Jenseits von Fellner
Inseratenkorruption ist ein böses Wort. Das hat in Österreich lange niemand aussprechen wollen, obwohl jeder gewusst hat, dass es das gibt. Rede bei der Verleihung des Leopold-Ungar-Preises der Caritas über Politik und Medien, Fellnerismus und das System jenseits von Fellner.
Wir haben uns im Ö1-Medienmagazin #doublecheck im August einmal mehr damit befasst, und ich kann mich an ein Telefonat mit Gerald Fleischmann erinnern, dem ehemaligen Medienbeauftragten des ehemaligen Kanzlers Sebastian Kurz. Inseratenkorruption war ein Reizwort für Fleischmann. Das war ihm gar nicht recht, wenn man das ausgesprochen hat. Als hätte er geahnt, dass er wenige Monate später darüber stolpern wird. So wie Kurz und zwei Meinungsforscherinnen und zwei Verlegerbrüder, die ein anderes böses Wort von gleicher Bedeutung provoziert haben. Fellnerismus. Ob die Gestolperten auch über das Strafrecht stolpern – es geht um die Vorwürfe der Untreue, der Bestechlichkeit und der Bestechung – werden die Gerichte entscheiden. Da gilt die Unschuldsvermutung. Politisch sind die Würfel gefallen. Medienkorruption geht gar nicht.
Die Wirkung der emotionalen Korruption
Da sind sich übrigens alle Leitartikler einig, auch jene, die in den vergangenen Jahren das System Kurz oft leidenschaftlich verteidigt haben. Da können sich ja die Wenigsten heute noch erinnern. Die FPÖ, die Kurz zuerst in seine Regierung geholt hat, die hat man kritisiert. Aber der junge Kanzler, der hatte Talent und Potenzial. Dass er auch die Message Control hatte und die Medien an die Kandare nehmen wollte und nahm, das hat man hingenommen. Die meisten Medien-Leute waren mit Kurz per Du. Emotionale Korruption nennt Anneliese Rohrer das und sie hat recht. Zu große Nähe macht blind.
Wenn jetzt alle mit dem Finger auf die Fellners zeigen, dann ist das scheinheilig. Das hat Florian Skrabal von der Recherche-Plattform Dossier gesagt, und wenn einer das sagen darf, dann er. Dossier ist seit Jahren am Thema Inseratenkorruption dran, sie haben eine schon legendäre Recherche mit dem Titel Wer hat Angst vor Wolfgang F. gemacht und haben darin Fellners Methoden geoutet. Geklagt hat er sie dafür nie. Er weiß, dass es genug Leute im Land gibt, die seine Methoden kennen. Und trotzdem machen sie alle weiter mit. Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft können und müssen eine Zäsur sein.Es darf nicht dazu kommen, dass alle mit dem Finger auf Wolfgang Fellner zeigen und sonst so weitermachen wie bisher. Den Eindruck muss man bisher leider gewinnen. Es sollten alle auch vor ihrer eigenen Tür kehren.
Die Verflechtungen des Ländle-Monopolisten
Zum Beispiel in dem kleinen Land, von Wien aus gesehen hinter dem Arlberg, wo der Verleger Eugen Russ ein Medienmonopol unglaublichen Ausmaßes aufgebaut hat. Dort gibt es nicht nur das Flaggschiff VN und zur Marktabdeckung das Beiboot Neue Vorarlberger Tageszeitung – für die Russ auch noch ordentlich Presseförderung bekommt. Dort gibt es auch eine Online-Werbeagentur, die für die übermächtige Landes-ÖVP Wahlkampf gemacht hat und an der Russmedia beteiligt ist. Und dort gibt es auch die Kommunikations-Beratungsfirma Media Team, die das lukrative Anzeigengeschäft für Zeitschriften der Vorarlberger Wirtschaftskammer, der Landeslandwirtschaftskammer und der Landes-Jägerschaft abwickelt.
An der Firma halten der Geschäftsführer des ÖVP-Wirtschaftsbundes knapp 50 Prozent und die Russmedia Verlags GesmbH 40 Prozent, die wirtschaftlich Begünstigten sind laut Firmenbuch der ÖVP-Mann Jürgen Kessler und die Familie Russ sowie die Vorstände der Russ-Privatstiftung. Ich erzähle das, weil es für das System jenseits von Fellner symptomatisch ist. Fragwürdige Konstruktionen, medienethisch unvereinbar. Wenn man Stellungnahmen einholen will, sind alle auf Tauchstation.
