Von daher vorbei
Von daher wäre es natürlich sinnvoll gewesen, die Mitglieder einzubeziehen und zu schauen, welcher der Kandidaten eine absolute Mehrheit bekommen kann, und von daher nehme ich zur Kenntnis, dass das sehr knapp mit 22 zu 25 für eine Entscheidung am Bundesparteitag ausgegangen ist. Michael Ludwig ist also mit dem Versuch gescheitert, dem Burgenländer Hans Peter Doskozil auf dem Weg an die Spitze der Bundespartei noch größere Prügel vor die Füße zu werfen. Auch wenn es arschknapp war – um wie Pamela Rendi-Wagner den Bundespräsidenten zu zitieren. Und ja, es kann beim SPÖ-Parteitag in eineinhalb Wochen in Linz noch einmal arschknapp werden. Nicht zu knapp ist hingegen der Beleg dafür ausgefallen, wie brüchig die Macht der Wiener SPÖ bereits geworden ist.
Es war am 7. April, als ein Interview im Standard erschienen ist, in dem Doskozil gemeinsam mit seinem Schildknappen Max Lercher groß gegen die elitären Blasen und die angebliche moralische Elite in Wien aufgegeigt hat. Gemeint waren die Vertreter der Wiener SPÖ, die immer schon dem Motto gehuldigt haben: Uns ist egal, wer unter uns die Bundespartei führt. Und so schaut die Partei jetzt auch aus. Die jetzt abtretende Parteivorsitzende ohne innerparteiliche Hausmacht hat man die längste Zeit am Gängelband geführt, der Apparatschik Christian Deutsch war das Gesicht dieser wenig segenbringenden Allianz.
Die Wiener Genossen waren nie so nackt
Die Macht, die den Repräsentanten des Roten Wien immer noch zugeschrieben wird, die zweifelte der Burgenländer in dem Gespräch offen an. Doskozil erinnerte an Christian Kern, den Michael Häupl 2016 nicht als Bundesparteichef haben wollte: Und wer ist es geworden? So viel zu den starken Männern in Wien. Raphael Sternfeld, Bereichsleiter für strategische Kommunikation der Stadt Wien, in Wahrheit aber der engste Berater von Michael Ludwig und unter diskussionswürdigen Umständen zu dem Job gekommen, rückte aus und twitterte.
Sternfeld hat den Tweet dann gelöscht, aber das Screenshot-Archiv ist gnadenlos. Und es dokumentiert im Nachhinein sehr anschaulich, warum sich der angeblich mächtigste Mann der österreichischen Sozialdemokratie auf Spielchen in den Parteigremien einlässt, die er dann gegen eine Mehrheit der Ländervertreter im Vorstand verliert. Es geht offensichtlich um Befindlichkeiten und Eitelkeiten, denen ja auch ein Hans Peter Doskozil nicht abgeneigt ist. Er habe am Dienstag zum Wohle der Partei seinen Rückzug angeboten, als klar war, dass ihn die Wiener und die Babler-Unterstützer einfach nur verhindern wollten, so Doskozil in der ZIB2. Als ob dieser ausgewiesene Machtmensch keine Ahnung von taktischen Manövern hätte.
Doskozil hat den Finger in die Wunde gelegt
Wer im Abgang keine Manöver mehr vollzogen und sich nicht mehr verstellt hat, das war Pamela Rendi-Wagner. Sie ist aus diesem Partei-Trauerspiel, das es vorerst bleibt, erhobenen Hauptes ausgestiegen. Ausgeliefert einem Teil des Establishments, schlecht beraten und ohne wirklichen Rückhalt in der Partei hat dieses 1971 geborene und in der Per-Albin-Hansson-Siedlung in Wien-Favoriten als Tochter einer Alleinerzieherin aufgewachsene Kind der Ära Kreisky als Vorsitzende nie wirklich eine Chance gehabt. Wäre sie nicht die erste Frau an der Spitze der SPÖ gewesen, hätte sie wohl nicht so lange durchgehalten – auch wenn das paradox klingt. Die Verantwortung dafür allein Hans Peter Doskozil umzuhängen, ist etwas billig. Er war nur der, der den Finger in die Wunde gelegt hat.
Nur der Erfolg wird die Einigkeit bringen
Doskozils Versprechen an die Partei ist, sie an die Macht zurückzubringen. Das ist die Währung, die Funktionäre – und das sind die rund 600 Delegierten am Parteitag, die jetzt das letzte Wort haben – gern akzeptieren. Auch Andreas Babler verspricht einen Erfolg bei der nächsten Wahl. Entscheidend wird sein, wem die Delegierten das eher glauben. Wie genau sie das schaffen wollen, das haben die Kandidaten bisher nicht verraten. Wir wissen nichts über ihre Teams, wir kennen inhaltlich nur Schlagworte, die Positionen der beiden werden unzulänglich mit pragmatisch-rechts und links-marxistisch beschrieben. Es ist dauernd vom Zuschütten der Gräben die Rede und von Einigkeit als Schlüssel zum Erfolg – dabei wird nur der Erfolg die Einigkeit bringen.
