten, und er gilt so entschieden als Favorit, dass kundige Beobachter wie Peter Plaikner und Fritz Hausjell die Stiftungsräte des ORF an ihre quasi aktienrechtliche Verantwortung erinnern – sie haften dafür, wen sie zum Generaldirektor bestellen. Der Kandidat Weißmann wiederum hat anders als die anderen ernsthaften BewerberInnen Lisa Totzauer und Alexander Wrabetz in seinen Antrittsinterviews – etwa hier – geglaubt, betonen zu müssen: Ich hatte, habe und werde nie ein Parteibuch haben. Wer in Freundeskreis-Sitzungen wohlgelitten ist, der kommt auch ohne zurecht, wird ihm entgegengehalten. Und dass der türkise Elefant nach so einer Klarstellung erst recht im Raum steht, ist logisch. Weißmann hat in einem Anfang Juli erschienenen Artikel in der Tiroler Tageszeitung von einer anonymen, aber offenbar bestens informierten Quelle das Label Thomas Schmid des ORF verpasst bekommen. Das war böse, siehe oben.
Das große Rad und dem Orbán sein Plattenbau
Die Aufstiegshilfe für den Küniglberg wurde trotzdem vorbereitet. Die ÖVP-Stiftungsräte sollen mit ihren Kübeln bereitstehen, um einem dicken Fisch hinaufzuhelfen – ein Bild, das die seltsame und nicht zweckdienliche Praxis der offenen Abstimmung bei der Bestellung des ORF-Chefs eigentlich gut beschreibt. Für die Kanzlerpartei geht es um nicht mehr und nicht weniger als um den nächsten Schritt der Aufweichung der Gewaltenteilung, es geht um die vierte Macht und den Versuch, hier an einem großen Rad zu drehen – das der ORF nun einmal ist. Es wie der Orbán machen, das ist einfach zu verlockend. Peter Pilz schreibt über die Parallelen zu Ungarn: Das Haus Österreich lässt sich nicht so einfach umbauen wie der postsozialistische Plattenbau im Osten. Im Gegensatz zu Orbán kann Kurz noch scheitern. Die diagnostizierte Hybris könnte der Erkenntnis im Weg stehen.
4 Gedanken zu „Der Fischaufstieg“
geschätzter herr kappacher,
lese ja ihren blog seit jahren und bin immer wieder begeistert! danke für ihre arbeit.
kleine kritik: das schriftbild – zumindest im web und auf mac/safari – ist extrem schlecht zu lesen. am handy finde ich alles wunderbar.
schicke gern einen screenshot, wenn sie mir sagen wohin.
lg gert lanser
Ja bitte.
stefan.kappacher@orf.at
Dem muss ich leider zustimmen. Ich finde es allerdings auch am Smartphone verbesserungsbedürftig😊 – wirkt wie ein Light-Schriftschnitt… könnte ruhig um 1 Stärke mehr sein.
Dem kann ich nur zustimmen. Ich finde allerdings auch am Smartphone könnte man bei Schriftschnitt (1 Stärke mehr, wirkt aktuell wie ein Light Schnitt) und Schriftgröße (+1 o 2px) optimieren…