Die Minus-Sieger
Ein Sieg mit einem Minus der Landeshauptmann-Partei ÖVP, wie Bundesparteiobmann Kanzler Karl Nehammer den Verlust von 7,4 Prozentpunkten bei der Salzburger Landtagswahl zu framen versucht hat, mündet in den nächsten schwarz-blauen Pakt. Die Freiheitlichen sollen nun zeigen, was sie können, so ÖVP-Landeschef Wilfried Haslauer, der mit der einstimmigen Entscheidung seines Parteipräsidiums den festspielstadt-haften Grandseigneur in den Schrank gestellt hat, aber als Landeshauptmann weitermacht. Es wird also wieder an den Taten gemessen wie in Niederösterreich und bei den Taliban.
Jetzt mal angenommen, es käme einer. Mal angenommen, da wäre plötzlich einer, der die Menschen begeistert und mit Hoffnung erfüllt. Einer, der sie mobilisiert, der sie organisiert und ihnen Schwung verleiht. Der eine große Bewegung hinter sich schart, ohne ideologischen Ballast, offen für alle, die an der Zukunft mitarbeiten wollen. Einer, der sie alle völlig unmöglich aussehen ließe, Karl Nehammer und Werner Kogler und Pamela Rendi-Wagner sowieso. So beginnt der Text von Maximilian Steinbeis über einen Volkskanzler, erschienen 2019 in Deutschland, inspiriert von den Ereignissen in Ungarn, Russland und Polen. Nur die Namen der politischen Akteure sind hier auf Österreich umgelegt. Der Text zeigt, wie die Demokratie vor aller Augen ins Autoritäre abgleiten kann. Die Bundeszentrale für Politische Bildung hat das auch als Theaterstück herausgebracht, das man hier sehen kann.
Ein Volkskanzler wider das System
So ein Volkskanzler will auch Herbert Kickl werden, wie er im Bierzelt auf dem Urfahraner Markt in Linz am 1. Mai zum Besten gegeben hat – weil der Volkskanzler im Unterschied steht zu den Kanzlern des Systems, die uns bisher immer regiert haben. Ein Volkskanzler, das ist nicht einer, der nach oben buckelt in Richtung der Europäischen Union, in Richtung der NATO, in Richtung der Weltgesundheitsorganisation und was weiß ich wohin und dann nach unten tritt. Zur eigenen Bevölkerung, die das alles ausbaden muss. Nein, ein Volkskanzler macht es genau umgekehrt. Nach unten zur Bevölkerung wird gedient und nach oben hin zu denen, die es nicht gut meinen mit euch, dorthin wird getreten. Und im Urfahraner Bierzelt, da wird laut Manfred Haimbuchner die Wahrheit gesprochen am 1. Mai.
Die Pushbacks & Artikel 1 der Verfassung
Der oberösterreichische FPÖ-Chef und Landeshauptmann-Stellvertreter in der bereits in zweiter Auflage regierenden Koalition mit der ÖVP hat ins Bierzelt gedonnert: Wir erwarten uns eine Grenzpolitik, wie das in Ungarn gemacht wird und wie sie in Kroatien gemacht wird. Wir diskutieren über Pushbacks der Kroaten, liebe Freunde. Den Ungarn und Kroaten müsste man den höchsten Orden verleihen, den es in der Republik Österreich gibt, weil die verteidigen noch ihre Heimat. Man gewinnt eine Ahnung, was die FPÖ unter wehrhafter Republik versteht, die sie am liebsten in Artikel 1 der Bundesverfassung verankert sehen möchte. Und wer meint, Manfred Haimbuchner sei gemäßigter als Kickl und erfülle nur auf dem Jahrmarkt seine Pflicht, möge in der Presse nachlesen, wo er in gemessener Sprache dasselbe fordert: Ich bin ein Anhänger von Pushbacks. (…) Ich will keinen einzigen Asylwerber mehr in Österreich in den nächsten Jahren sehen.
Der ewige blaue Traum von Orbánistan
Auch der präsumtive Volkskanzler Kickl will es wie Viktor Orbán machen und eine Festung bauen. Aber vorher noch schnell erledigen, was beim letzten Mal unter Vorgänger Strache nicht gelungen ist, und den ORF zerschlagen. Erst sperren wir die Asylantenheime zu, dann machen wir den Wahnsinn mit der Haushaltsabgabe rückgängig. Damals, als das Ibiza-Video noch im Dunkeln lag und Strache von Orbánistan träumen konnte, hielt der Schriftsteller Michael Köhlmeier eine eindrucksvolle Rede im Parlament, er hielt der versammelten FPÖ-Prominenz und mit ihr deren Koalitionspartner ÖVP den Spiegel vor. Die Schlüsselpassage lautete: Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem großen Schritt, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung. Erst wird gesagt, dann wird getan. Dreieinhalb locker beschriebene Seiten, an Dichte kaum zu überbieten.
Die Botschaft von Michael Köhlmeier
Köhlmeiers Botschaft ist unverändert aktuell. Nichts von dem, was er aufgezählt hat, wurde je zurückgenommen. Hass und Hetze sind immer wieder ein Thema, dennoch werden bald drei von neun Bundesländern Regierungen mit FPÖ-Beteiligung haben. Die FPÖ soll zeigen, dass es über den Weg der Länder funktioniert. Die Partei muss Erfahrung sammeln und Leute ausbilden, sagt Manfred Haimbuchner im Presse-Interview. Sein Ziel ist nicht mehr und nicht weniger als die konservative Revolution, wie er es genannt hat. Andere nennen es Metapolitik oder schlicht Hegemonie. Die ÖVP geht gerade wieder ein Stück dieses Weges mit den Freiheitlichen. Es ist in Wirklichkeit ein schmaler Pfad, der entlang scheinbar geschlossener Fluchtrouten durch den Gestank der Abgase aus dem grünen Verbrenner führt.
