Sein Spielfeld
Noch bevor Episode 7 von Star Wars flächendeckend in die österreichischen Kinos gekommen ist, war Irmgard Griss mit ihrem Antrittsvideo auf Youtube. Liebe Mitbürgerinnen & Mitbürger, ich möchte Bundespräsidentin werden, wählen Sie mich zahlreich. Das Erwachen der Macht. Marke selbst gestrickt. Mit der Unterstützung der Freiheitlichen im Aufwachraum braucht Griss nicht mehr rechnen, sie hat schon zwei Tage nach dem Hearing im FPÖ-Parlamentsklub von Mastermind Herbert Kickl persönlich via Parteizeitung eine Absage gekriegt. Nicht kompatibel mit dem Spiel der Blauen. Ganz anderes Spielfeld.
So Facebook wie der Amtsinhaber bin ich schon lange, wird sich Griss gedacht haben, als sie ihr Antreten bei der Bundespräsidentenwahl 2016 per Videobotschaft in den sozialen Netzwerken bekanntgab.
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=vQh4XQKhwVY&w=560&h=315]
Habe nie einer Partei angehört, kann die Dinge beim Namen nennen, wäre erste Bundespräsidentin. Die Schlüsselpassagen in der Antrittsrede der unabhängigen Kandidatin. Auch Heinz Fischer hat seine Wiederkandidatur 2010 per Video auf seiner Facebook-Seite bekanntgegeben – mit Unterschriftenmappe und Fahne, versteht sich.
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=hfxQurRWqDA&w=560&h=315]
Straches Setting mit Kreuz an der Wand
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat das Setting kopiert und um ein Kreuz in seinem Rücken erweitert, um den Asylnotstand auszurufen. Das war im September. So stellen sich Strache & Kickl wohl einen Bundespräsidenten vor. Wer weiß, am Ende kandidiert der FPÖ-Chef im kommenden April sogar selber.
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=0rJhoDQPfz8&w=560&h=315]
Liebäugeln mit Griss war nur Show
Wir lernen: Das halbherzige Liebäugeln der Freiheitlichen mit einer Unterstützung der Griss-Kandidatur war reine Show. Die ehemalige Gerichtspräsidentin kommt in Teilen der Bevölkerung gut an, weil sie ein Gegenmodell zum klassischen Politiker ist. Sie ist keiner Partei zuordenbar und hat sich förmlich-freundlich zu einem möglichen Kanzler Strache geäußert. Die Wählerschaft der Freiheitlichen ist für Griss selbstverständlich Teil der Zivilgesellschaft – womit sie in einem Ö1-Interview einer Unschärfe bzw. einem Missverständnis aufgesessen ist. Zivilgesellschaft ist ein politikwissenschaftlich determinierter Begriff und meint Engagement von Bürgern über die regelmäßige Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen hinaus.
Stammtisch-Hoheit an der Südgrenze
Ausschlaggebend war letztlich, dass Irmgard Griss dem FPÖ-Vorstand nicht nach dem Mund reden wollte. Ich mag eine Sprache nicht, die als verhetzend empfunden wird, hat sie beim Hearing über die freiheitliche Position in Sachen Flüchtlingsbewegung gesagt. Da reagiert die FPÖ sehr empfindlich. Hetzen tun immer die anderen, nämlich gegen die FPÖ. Hat Heinz-Christian Strache etwa nach einer Standard-Reportage von einer Veranstaltung in Spielfeld auf seiner Facebook-Seite geschrieben. Das war genau das Spielfeld, auf dem für Griss kein Platz, aber Strache in seinem Element ist. Und das Video dazu schaut auch nicht mehr ganz so präsidentiell aus.
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=iNO337APsGE&w=560&h=315]
Angstlust wegen Blau reloaded
Radikalislamistische Kopfabschneider, die in Steuer-subventionierten Kindergärten gezüchtet werden; nicht jeder Moslem ist ein Terrorist, aber fast jeder Terrorist der letzten Jahre war Moslem – Strache lässt bei dem Bürgerstammtisch im südsteirischen Grenzort nichts aus. Verschwörungstheorien, Stereotype, immer hart am schmalen Grat zur Hetze. Das beherrscht er perfekt. Und schon beginnen in den seriösesten Medien die Mutmaßungen, dass die Präsidentschaftswahl den Freiheitlichen in die Hände spielen werde. Obwohl noch nicht einmal bekannt ist, wen sie ins Rennen schicken. Und wer von Rot, Schwarz & Grün wirklich gegen Irmgard Griss antreten wird.
Top-Kandidaten & erneuerte Koalition
Sie sollten die Besten nominieren, damit das ein Persönlichkeitswahlkampf auf hohem Niveau wird. Ein Kontrastprogramm zur neuen Unübersichtlichkeit – und nicht eine Veranstaltung, die den Wind noch rauer wehen und die Töne noch schärfer werden lässt. Sachdienlich wäre auch, wenn SPÖ und ÖVP die Gelegenheit ergreifen und die Regierung im Zuge der Kandidaten-Entscheidungen runderneuern. Unabhängig von gewissen Wunschvorstellungen gibt es auf einigen Positionen Verbesserungsbedarf.
Und da die Koalition im Moment keine andere Wahl hat als weiterzumachen, kann sie das ja gleich zielgerichteter als bisher tun. Sich zum Beispiel nicht nur Stichtage für Reformen setzen, sondern die Reformen mit Leben erfüllen. Dann klappt das vielleicht irgendwann einmal auch besser mit den Umfragen.