Es ist einmal genug
Während die ÖVP sich neuerdings auch in politischen Talk-Sendungen vom Parteianwalt vertreten lässt und nicht nur vor Gericht, macht sich ein schwarzer Landeshauptmann nach dem anderen aus dem Staub. Der Steirer Hermann Schützenhöfer hat endlich an seinen Kronprinzen übergeben, und Günther Platter in Tirol hat ebenfalls befunden: Es ist einmal genug, und deshalb kandidiere ich nicht mehr bei der kommenden Landtagswahl. Der Vorarlberger Markus Wallner, dem das Wasser bis zum Hals steht, versucht den Blick krampfhaft nach vorne zu richten. Gäbe es am Bodensee eine toughe Opposition, dann würden längst die Wellen über Wallner zusammenschlagen. Eine Partei rinnt aus.
Man vergisst ja so leicht: Alle drei genannten Landeshauptleute haben ihre letzten Wahlen dank dem mittlerweile in die Welt eines libertären Tech-Investors abgetauchten Sebastian Kurz zum Teil überragend gewonnen. Plus zwei Prozentpunkte für Wallner, plus fünf für Platter – und Schützenhöfer, der konnte mehr als sieben Prozentpunkte zulegen. Euphorische Bilder von den Wahlabenden zeugen noch davon. Die Landeschefs haben im Gegenzug das System Kurz gestützt, und ihre eigenen Systeme – sei es Vorarlberg, sei es Niederösterreich – weiterlaufen lassen wie eh und je. Dann ist die WKStA gekommen, jetzt auch noch der Rechnungshof – und die Volkspartei ist zur Kenntlichkeit entstellt.
Machtverliebte Wendehälse machen Abgang
Hermann Schützenhöfer war der, der gesagt hat: Wir lassen uns diesen Bundeskanzler nicht herausschießen. Er hat natürlich den Stimmenbringer Kurz gemeint und die grauslichen Chats, die hat er dem Umfeld des Parteiobmanns umgehängt. Dann im Oktober des Vorjahres die Hausdurchsuchung im Kanzleramt und in der ÖVP-Parteizentrale, die WKStA hatte ein schier unglaubliches Konstrukt von Medienkorruption entdeckt und dokumentiert. Ein Günther Platter hat sich selbst da noch mit Kurz solidarisch erklärt – wobei er nach eigenen Angaben die 104 Seiten Durchsuchungsanordnung mit den schwerwiegenden Vorwürfen gar nicht gelesen hatte. Erst als die Grünen mit einer parlamentarischen Aufklärungsallianz und einer Expertenregierung mit Backing des Bundespräsidenten Druck machten, wendeten die Landeshauptleute ihre Hälse. Macht, Einfluss und Posten standen auf dem Spiel.
Der vom fetten Inseratenkuchen gekostet hat
Der Vorarlberger Markus Wallner war einer der Ersten, die abgerückt sind. Er hat auf eine entsprechende Frage nicht einmal einen Parteiausschluss von Kurz ausschließen wollen und ist auf Distanz gegangen, weil wir ja mit allem eigentlich gar nichts zu tun haben. Einen Monat später hat das Ö1-Medienmagazin #doublecheck dann die Inseratenkorruptions-Affäre im Vorarlberger Wirtschaftsbund ins Rollen gebracht. Die Finanz hat diese Berichterstattung zum Anlass für eine Steuerprüfung genommen, die brachte Millioneneinnahmen aus Inseraten ans Licht, die von der Vorarlberger Wirtschaftselite bezahlt und auch Kammerfunktionären quasi abgepresst worden sind. Ein Teil des Kuchens ging als nicht korrekt versteuerte Zuwendung des Wirtschaftsbunds an die Landespartei. Zur Steuersache sind Korruptionsermittlungen durch die WKStA auch gegen den Landeshauptmann dazugekommen. Der Verdacht: es könnte Gegenleistungen behördlicher Art für die Inserate gegeben haben. Warum hier nicht schon längst ein Untersuchungsausschuss des Landtags reinen Tisch macht, versteht niemand.
Der Rechnungshof zerlegt die Volkspartei
Zumal auch der Rechnungshof in seinen Anmerkungen zum Rechenschaftsbericht für das Jahr 2019 der Volkspartei auf die Inseratenaffäre in Vorarlberg Bezug nimmt. Er hat die Inserateneinnahmen des mittlerweile eingestellten Wirtschaftsbund-Blattes dem vergleichbaren Bregenzer Gemeindeblatt gegenübergestellt, hat erhebliche Unterschiede bei den Tarifen festgestellt und ist zum bemerkenswerten Schluss gekommen: Der Rechnungshof vertritt somit die Auffassung, die Differenz, nämlich rund 1,332.000 Euro, sei im Sinne des Parteiengesetzes als Spende zu qualifizieren. In diesem Betrag sind unzulässige Spenden von öffentlich-rechtlichen Körperschaften und von Unternehmungen mit mindestens 25 Prozent öffentlicher Beteiligung in der Höhe von rund 232.000 Euro enthalten. Der Rechnungshof zerlegt überdies die dreiste Umgehungskonstruktion über den parteinahen Innova-Verlag der ÖVP Niederösterreich für das Quasi-Parteiblatt Niederösterreich Zeitung.
