Eine Runde mit der Vespa
In Wien geistert der Wahlkampf aus, die Elefantenrunden sind überstanden, die Kronenzeitung hat die Spitzenkandidaten Michael Ludwig und Dominik Nepp Mutproben bestehen lassen, was Günter Traxler im Standard zum trefflichen Befund inspiriert hat: Die Politiker sollten doch einfach gestehen, dass ihre größte Angst die vor der Kronenzeitung ist, sonst würden sie sich für einen solchen Humbug nicht hergeben. Im Schatten des Humbugs bereitet sich die Bundesregierung auf den Sturm vor, der in Form des Doppelbudgets heraufzieht. Und auch hier ist die Angst vor dem Boulevard spürbar. Wegen Krise: Regierung verzichtet auf Osterurlaub, lautete eine Schlagzeile. Der Bundeskanzler gönnte sich lediglich eine Ausfahrt mit seiner Vespa.
Das karge Ostervergnügen von Christian Stocker spiegelt das Bild wider, das von seiner Person und von seinem Kabinett medial gezeichnet wird. Unspektakulär bis zum Geht-nicht-mehr, was für eine Wohltat nach dem Blender, der an der Macht war, und dem teilweise erratischen Rechtspopulisten, der fast an die Macht gekommen wäre. Eine Runde mit der Vespa. Ein Finanzminister, der bekennender Linker ist, aber seine politischen Träume für die Dauer der Legislaturperiode begraben hat und das auch so kommuniziert – der ist schon ein Highlight.
Einmal Überhöhung und zurück
Der Bundeskanzler wurde in der Österreich-Ausgabe des Spiegel als Buddha von Wien gefeiert, und das Verb ist nicht übertrieben. Das deutsche Wochenmagazin druckte ernsthaft den von der ÖVP gestreuten Vergleich des plötzlichen Kanzlers mit der historischen Figur Winston Churchill ab und schrieb: Ob Stocker das Zeug zu einer Rede hätte, wie sie der britische Premier 1940 vor dem britischen Unterhaus hielt, als er sagte: “Ich habe nichts zu bieten als Blut, Mühsal, Tränen und Schweiß”? Ob er es wagt, in Zeiten, da die USA sich von Europa abwenden, die in Österreich wie eine Monstranz verehrte immerwährende Neutralität auf den Prüfstand zu stellen? Von der einigermaßen befremdlichen Überhöhung einmal abgesehen: Beide Fragen kann man nur mit einem Nein beantworten.

Fleischgewordene Unglaubwürdigkeit
Christian Stocker war und ist der personifizierte Glaubwürdigkeitsverlust an der Spitze der ÖVP. Nie und nimmer mit der FPÖ unter Herbert Kickl, hat er getönt, dann kam die Wende um 180 Grad, dann noch einmal. Florian Gasser hat in der Zeit dazu geschrieben: Auch wenn die ÖVP die Notbremse gezogen hat – sie hat es lange Zeit auf diese Koalition angelegt. Im Grunde hat sich die Volkspartei für diesen Moment jahrelang verbogen und verrenkt. Auf Ö3, ganz frisch als Kanzler, hat Stocker auf die Frage, ob denn alles anders ausgegangen wäre, wenn die FPÖ nur auf das Innenministerium verzichtet hätte, gesagt: Wahrscheinlich. Mittlerweile ist die Sprachregelung: Man darf kein Kapitel auslassen. Am Ende wird es die ÖVP-Legendenküche dann so hingebogen haben, dass das Ausreizen der Verhandlungen mit Kickl ein Masterplan war, damit alle wissen, wie böse die FPÖ ist.
Wer gern den Mantel des Vergessens über diese beispiellosen Vorgänge breiten möchte, der sei daran erinnert: Wir verdanken auch die Kalamitäten rund um den Nationalratspräsidenten und seine eigenwillige Amtsführung der ÖVP. Mit deren Stimmen ist Walter Rosenkranz in das zweithöchste Amt der Republik gewählt worden, und er kann nach geltender Rechtslage aus dieser Funktion bis nach der regulären Nationalratswahl 2029 nicht abgewählt werden.
Spar-Platitüde vor dem Budget-Sturm
Stichwort: Blood, Toil, Tears and Sweat. Das Mantra der Regierung Stocker ist: Es werden zwei harte Jahre – und das ist vermutlich noch untertrieben. Die Hoffnung auf neuen budgetären Gestaltungsspielraum ab 2027 ist ein frommer Wunsch, die Haushalte sind komplett aus dem Ruder gelaufen. Oder wie es Vizekanzler Andreas Babler ausgedrückt hat: Die Zahlen sind jedes Mal eine neue Challenge. Da mutet es wie Hohn an, wenn in der Osterwoche als eine der ersten Budgetsparmaßnahmen das kostenlose Klimaticket für 18-Jährige abgeschafft worden ist – ein marginaler Beitrag, mit einer skurrilen Begründung. Das Gratisticket sei nur von 25.000 jungen Leuten in Anspruch genommen worden: Die Nutzungsrate liegt damit bei rund einem Viertel und blieb hinter den Erwartungen zurück, wird das Verkehrsministerium zitiert.

Durchwachsen sind auch Ankündigungen, die dieser Tage getätigt wurden. Die SPÖ-Sozialministerin verspricht wenige Tage vor der Wahl im Roten Wien, dass ab 2026 jede zweite Pflegekraft mit 60 und geringen Abschlägen in die Schwerarbeiterpension gehen könne. Bei näherem Hinsehen stellt sich heraus, dass sich das für eine bestimmte Anzahl von Babyboomern ausgehen kann, aber den diplomierten Pflegekräften von heute absolut nichts bringt und keine Perspektive bietet. Dabei wäre gerade das wichtig angesichts des Personalmangels in der Pflege. Überdies melden sich täglich weitere Berufsgruppen, die belastende Arbeit machen und in den Genuss der Schwerarbeiter-Regelung kommen wollen.
Ein Klimagesetz ohne “Schutz” im Namen
Und der ÖVP-Umweltminister hat im Ö1-Interview erstmals unumwunden klargemacht, dass sein geplantes Klimagesetz – das offenbar programmatisch nicht mehr Klimaschutzgesetz heißen darf – keine Zähne haben wird. Weder verbindliche Sektorziele etwa für Verkehr, Landwirtschaft und Industrie – noch automatische Maßnahmen zur Gegensteuerung, wenn CO2-Reduktionsziele verfehlt werden. Was passiert, wenn ein Sektor das Ziel verfehlt? Dann werden wir uns zusammensetzen und schauen, sagt Norbert Totschnig. Der ÖVP-Wirtschaftsflügel, der das Gesetz der Grünen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler verhindert hat, setzt sich endgültig durch. Klientelpolitik uralt, man muss es so nennen.
Und nach dem geheim abgeschlossenen Postendeal zwischen Rot und Schwarz, der dem früheren ÖVP-Obmann und Bundeskanzler Karl Nehammer den lukrativen Job eines Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank eingebracht hat, muss man leider annehmen, dass die SPÖ der ÖVP beim Klimagesetz keine Probleme machen wird. Und dass die NEOS in dem Dreiergefüge zu schwach sind, um das substanziell zu verbessern.