Leck in der Pipeline
Die Ermittler gehen von zwei Tauchern, zwei Assistenten, einem Kapitän und einer Ärztin aus, bislang sind sie nicht namentlich identifiziert. Der Polit-Thriller um die Sprengung von drei Röhren der Gas-Pipelines Nord-Stream 1 und 2 ist ein weltpolitisches Versteckspiel. Im Verdacht stehen Russland, die Ukraine, pro-ukrainische Gruppen und sogar die USA, deren Marinetaucher im Zuge von NATO-Manövern in der Ostsee die Zündung vorbereitet haben sollen. Gezündelt wird auch in der SPÖ, die Zündler liefern sich ein provinzielles Versteckspiel, und ihre Pipeline, in die sie nichts kriegen, hat ein irreparables Leck.
Im Unterschied zum Nord-Stream-Krimi sind die Akteure im roten Drama bekannt. Pamela Rendi-Wagner ist, wie wir wissen, die Ärztin. Hans Peter Doskozil hat zumindest die Anmutung eines Kapitäns. Die Assistenten heißen Christian Deutsch und Roland Fürst, während Michael Ludwig und Peter Kaiser untergetaucht sind. Letzterer, weil er ein unerfreuliches Wahlergebnis verdauen und für die Kärntner Partei weitermachen muss, und Ludwig, weil der danach trachtet, die Fäden in der Partei nicht aus der Hand zu geben und im kuscheligen Wiener Rathaus bleiben zu können, ohne den Sauhaufen auf Bundesebene zu übernehmen.
Die Brandrede des Hans Niessl
Was dort abgeht, hat kein Geringerer als Burgenlands Alt-Landeshauptmann Hans Niessl im ORF-Talk Im Zentrum beschrieben. Es war eine Brandrede zur Verteidigung seines Nachfolgers Doskozil. Motto: zündeln tun alle anderen. Dass der Wechsel zwischen der Vorsitzenden und Doris Bures stattfinden soll. Kein Vorschlag aus dem Burgenland. Es wurde Christian Kern in Position gebracht, kein Vorschlag aus dem Burgenland. Es wurde eine Doppelspitze genannt, kein Vorschlag aus dem Burgenland. Es wurde Babler aus Niederösterreich, es wurde der neue Vorsitzende aus Niederösterreich genannt. Alles keine Vorschläge aus dem Burgenland. Also kann der Vorwurf, dass aus dem Burgenland in diese Richtung etwas gekommen ist, nicht stimmen, weil kein einziger dieser Vorschläge aus dem Burgenland gekommen ist.
Die noble Geste des Peter Kaiser
Peter Kaiser hatte am Wahlabend die volle Verantwortung für den Verlust von neun Prozentpunkten übernommen und Richtung Bund gesagt: Ich hatte gehofft, mit einem respektableren Ergebnis etwas zur Beruhigung der Situation in der SPÖ beitragen zu können. Das ist mir nicht gelungen. Das tut mir leid. Die noble Geste wurde in Wien so beantwortet: Die Ärztin ging in die ZIB2, um den Kapitän endgültig zum Kentern zu bringen. Der habe sich ja gar nie um ein Kapitänspatent bemüht, während sie schon seit 2018 das Ius Practicandi habe und auch bei schwerer See bereit sei zu operieren. Dass sie in den fünf Jahren nicht einmal notdürftige Verbände angelegt hat, das verschwieg das Kind der Kreisky-Ära.
Der Schlagabtausch der Assistenten
Es kam, wie es wohl kommen musste: zu einem beispiellosen öffentlichen Schlagabtausch der beiden Assistenten. Deutsch läutete nach einem vertraulichen Telefonat mit dem ungehaltenen Doskozil-Assistenten beim vertrauten Boulevard an und berichtete brühwarm, dass die Burgenländer nicht mehr in die Kasse der Bundes-SPÖ einzahlen wollten. Die Mörder-Summe von 17.000 Euro im Monat kennen wir, weil Fürst postwendend auf Twitter einen Kontoauszug veröffentlicht hat, der das Gegenteil beweisen soll. Keinem von beiden kann man noch irgendetwas glauben. Tags darauf versucht Deutsch dennoch, das innerparteiliche Kleingeld für die Aktion einzusammeln. Die Ärztin doppelt fast zeitgleich nach und spricht von Heckenschützen-Mentalität und schmutzigen Methoden aus dem Umfeld des Kapitäns.