Blau-Schwarz irgendwo am Horizont
Dass am Ende des Weges ein Volkskanzler von der Volkspartei Gnaden stehen könnte, will in deren Reihen eher niemand wahrhaben. Aber wer hat schon mit der Unterwerfung der Johanna Mikl-Leitner und der Demaskierung des Wilfried Haslauer gerechnet. In beiden Fällen haben die Sozialdemokraten ihren Beitrag geleistet. Im Falle Niederösterreichs, weil sie die Allmachts-Realität der dortigen ÖVP sträflich unterschätzt haben. Nicht reizen, nicht füttern, nicht in den Käfig gehen (wie der frühere ORF-Generalintendant Gerhard Weis in anderem Zusammenhang gesagt hat). In Salzburg, weil die Landes-SPÖ sich geradezu dilettantisch von Haslauer ausspielen hat lassen. Der ÖVP-Obmann brachte völlig überraschend eine schwarz-rot-grüne Kenia-Koalition ins Spiel, um die SPÖ dann mit einer schwarz-blau-roten Allianz für Salzburg auszuknocken. Durchaus hilfreich waren dabei erratischen Ansagen von Landesparteichef David Egger im Wahlkampf.
Die erratische SPÖ als ideales Opfer
Egger hatte – als bekennender Unterstützer von Hans Peter Doskozil im SPÖ-internen Hauen und Stechen um den Parteivorsitz – eine Koalition mit der FPÖ in Salzburg nicht ausgeschlossen. Hat ja auch im Burgenland über Jahre gut funktioniert. Selbst diese Achse wird jetzt zur Rechtfertigung der schwarz-blauen Wende an der Salzach verwendet. Die Sozialdemokratie ist auch bundespolitisch in einem Findungsprozess, von dem man nicht weiß, wie er ausgeht. (…) Wir brauchen Stabilität und wir glauben, dass das in der momentanen Konstellation nur mit der FPÖ erreichbar ist. So spricht der ÖVP-Landeshauptmann, der geradezu blau-äugig hinzufügt: Meine Vorbehalte gegen Herrn Kickl bleiben aufrecht, ich lehne diese Art von Tonalität und diese Art von Politik ab. Zur Erinnerung: Haslauers künftige Koalitionspartnerin war eine der Ersten, die Kickl als FPÖ-Parteichef offensiv unterstützten, nachdem der Norbert Hofer demontiert hatte.
Die reale Gefahr hinter dem als ob
Michael Köhlmeier hat beim Holocaust-Gedenken 2018 im Parlament am Ende seiner Rede gesagt, ihm wäre es lieber gewesen, man hätte ihn nicht gefragt, ob er die Rede halten will. Er wusste, dass er mit seinen Aussagen anecken würde. Wie leicht wäre es, all die Standards von “Nie Wieder!” bis zu “Nie Vergessen!” – diese zu Phrasen geronnenen Betroffenheiten – aneinanderzuhängen, wie es für Schulaufsätze vielleicht empfohlen wird, um eine gute Note zu bekommen. Aber dazu müsste man so tun als ob. Das kann ich nicht und will ich auch nicht.
In der Politik tun gerade wieder alle so als ob. Lauter Minus-Sieger. Die ÖVP tut so, als ob sie nach 37 Jahren in der Regierung und x Korruptionsaffären weiter an der Macht bleiben könnte als wäre nichts gewesen. Die FPÖ tut so, als ob sie tatsächlich mit Regierungsverantwortung umgehen könnte. Und die SPÖ tut so, als ob ihr Führungschaos ein reinigendes Gewitter wäre (wobei man nicht sicher sein kann, dass das irgendwer in der Partei auch glaubt). Es ist eine gefährliche Konstellation, in der das Abgleiten der Demokratie zur realen Gefahr wird.
7 Gedanken zu „Die Minus-Sieger“
Komisch: die Wirtschaft holt Auslaender und die Politik wird dafuer bestraft.
WIe hat so schön wer treffend gesagt: Die FPÖ wurde demokratisch gewählt ist aber NICHT demokratisch. … und 20 -30 Prozent der österr. Wähler ist nicht die Mehrheit, wie uns so oft die FPÖ weiss machen will – in den Medien incl. ORF.
Wie hat so schön wer treffend gesagt: Die FPÖ wurde demokratisch gewählt ist aber NICHT demokratisch. … und 20 -30 Prozent der österr. Wähler ist nicht die Mehrheit, wie uns so oft die FPÖ weiss machen will – in den Medien incl. ORF.
Wieso darf die FPOe dann bei Wahlen antreten, wenn sie nicht demokratisch ist?
An den Mobbing…. :Wie sagte so schön Kreisky: Lernen Sie Geschichte und hören Sie denen zu, Menschenrechte? .. mehr Kommentar nicht notwendig
Das haben Sie ja in Ihrem 1. Post festgestellt – und ich kenne die Geschichte. Wozu haben wir Wahlbehoerden, Parteien …?
FPOe-NOe Landbauer sprach: “Wer Wind saet, wird Sturm ernten”: das ist eine Drohung. Konsequenzen?