Adiós Presidente
Es war zwar ein Fall für die CIA, aber Heinz Fischers abhörsicheres Krypto-Handy lag im Büro in der Hofburg. Die Nachricht von der überraschenden Zwischenlandung des bolivianischen Staatspräsidenten in Wien-Schwechat erreichte den Bundespräsidenten in den frühen Morgenstunden zu Hause am normalen Handy. Und Fischer rettete Evo Morales das Leben, wie der Bolivianer später sagen sollte. Eine Episode, die in ihrer operettenhaften Vielschichtigkeit samt Happy End ein Sinnbild für die zwölfjährige Amtszeit des nunmehrigen Altbundespräsidenten ist. Und die Huldigungsflut ein wenig eindämmen hilft.
Mehrere NATO-Staaten, vor allem Spanien, hatten der Maschine des bolivianischen Präsidenten im Juli 2013 den Überflug verweigert, weil Evo Morales aus Moskau kam und die Amerikaner den Staatsfeind & Whistleblower Edward Snowden an Bord vermuteten. Das Flugzeug landete also in Wien, Heinz Fischers Handy piepte und der Bundespräsident eilte nach Schwechat, wo er seinem Freund Morales einen herzlichen Empfang bereitete – mit Pressekonferenz. Ein einprägsam schlichtes Setting.
Derweil hielt jemand sehr österreichisch im Flugzeug Nachschau. Er hat nicht unter den Sitzen nachgesehen, erzählte Fischer später. Aber es reichte, um den Amerikanern zu versichern: kein Snowden an Bord. Morales durfte weiterfliegen. Und war so dankbar, dass er seinen Retter zwei Jahre später mit den allerhöchsten Ehren in La Paz empfing. Der höchste Orden und ein Porträt mit Koka-Blättern (siehe unten) scheinen Heinz Fischer aber weit weniger beeindruckt zu haben als der große mediale Bahnhof. Der gesamte Staatsbesuch sei live im Fernsehen übertragen worden, erinnerte sich Fischer in einem Gespräch vor zwei Wochen: Immer wenn ich in ein Sekretariat gekommen bin und dort ist ein Fernseher gestanden, hab’ ich mich selber beobachten können, wie ich mich da bewegt habe zwischen den einzelnen Stationen.
Die stimmigen Bilder einer Amtszeit
Mehr Heinz Fischer als bei diesem Rundgang im bolivianischen Präsidentenpalast, das ging dann ja nicht mehr. Wobei es insgesamt schon sehr viel Heinz Fischer gegeben hatte. Ein Präsident zum Angreifen, der selber jeden beim Arm nahm und durch die rote Tapetentür zum Gesprächstermin schob. Eine Ikone von einer Tür, hat Fischer das gute Stück im Ö1-Abschiedsinterview genannt. Einer mit Humor, der es nicht nur zugelassen hat, von den Kabarettisten zur Kultfigur stilisiert zu werden. Er hat dabei mitgeholfen. Ein trockener Ideologiewächter der Sozialdemokratie, der sich in seinen späten Jahren als volksnaher Präsident neu erfunden hat. Das kann man eigentlich nicht erfinden.
Dem Amt den Respekt zurückgegeben
Als wäre er dafür geboren worden, dem Amt des Bundespräsidenten nach den desaströsen Waldheim-Jahren und den über weite Strecken missglückten Klestil-Jahren die verlorene Würde zurückzugeben. Es ist Heinz Fischer gelungen. Er hat die Hofburg durchlüftet und besser als die meisten anderen Politiker auch die Möglichkeiten der Sozialen Netzwerke genutzt, um mit den Bürgern in Kontakt zu treten. Fischer hat Maßstäbe gesetzt – und die Tatsache, dass er keinen unmittelbaren Vorgänger hatte (Klestil starb zwei Tage vor Fischers Angelobung) und wegen der Wiederholung der Stichwahl auch keinen unmittelbaren Nachfolger hat, macht das nur noch deutlicher.
Fischer als oberster Systemerhalter
Heinz Fischer war aber auch ein Mann des rot-schwarzen Systems, das ihn in seinen mehr als 50 Politiker-Jahren geprägt hat. Das machte ihn einerseits trittsicher auf dem innenpolitischen Parkett und zum idealen Vermittler in Konfliktsituationen. Andererseits trug Fischer mit der Perpetuierung der Koalition von SPÖ und ÖVP – er hat dreimal eine solche angelobt – seinen Teil zum endgültigen Niedergang der Traditionsparteien bei, die bei der Bundespräsidenten-Wahl nur noch Statistenrollen spielten. Den Plan Alfred Gusenbauers, nach der Nationalratswahl 2006 eine Minderheitsregierung der SPÖ zu machen, hatte Fischer abgedreht. Keine Experimente auf Kosten des Staatswohls.
Blockaden perpetuiert statt überwunden
Wer so argumentiert, übersieht allerdings, dass Dauerblockaden in wichtigen Fragen dem Staatswohl noch viel weniger dienen. Auf eine Interview-Frage, wie denn die rot-schwarze Blockade im Bildungsbereich aufgelöst werden könnte, sagte Fischer unlängst ganz offen: Er wisse es nicht. Fischer sagte das in genauer Kenntnis der Beharrungskräfte des föderalistisch-sozialpartnerschaftlichen Systems, das auch ihm den Rahmen, die Orientierung und die Souveranität für die Amtsführung gab. Eine Überwindung dieses Systems war für den Altbundespräsidenten nie eine Option.
Episoden wie Evo Morales in Wien-Schwechat und die Gegen-Einladung nach La Paz, die bleiben. Klassische Aufgaben für einen österreichischen Bundespräsidenten. Und die hat Heinz Fischer alle mit Bravour gemeistert. Nach La Paz hat er das System in Person des Wirtschaftskammerpräsidenten mitgenommen, wie bei vielen anderen Gelegenheiten. Denn in Bolivien mäkelt niemand an unserem politischen System herum, im Gegenteil: Da wird Österreich gelobt, was das Zeug hält. Dort sind wir Retter aus Luftnot und Erbauer des weltgrößten städtischen Seilbahn-Netzes. Könige der Lüfte. Dank Doppelmayr & Heinz Fischer. Adiós Presidente!
Ein Gedanke zu „Adiós Presidente“
Fische war immer Parteisoldat. Wie jemand eine moralische Instanz in Ö. werden konnte, nachdem er im Parlament einen U-Ausschuss gegen Wiesentahl gefordert hat wird mir ein ewiges Rätsel bleiben. Wer in ein wenig besser kannte, hat nicht nur an dem Punkt den großen Unterschied im “lieben” reden und realem handeln kennengelernt.