Landpower
Man muss als sagenumwoben straff organisierte ÖVP Niederösterreich schon sehr verzweifelt sein, wenn man in der letzten Woche vor der Landtagswahl die Werbung für den stärksten Konkurrenten erledigt. Genauso gut hätten wir hier natürlich “Landpower” schreiben können. Das steht unter dem Mikl-Leitner-Inserat – eine Anspielung auf den FPÖ-Spitzenkandidaten, der sich anschickt, Platz zwei im schwarzen Kernland zu erobern. Und es steht in einer Reihe mit Seltsamkeiten wie Heinz-Christian Strache als Talk-Star im Privatfernsehen, Gerhard Karner im ZIB2-Interview aus Sofia und ein neues Buch von Gerald Fleischmann über die Message Control, die der ÖVP so entglitten ist.
Was der rote Hanni von der SPÖ kann, das können wir schon lange, wird sich Bernhard Ebner gedacht haben. Der Wahlkampfleiter der ÖVP Niederösterreich, der die Werbemittel von Partei und Land zur blau-gelben Kenntlichkeit verschmolzen hat wie nie zuvor, ist letztlich auf Udo Landbauer gekommen. Der Mann, dem sie am Ende der Wahlkampagne 2018 mit tatkräftiger Hilfe des damaligen Chefredakteurs im ORF-Landesstudio noch die Regierungsfähigkeit abgesprochen haben, soll jetzt mit einem hippen Wortspiel lächerlich gemacht werden. Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ schließt die ÖVP-Spitzenkandidatin aber nicht aus. Man muss sich in Zeiten schwindender Power alle Optionen offenhalten, und sei es der Landpower.
Die Schwarzen auf den Spuren des roten Hanni
Glaubwürdiger wird man dadurch zwar nicht, aber wen kümmert das. Am Ende werden wohl ohnehin die Roten für die Mehrheit bei der Wahl der schwarzen Landeshauptfrau sorgen. Tirol hat es vorgezeigt. Dort war die SPÖ mit ihrem mickrigen Ergebnis gleich einmal Juniorpartner der Volkspartei, so schnell hat man gar nicht schauen können. Und ob man dabei über den Tisch gezogen wurde, danach fragt bald niemand mehr. Das eine oder andere Goody, mit dem man angeben kann, ist immer drinnen. Vielleicht auch ein Bauernopfer, wer weiß.
Aha-Effekte reichen auch noch für ein Buch
Dass er kein solches zu sein gedenkt, beweist einmal mehr der vom ÖVP-Obmann und Bundeskanzler persönlich aus der Versenkung der Kurz’schen Umfragen- und Inseratenaffäre geholte Gerald Fleischmann. Der Mister Message Control seines gefallenen Meisters hat ein Buch geschrieben, das originellerweise den Titel Message Control trägt. Untertitel: Was Sie schon immer über Politik und Medien wissen wollten. Es erscheint im Februar, bei Amazon kann man schon vorbestellen. Leserinnen und Leser dieses Buches jagen von einem Aha-Effekt zum nächsten, verheißt der Ankündigungstext. Wen es dabei schaudert, der kann sich den Aha-Effekt im Privatfernsehen holen. Dort macht jetzt der schon vor Sebastian Kurz (über ein Korruptionsvideo) gefallene Heinz-Christian Strache bei einer Diskussionssendung mit.
Vom Korruptionsvideo auf die Talk-Bühne
Die Sendung auf Puls24 heißt Wild umstritten – und es scheint so, als wolle man mit dem Format verlorengegangenes politisches Personal bis zurück in die Schüssel-Grasser-Zeit wieder in die mediale Landschaft einhegen. Matthias Winkler, Sacher-Geschäftsführer, wird als ehemaliger Büroleiter Grassers angepriesen, dann natürlich Eva Glawischnig, die frühere Grünen-Chefin, und eben Strache. Er hat den Höhenflug seiner früheren Partei in den Umfragen auf Landes- und auf Bundesebene fachmännisch auf eine Gesamtfrustration zurückgeführt – wo man dann eben zur Freiheitlichen Partei geht, wie Strache konstatiert. Wer solche Experten hat, braucht sich um den Unterhaltungswert keine Sorgen machen.
Der un-elefantöse Elefant im Powerland
Die ÖVP Niederösterreich steht dem in nichts nach, wenn sie unter dem Landpower-Inserat auch noch schreibt, dass die FPÖ die Landeshauptfrau samt ihrer Partei wegkickln wolle. Damit ist der gar nicht elefantöse Elefant im Powerland auch gleich angesprochen. Herbert Kickl ist omnipräsent mit seinem Slogan von der Festung Österreich und sammelt damit Stimmen ein, während seine beiden Nachfolger im Amt des Innenministers – einer davon ist heute Kanzler, beide stehen für das System ÖVP Niederösterreich – Tag für Tag dafür sorgen, dass das so bleibt. Karl Nehammer und Gerhard Karner waren zu Wochenbeginn in Bulgarien, um vom Hubschrauber aus die Dichtheit der Außengrenze zu prüfen. Die Botschaft am Ende war: Die EU solle zwei Milliarden für Bulgariens Grenzzaun lockermachen.
Das Kaputte an einer Minister-Antwort
Die Botschaft vom Anfang war stärker, weil der amtierende Innenminister sie im ZIB2-Interview so oft wiederholt hat: Wir reden von einem kaputten System. Wir haben im letzten Jahr sehr hohe illegale Aufgriffe gehabt, über 100 000, die an der österreichischen Grenze aufgegriffen wurden, Menschen. Das heißt, wir sehen, das System ist kaputt. Es funktioniert nicht, das sogenannte Schengensystem. (…) Wir sehen, das Gesamtsystem funktioniert nicht, und das ist das, was ich auch immer kritisiert habe. Ich habe nie einzelne Länder kritisiert, sondern ich habe ein nicht funktionierendes Gesamtsystem kritisiert. Und das ist nur der Sukkus von Karners erster Antwort. Er wiederholte noch ein paar Mal, wie kaputt das System sei.
Show-Acts mit Fluggerät und Pushbacks
Karner hat es unter seinem ehemaligen Chef Ernst Strasser nicht anders gelernt, aber so macht man den Diskurs kaputt. Der Kanzler, der schon als Innenminister Show-Acts mit Fluggerät nicht abgeneigt war, unterstützt das. Damit hegen sie Positionen, wie sie Herbert Kickl und Konsorten mittlerweile mit größter Selbstverständlichkeit vertreten, in die politische Agenda dieses Landes ein: Illegale Pushbacks von Asylsuchenden seien eine Notwehrmaßnahme und müssten möglich sein, verteidigte Kickl diese Forderung von FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer – der wiederum im Standard-Interview der Europäischen Menschenrechtskonvention eine Absage erteilt, die bei uns im Verfassungsrang steht: Es sei an der Zeit, einen eigenen Grundrechtskatalog für Österreich aufzulegen, so Landbauer.
Das Unsagbare ist längst sagbar geworden
Längst ist das Unsagbare sagbar geworden. Es ist das, was nach solch inhaltsleeren Wahlkämpfen wie im Powerland übrigbleibt. Die Worthülsen und Satzschablonen der ausgepowerten ÖVP klingen so hohl wie nie zuvor, die nach Aufmerksamkeit schreienden Agentur-Sprüche der ohnmächtig wirkenden SPÖ sind krachend gescheitert. Die kleineren Parteien gehen in so einem Setting naturgemäß unter. Und die einzige Sorge der angeblichen Miteinander-Partei ist der Machterhalt. Gerhard Karner würde sagen: Das ist ziemlich kaputt.