Drei Herren im Ring
Von Erwin Pröll im Stich gelassen, holte die ÖVP den selbsternannten Kutscher der schwarz-blauen Wenderegierung aus der Versenkung: Andreas Khol, die Notlösung. So was von retro. Aber entscheidend ist, dass es funktioniert. Von einer Minute auf die andere – im Stil von Alexander Haig, der 1981 kurz nach dem Attentat auf Präsident Reagan als dazu gar nicht befugter US-Außenminister das Kommando im Weißen Haus übernommen hatte. Mit den Worten: I’m in charge! Eine Episode nach Khols Geschmack. Solche Sachen erzählt er gern.
Jetzt spielt der ehemalige Nationalratspräsident und Klubobmann unter Wolfgang Schüssel selber im großen Kino mit. Unmittelbar nach der öffentlichen Vorstellung durch den Parteichef ging ein Video Khols online, in dem der Kandidat seine Überraschung darüber kundtut, dass die Nominierung auf ihn gefallen ist. Völlig sprachlos sei er gewesen.
[youtube https://www.youtube.com/watch?v=1HdRD2_OXIk&w=560&h=315]
Ein Video mit Kultcharakter, kaum zu toppen. Die von Maschek haben es trotzdem geschafft: Sie haben nicht selber drübergeredet wie sonst, sondern sie haben Khol über den Gollum aus dem Film Herr der Ringe drüberreden lassen.
Und Andreas Khol hat das dann tatsächlich noch einmal überboten: Er hat ein Video von sich selbst beim Maschek-Schauen veröffentlicht.
So geht viraler Wahlkampf! Großes Lob aus den Tasten des prononciert linken Autors und Journalisten Robert Misik auf Facebook für den erzkonservativen ÖVP-Kandidaten, der gern als bunter Schwarzer (ein Bonmot des APA-Kollegen Patrick Beilner) in die Geschichte eingehen würde. Wenn Khol so weitermacht, gelingt ihm das auch noch.
Rote Kunstpause in der viralen Welt
Die Grünen haben ihren Kandidaten Alexander van der Bellen noch vor der Entscheidung der Volkspartei ins Rennen geschickt, seit Freitag steht jetzt auch Rudolf Hundstorfer als SPÖ-Präsidentschaftskandidat offiziell fest. Von Khol gibt es großes Kino und die Website andreaskhol.at, von Van der Bellen gibt es ein Video – das auf Facebook schon fast eine Million Seher hatte, und das zählt am Ende mehr als lustig (wenn die Klicks denn echt sind) – und die Website vanderbellen.at. Von Hundstorfer gab es eine Pressekonferenz – und sonst nichts. Ein Antrittsvideo auf Youtube ist nicht geplant, und die Domain hundstorfer2016.at hat man sich inzwischen zwar gesichert, aber sie war am Tag der Kandidatenkür durch die Parteigremien noch zu einem Text des Vorbesitzers umgeleitet. Speed kills, denkt sich die SPÖ.
Auch eine Frage der Leidenschaft
Andreas Khol hat diesen Spruch seinerzeit geprägt und immer schon anders verstanden. Er gibt ordentlich Gas, und das tut er mit Leidenschaft. Es erinnert ein bisschen an den damals weithin unbekannten Diplomaten Thomas Klestil, den sein Siegeswille in die Hofburg getragen hat. Khol hat noch dazu das Thema Nummer eins ohne Wenn und Aber mit einer klaren Botschaft besetzt: Flüchtlinge ja, aber auf die Österreicher mit ihren Ängsten nicht vergessen. Nächstenliebe nach freiheitlicher Façon. Gleichzeitig hat die ÖVP ihren Schwenk in der Asylpolitik vollendet. Absage an die Willkommenskultur. Grenzen dicht, wenn notwendig.
Wie halten sie es mit den F-Fragen?
Auch die zweite F-Frage hat Khol ohne Zögern beantwortet: Er würde FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache natürlich als Kanzler angeloben, wenn er eine Mehrheit im Parlament hinter sich hätte. Rudolf Hundstorfer hat erstaunlicherweise das Gleiche gesagt, wenn er auch den Namen Strache nicht in den Mund genommen hat. Nur Alexander van der Bellen würde es sich nicht einfach machen mit einem möglichen Kanzler von der FPÖ. Ganz genau festlegen wollte er sich bisher nicht. Sowohl Van der Bellen als auch Hundstorfer werden sich aber in der Flüchtlingsfrage viel schwerer tun als Khol. Der hat die einfachen Antworten, und die braucht der Wahlkampf.
Demoskopen proben neues Waterloo
Wir werden sehen, wie schwer oder leicht es die FPÖ dem ÖVP-Kandidaten machen wird. Denn noch ist das Feld der Bewerber nicht komplett. Wir vergessen auch Irmgard Griss nicht, die lange allein auf weiter Flur war und jetzt in vorbildlicher Transparenz alle ihre Spender samt Geldbeträgen veröffentlicht hat. Und der Wahlkampf beginnt ja erst. Dass die ersten Meinungsforscher sich dennoch schon mit Umfrageergebnissen vorwagen, kann nur eines bedeuten: Sie proben für ihr nächstes Waterloo.