Um zu dieser Weisheit zu gelangen, hat man nur Max Lercher in der ZIB2 sehen müssen. Mehr Abgehobenheit und weniger Fingerspitzengefühl geht kaum, und dabei ist der Steirer Lercher – der dem Wiener Deutsch (mit dem Intermezzo Thomas Drozda) als Bundesgeschäftsführer hat weichen müssen, worauf das Drama seinen Lauf nahm – ein Schlüsselspieler in Doskozils Team. Stichwahl werde es keine geben, weil das wäre wie wenn man bei einem Abfahrtslauf noch einmal fahren möchte, weil einem das Ergebnis nicht passt, hat Lercher gesagt. Wozu Gräben zuschütten, wenn es einem nicht passt.
Wer hat die gewisse Skrupellosigkeit?
Christian Deutsch ist jetzt bald Geschichte, und wieder muss er als Metapher herhalten. Doskozil wie Babler wissen, dass sie die Partei komplett neu aufstellen müssen, wenn sie irgendeine Chance haben wollen. Auch das wird ein Kriterium für die Delegierten sein: wem sie die gewisse Skrupellosigkeit, die für diesen Akt notwendig ist, eher zutrauen. Doskozil hat diesbezüglich evident die Nase vorn, er hat das Burgenland mit seiner absoluten Mehrheit dort unverfroren zu einem sozialistischen Provinz-Paradies umgebaut, während Babler der gute Mensch aus Traiskirchen ist, der mit den warmherzigen Vibes. Beide sind um die Aufgabe nicht zu beneiden, die vor ihnen steht. Aber im Interesse der Republik muss man darauf hoffen, dass einer von beiden diese Aufgabe erfolgreich bewältigt.
Es geht an die Substanz von Rot & Schwarz
Denn wie die Kommunikationsberaterin Nina Hoppe in ihrem Podcast sehr klug darstellt, geht es längst um die Substanz der ehemaligen Großparteien SPÖ wie ÖVP. Dass deren Fundamente bröckeln, ist die Ursache für die innenpolitische Achter- und Geisterbahnfahrt, auf der sich Österreich seit bald einem Jahrzehnt befindet. Das ist demokratiepolitisch gesehen eine unheilvolle Entwicklung, da muss man kein Verfechter alter großkoalitionärer Herrlichkeit sein. Und die Parteigranden haben in beiden Lagern ihren Anteil daran. In der ÖVP haben die Landesfürsten die Partei an Sebastian Kurz verkauft, mit den bekannten Folgen und Nachwirkungen auf den Kurs bis heute – aber das ist noch einmal eine andere Geschichte.
Seilschaften, Filz & Phantasiezahlen statt Macht
Und in der SPÖ hat die Wiener Landesorganisation, bekannt für ihre internen Verbandelungen und Seilschaften sowie mannigfaltige Verfilzung mit gemeindenahen Unternehmen, die Hand erdrückend auf der Bundespartei gehabt und sich – ein unausgesprochener Machtbeweis – über Jahre mit Phantasie-Mitgliederzahlen geschmückt, die bei näherem Hinsehen auf dann doch recht schlanke 30.000 geschrumpft sind. Die Mitgliederbefragung haben Michael Ludwig & Co. folgerichtig verloren, die von ihnen gestützte Parteichefin ist durchgefallen. Von daher ist es höchste Zeit für einen Neustart. Möge er auch im Staatsinteresse gelingen.
5 Gedanken zu „Von daher vorbei“
Sie gehören für mich zu den wenigen Innenpolitik-Journalisten die den Überblick bewahren (nicht nur in der causa SPÖ) und Einordnungen nachvollziehbar darstellen. Keine Vermutungen, kein spekulieren. Großen Dank dafür.
Ich danke fürs Lesen. Freut mich!
Da möchte ich mich gerne anschließen: Journalismus, wie er in dieser Form leider fast nicht mehr zu finden ist in Österreich. Vielen Dank dafür!
Vielen Dank!
Na ja, bei Rendi Wagner – hätte sich auch einen besseren Abgang sichern sollen. Politisch war sie leider ein Blindgänger. Einen Tag zuvor im Parlament -> Blockadereden gegen die Regierung, die was gutes – Klimaschutzgesetz über die Landesfürsten hinaus – beschliessen wollte…. und einen Tag später auf einmal Blockade aufgeben. Blockade = Mist, den da die SPÖ aufführte – aus beleidigten Stolz heraus- oder aus Blödheit — ah nein, das heisst ja Inselbegabungen der SPÖ-