Die Anmutung eines Seelenverkäufers
Luftblasen steigen auf im trüben Wasser. Auf der schwerfälligen roten Jacht, die die Anmutung eines Seelenverkäufers hat, sind nicht nur Spuren, sondern größere Mengen von Sprengstoff zu finden. Der Kapitän gegen die Ärztin, das ist Brutalität. Aber die Partien dahinter, die haben die Hand an der Lunte. Wenn die jemandem erzählen, dass es die Marinetaucher vom sagen wir Achensee waren (ja genau dort, wo die seelenlose Impfpflicht beschlossen worden ist), dann ist das schnell eine Geschichte. Als der 85-jährige Ex-Aufdeckungsjournalist Seymour Hersh unter Berufung auf eine einzige anonyme Quelle das mit den Amerikanern geschrieben hat, haben es Fake-News-Verbreiter in Österreich, mit denen neuerdings – unter Protest der Redaktion – der Kurier gemeinsame Sache macht, sofort übernommen.
Die beschädigten Galionsfiguren
Die Galionsfiguren an Deck sind so leck wie die Pipeline. Kommunikationsberaterin Nina Hoppe ordnet es in den Salzburger Nachrichten so ein: Ich persönlich glaube nicht, dass mit Rendi-Wagner Wahlen zu gewinnen sind. Denn die ganze Diskussion, die hier läuft, die mangelnde Souveränität, dieses Aussitzen – das ist zwar für den Beobachter interessant, macht aber ein entsetzliches Bild. Wenn jemand nicht einmal das Durchsetzungsvermögen hat, in der eigenen Partei Ruhe hineinzubringen, wie soll das dann in einer möglichen Koalition funktionieren? Was die Ärztin allenfalls schaffen wird: den Kapitän, der bei der Wählerschaft immer beliebter war als bei der Mannschaft, kaltzustellen. Sie nennt es Verantwortung, andere sagen: bewundernswerte Sturheit. Aber es ist letztlich fehlender Weitblick.
Die diskrete Bläue des Machterhalts
Den gönnt sich am Freitag hingegen der Bundeskanzler. Karl Nehammer hält eine Rede im 35. Stock eines Hochhauses auf dem Wienerberg im roten Favoriten und will dort eine konservative Perspektive für 2030 entwickeln. Die Botschaft ist klar, dazu braucht man den Inhalt nicht zu kennen: Ich will am Ruder bleiben und weiter das Kommando haben. In der ÖVP ist schon alles in die Luft geflogen, während die SPÖ ohne Not ausdauernd mit Sprengstoff hantiert. Und Niederösterreich zeigt, dass die Volkspartei keinerlei Skrupel hat, wenn es um Machterhalt geht. Die SPÖ wollte zu viel, jetzt ist sie draußen. Und die russland-freundliche und ausländer-feindliche FPÖ – die noch dazu die ÖVP-Landeschefin als Landeshauptfrau ablehnt – sitzt am Verhandlungstisch. Man möchte fast wetten: Sollte Johanna Mikl-Leitner der Preis sein, dann hat die ÖVP Niederösterreich auch das in der Pipeline. Und zahlt.
Ein Gedanke zu „Leck in der Pipeline“
” Die SPÖ wollte zu viel, jetzt ist sie draußen.”
Der Ansicht bin ich ganz und gar nicht. Hergovich zeigt klare Kante, scheint zu seinem Wort zu stehen. Sollte Schwarz mit Blau sich finden, kann er mantraartig seine Forderungen mit dem Hinweis auf deren Ablehnung durch die ÖVP wiederholen. Mit der Zeit wird auch der dümmste NÖer gneissen, was ihm die VP vorenthalten hat. Außerdem wird Blau, Schwarz vor sich hertreiben. Daher wird Schwarz bald die Reissleine ziehen.