Die Mundtoten
An der Rezeption der “SK Management GesmbH” in einem eleganten Gründerzeithaus an der Wiener Ringstraße brummt die Espresso-Maschine. So steigt Conny Bischofberger, die Star-Interviewerin der Kronenzeitung, in ihr dreiseitiges Exklusiv-Gespräch mit dem früheren ÖVP-Obmann und Bundeskanzler ein. Der ist am Vortag wegen falscher Zeugenaussage in einem von drei Anklagepunkten schuldig gesprochen worden. Acht Monate bedingt, er wird berufen. Die Krone hat am Sonntag immer noch 2,2 Millionen Leserinnen und Leser, das sind knapp 30 Prozent der Österreicher. Auf Seite 1 prangt als Schlagzeile ein Zitat des politisch Untoten: Ich lasse mich nicht mundtot machen.
Dort am Wiener Schubertring, wo beim Eintreffen der Krone die Espresso-Maschine brummt, haben sich der Ex-Politiker und seine letzten Getreuen ein Refugium eingerichtet. Dort werden Verteidigungsstrategien besprochen und bittere Niederlagen vor Gericht verdaut. Von dort aus wäre das mediale Feuerwerk gezündet worden, das man für den Fall eines umfassenden Freispruchs zweifellos professionell vorbereitet hatte. Am Ende ist auch Litigation-PR nichts anderes als Message Control. So muss es bei ein paar larmoyanten TV-Auftritten der Ex-Ministerin bleiben, die jenes untrennbar mit ihr verbundene Bonmot – es ist vorbei – immer noch nicht verinnerlicht zu haben scheint. Sie versuchen, den Spirit des Projekts Ballhausplatz am Lodern zu halten, und beten doch nur die Asche an.
Die Abrechnung mit einem Milieu
Der Schuldspruch, den der nach eigenen Angaben heute top-verdienende Geschäftsmann wegen seiner politischen Performance ausgefasst hat, trifft ein ganzes Milieu. Darauf hat Christoph Kotanko von den Oberösterreichischen Nachrichten auf ORF III hingewiesen und auf noch einen Punkt: Der Mann war in der Sachpolitik vollkommen erfolglos. Alle seine Leuchtturm-Projekte waren auf Sand gebaut. Das darf man nicht vergessen.
Wenn der Gründer jenes Senders, der sein politik-nahes Unterhaltungsprogramm seit Jahren mit politisch Untoten als Analytiker im Studio bestreitet, am Abend des Schuldspruchs trotz allem auf die Prognose drängt: Kommt er vielleicht noch vor der Europawahl in die Politik zurück? Weil jetzt erst recht? Wir wundern uns nicht. Auch dieser Mann lässt sich keinesfalls mundtot machen. Der Parodist Christoph Grissemann hat ihm längst ein Denkmal gesetzt.
Die Justizschelte des Dankbaren
Eine Auszeichnung, die sich für jenen ÖVP-Abgeordneten nicht ausgehen wird, der als Erster – und lange bevor der Richter mit seiner Urteilsbegründung fertig war – von einem politischen Schandurteil gesprochen hat. Das ist sein gutes Recht, wenn er das so einordnen will, es ist sogar verständlich. Immerhin verdankt er dem früheren ÖVP-Obmann seinen Sitz im Nationalrat, und in derlei Hinsicht war Dankbarkeit immer schon auch eine politische Kategorie. Wenn die Justizschelte allerdings mit alternativen Fakten, sprich Unwahrheiten unterlegt wird, sieht die Sache anders aus. Der Abgeordnete hat sich in seiner Rechtfertigung an seinem Erfinder orientiert und gepostet: Ich lasse mich nicht mundtot machen. Fast 200.000 Views – und er denkt nicht daran, irgendetwas zurückzunehmen.
Die offizielle ÖVP wiederum ist im Nachhall des Schuldspruchs mundfaul, man könnte sagen: freiwillig mundtot. Die einzige Stellungnahme ist von Generalsekretär Christian Stocker gekommen, er ließ eine kurze Aussendung verfassen und hielt fest: Es handelt sich um ein unerwartetes Urteil. Kein scharfes Wort in Richtung Justiz. Diese Entscheidung des Erstgerichts sei überraschend, müsse aber zur Kenntnis genommen werden, so Stocker. Diese Zurückhaltung ist angebracht, konnte aber angesichts der Erfahrungen mit der Volkspartei nicht vorausgesetzt werden. Die ÖVP ist, man muss immer wieder darauf hinweisen, als Partei Mitbeschuldigte in der Inseratenaffäre. Die Ermittlungen laufen noch, und sie sind angesichts des Schuldspruchs und der Beweiswürdigung durch den Richter nicht weniger brisant geworden. Ganz im Gegenteil.
Das Lamento der Heute-Verlegerin
Beschuldigte in der Inseratenaffäre sind auch Eva und Christoph Dichand. Was die Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft dem Verleger-Ehepaar vorwirft und worauf sich die Vorwürfe stützen, ist hier nachzulesen. Es traf sich, dass Eva Dichand ausgerechnet in der Woche, an deren Ende der erstinstanzliche Schuldspruch für den Ex-ÖVP-Obmann stand, eine Serie von wehleidigen und andere Medien sowie Politik anklagenden Kommentaren startete.
Dichand beschwert sich darin theatralisch über eine gerichtlich angeordnete Durchsuchung der Büroräume ihrer Gratiszeitung, gegen die sie keine Rechtsmittel eingelegt hat. Und sie sagt nicht mundtot. Sie sagt, ihr sei nahegelegt worden, nichts mehr zu schreiben: Man will also, dass ich schön brav und still alles über mich ergehen lasse. Damit kann ich leider nicht leben. Muss sie auch nicht. Die Heute-Zeitung hat im Netz 3,4 Millionen Unique User, und mehr als 660.000 lesen die Inhalte der Gratis-Zeitung auf Papier.
Ein Gedanke zu „Die Mundtoten“
Es ist wohl alles aus einem PR Litigations- Guss , Kapp?Rosam? Fleischmann ? oder wer auch immer!