Auch Regionalblätter naschen am Kuchen mit
Vorarlberg ist klein, aber man sieht dort wie durch ein Brennglas, wie die Verhältnisse in Österreich sind. Es ist eben nicht nur der Wiener Boulevard, der mit Inseratengeldern gemästet wird und das auf seine jeweilige Art auch einfordert – die Fellners so und die Dichands so, und gegenseitig können sie sich nicht riechen, weil jeder findet, der andere habe das größere Stück vom Kuchen. Nein, es sind auch die regionalen Monopolisten. Ob es die TT in Tirol ist, die SN in Salzburg, die Kleine Zeitung in Steiermark und Kärnten oder die schlicht Nachrichten genannten OÖN in Oberösterreich. Alle kriegen ihr Stück vom Kuchen. Und nein, das ist kein Generalverdacht, sondern eine Aufforderung zur Selbstreflexion.
Den Oberösterreichischen Nachrichten hat der Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer einmal ein Interview gegeben, aus dem der NEWS-Journalist Andreas Wetz in seinem neuen Buch Näher als erlaubt. Wie sich die Politik mit Steuergeld Medien kauft zitiert: Wir haben das Problem der Parteispenden generell nicht. Wer uns unterstützen will, kann im Volksblatt inserieren, hat Pühringer gesagt. Gemeint war das Oberösterreichische Volksblatt, die letzte klassische Parteizeitung, sie gehört der Landes-ÖVP und sie gehört auch zu dem System jenseits von Fellner, bedacht mit üppiger Presseförderung und gedacht offenbar auch als Hafen für verdeckte Parteispenden.
Die Stadt Wien will Lobautunnel frei-schalten
Das Buch von Wetz sollte übrigens jeder in der Medienbranche gelesen haben, große Empfehlung. Der Autor zeichnet die Geldflüsse von der Politik zu den Medien haarklein nach. Seit 2012 – seit damals gibt es die Medien-Transparenz-Datenbank – waren es rund 200 Millionen von der Bundesregierung und knapp 300 Millionen von den Landesregierungen, davon allein 205 Millionen von der Stadt Wien. Die inseriert gerade wieder sehr fleißig, um den Lobautunnel zu retten – auch im linken Falter, der genau diese Inserate im Blatt auch kritisch thematisiert hat. Aber vornehmlich wird in den Boulevardblättern geschaltet, von denen man sich aus Erfahrung eine unterstützende Berichterstattung erhoffen darf und wohl auch bekommen wird.
Ganz nach dem Motto von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, der im ÖVP-Niederösterreich-Modus bei Wolfgang Fellner im Fernsehstudio gesessen ist und gesagt hat: Sie kennen des Gschäft, fürs Inserat gibt’s a Gegengeschäft. – Natürlich hat Fellner geantwortet. Und Sobotka hat das bekräftigt: Natürlich. Das ist eine fast ikonische Interview-Passage. In Niederösterreich machen sie das so, das profil und #doublecheck haben darüber berichtet. Die im Land dominierenden Gratis-Bezirksblätter pflegen enge Verflechtungen mit Teilen der im Land dominierenden ÖVP, Berichterstattung wird mit der Partei abgestimmt, die Partei inseriert. Kein Wunder, dass der Waldviertler Sebastian Kurz das Credo von Sobotka übernommen und auf eine entsprechende Frage von Martin Thür in der ZIB2 gesagt hat: Ich hoffe sehr, dass es eine Gegenleistung gegeben hat, nämlich Berichterstattung und ein Inserat.
Die Lage ist ernst und ein wenig hoffungslos
Zurück zu Wien, wo besonders viel Geld für Inserate und gewogene Berichterstattung ausgegeben wird, wie das Ex-Kanzler Christian Kern von der SPÖ ausgedrückt hat, der die Inseratenkorruption zwar auch nicht abstellen konnte, sie heute aber immerhin als Erbsünde der SPÖ bezeichnet. Werner Faymann, acht Jahre lang Kanzler der Republik und SPÖ-Chef, gilt als ihr Erfinder. David Ellensohn, Klubobmann der Grünen und zehn Jahre Koalitionspartner der Wiener SPÖ mit ihrem Propaganda-Apparat, hat beschrieben, wie die Sozialdemokraten in der Frage ticken: Es wurde uns immer nahegelegt, selber auch zu inserieren. Nach dem Motto: steckt’s ein paar Millionen rein, dann habt’s eine Ruh‘, steckt’s nichts rein, dann werdet’s schon sehen, was ihr davon habt. Die Stadt Wien war schon bei 30 Millionen Euro Inseratenbudget im Jahr und gibt immer noch deutlich über 20 Millionen für Schaltungen aus.
Das ist die Lage und sie ist ernst. Leider auch ein bisschen hoffnungslos.