Der Parteianwalt und seine Zivilgesellschaft
Beispiellos ist auch der Umstand, dass der Rechnungshof die Höhe der drei Jahre verspätet gemeldeten Wahlkampfkosten für die Nationalratswahl 2019 offiziell anzweifelt. Er beruft sich dabei unter anderem auf als authentisch eingestufte Unterlagen eines Whistleblowers: Die Dokumente lassen die Angaben, die Wahlkampfkosten-Obergrenze wurde eingehalten, zweifelhaft erscheinen. Erstmals wird der Rechnungshof einen Wirtschaftsprüfer nominieren, der noch einmal über die Kostenaufstellung der Partei geht. Und der Rechnungshof hat auch die hanebüchene Argumentation, dass die ÖVP-Teilorganisation Seniorenbund mit den parallelen Seniorenbund-Vereinen nichts zu tun habe, verworfen. Parteianwalt Werner Suppan ist im ORF-Talk Im Zentrum so weit gegangen zu sagen, dass zivilgesellschaftliches Engagement erschwert werde, wenn man solche Zweifel ins Treffen führe. Als ob eine Parteiorganisation wie der Seniorenbund völlig selbstlos agieren würde und nicht die Bindung der Mitglieder an die ÖVP oder die Werbung neuer Mitglieder für die ÖVP zum Ziel hätte.
Die Opferrolle, die ihnen nicht mehr steht
Vor diesem Hintergrund ist ein Zitat des bald neuen steirischen Landeshauptmanns Christopher Drexler interessant. Gefallen in einem Doppelinterview mit seinem Mentor Schützenhöfer in der Kleinen Zeitung. Drexler sagte: Den politischen Mitbewerbern ist es gelungen, der ÖVP einen Korruptionsverdacht und irgendwas Unanständiges umzuhängen. Die allererste Aufgabe ist, diese Zuschreibung zu dekonstruieren und als unredlich zu entlarven. Von Einsicht in die Kenntlichkeit des beklagenswerten Zustands der Kanzlerpartei keine Rede. Wer sich von den Nachrückern in der Riege der ÖVP-Landeschefs einen Impuls in dem Sinn erhofft hat, dass sich die Volkspartei einen Ruck geben, den Neuanfang wagen und mit dubiosen Vereins- und Inseratenkonstruktionen Schluss machen könnte – der wird von Drexler schon einmal enttäuscht. Doch die Opferrolle steht den Schwarzen spätestens seit der Bombe, die der Rechnungshof gezündet hat, überhaupt nicht mehr.
Der Spiegel sieht Nehammer auf Talfahrt
Und den Satz: Die ÖVP hat kein Korruptionsproblem – den glaubt ihnen niemand mehr. Ausgesprochen vom 100-Prozent-Parteichef Karl Nehammer, der abgetaucht ist und irgendwelchen außenpolitischen Initiativen frönt. Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel titelt aktuell: Österreichs Kanzler in der Abwärtsspirale. Und weiter: Gut einen Monat nach Nehammers Jubelparteitag ist die Lage der Kanzlerpartei desolater denn je. Es fehlt nicht der Verweis auf dubiose Geldflüsse parteinaher Organisationen und die Watschen des Rechnungshofs für die Partei für den Rechenschaftsbericht 2019.
Das Mauern zerstört die Partei & lähmt das Land
In diesem Jahr war Karl Nehammer Generalsekretär und Wahlkampfmanager der Partei und direkt für die Finanzgebarung zuständig. Er wird die Auftritte in dieser Sache nicht immer delegieren können, schon gar nicht an den Parteianwalt. Und Nehammer wird überdies die Auftritte entwerten, die er sich nicht nehmen lässt. Etwa die Präsentation des Anti-Teuerungs-Pakets am Dienstag in der Früh, das mit der Abschaffung der Kalten Progression für fast alle Steuerstufen auch einen großen Wurf enthalten soll. Nach drei Tagen redet keiner mehr drüber, weil die nächste ÖVP-Malaise auftaucht. Das Mauern zerstört die ÖVP und lähmt das Land. Wie hat Günther Platter so schön gesagt: Es ist einmal genug.
Ein Gedanke zu „Es ist einmal genug“
Hat nicht Platter im Frühjahr getönt, dass er wieder als aktiver bei der Wahl antritt? Aussagen von Politiker sind soviel wert, wie man einen Styroporball werfen kann – mit Gegenwind natürlich