Der Nachfolger des Medienbeauftragten des Kanzlers, der jetzt nur noch als Leiter der Stabsstelle Medien im Kanzleramt firmiert, sieht trotz der Wucht der Chats, die dokumentiert sind, keinen Anlass, die medienpolitischen Prioritäten neu zu setzen. Man werde das Regierungsprogramm abarbeiten, heißt es. Und auch Kanzler Alexander Schallenberg hat als Medienminister bisher kein Wort darüber verloren, wie man allenfalls medienpolitisch auf das offensichtlich gewordene Ungeheuerliche reagieren könnte.
Politik und Medien im alten Muster gefangen
Zu sehr sind Politik und Medien in dem eingebrannten Muster gefangen – Politik füttert Medien, fütternde Hand wird nicht gebissen. Das beste Beispiel dafür ist die Corona-Sonderförderung für Zeitungen, die im Pandemiejahr 2020 ausgeschüttet worden ist. Geld hat bekanntlich keine Rolle gespielt, und der Kampf um die Verteilung der Mittel ist öffentlich ausgetragen worden. Was den einen ein Medien-Rettungsgesetz war, erschien den anderen als Boulevard-Belohnungsgesetz. Am Ende haben alle etwas bekommen. – In Deutschland hat man ebenfalls eine Sonderförderung für Verlage wegen Corona angedacht, 220 Millionen Euro schwer hätte die sein sollen. Der Plan ist fallengelassen worden – nicht zuletzt wegen der Diskussion, ob das mit der notwendigen journalistischen Distanz zum Staat vereinbar sei. Diese Diskussion haben die Medien geführt.
In Österreich ist es dann noch einmal anders gelaufen: Es wurde ein großzügiger Rahmen für Regierungsinserate ausgeschrieben und vergeben, der sich auf 210 Millionen Euro bis 2024 beläuft. Das heißt, die Corona-Krisenförderung wird einfach vier Jahre fortgeschrieben. Macht nach Adam Riese, wie NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter in dem Zusammenhang gern vorrechnet, ein Inseratenbudget von einer Million Euro pro Woche! Bei all diesen Überlegungen zur Medienfinanzierung nach altem Brauch geht gestalterisch kaum etwas weiter.
ORF-Digitalnovelle als Sinnbild für Stillstand
Die sogenannte Digitalnovelle zum ORF-Gesetz wird seit Jahren verschleppt, obwohl diese Novelle entscheidend ist, um den ORF für die Zukunft stark aufzustellen. Die berüchtigte Sieben-Tage-Frist für Abrufe in der TVthek und der Radiothek ist sinnbildlich für eine komplett aus der Zeit gefallene Regelung. Der ORF braucht online mehr Spielraum, um sich digital breit aufstellen und auch die Privaten mitnehmen zu können, was ja das erklärte Anliegen der Politik ist. Der scheidende ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat vor diesem Hintergrund seinen mittlerweile designierten Nachfolger Roland Weißmann im Vorjahr zum Projektmanager für den ORF-Player gemacht. Der Player ist der Schlüssel für die Transformation des ORF vom Broadcaster zur digitalen Plattform. Wrabetz hoffte, wie er im Sommer offen erzählt hat, dass der in der ÖVP gut vernetzte Weißmann seine Kontakte nützen würde und so beim Gesetz endlich was weitergehe. Medienpolitik via Freundeskreis sozusagen.
Medienpolitik für Demokratie statt Klientel
Der ORF-Chef hat das übrigens in einem Interview mit oe24.TV gesagt, das ist der Fernsehsender von Wolfgang Fellner, der immer besonders viele Wünsche erfüllt bekommen will, wenn es um Zugeständnisse an den ORF geht. Denn das ist kein medienpolitischer Diskurs, der da läuft. Das ist ein Konkurrenz-Diskurs der verschiedenen Player, den sich die Politik diktieren lässt. Und zwar nicht nur von Fellner, sondern auch von den anderen Verlegern und Fernsehmachern. Ob es um die erfolgreiche Blaue Seite – also ORF.at – geht, die den Zeitungen ein Dorn im Auge ist, oder um ORF-Werbezeiten, deren Kürzung, die manche sich wünschen würden, lediglich zum Abfluss von Erlösen an Medienkonzerne im Ausland führen würde, wie Studien belegen.
Wie kann man da gegensteuern, hab ich den Medienwissenschafter Fritz Hausjell gefragt. Und der hat eine klare Antwort. Ich zitiere: Man muss sich einfach von dem Gedanken lösen, dass Medienförderungs-Politik Klientelpolitik ist, und sehen, dass das ganz wesentlich Demokratiepolitik ist. Und das Anspruchsdenken, das hier entstanden ist, vor allem auch durch diese Inseratenpolitik, da muss ein klarer Schlussstrich gezogen werden. Wann, wenn nicht jetzt, möchte ich zu diesem Schlusswort noch hinzufügen. Ansonsten hat Fritz Hausjell damit alles gesagt.