Hänse im Glück
Donald Trump hat jetzt auch in der Realsatire seinen Meister gefunden. Der Präsident, der sein seltsames Ego selbst beim Händeschütteln zum Ausdruck bringt, ist in dieser Disziplin vom smarten kanadischen Premierminister Justin Trudeau in die Schranken gewiesen worden. Trudeau hat dem Gastgeber im Weißen Haus gezeigt, was ein ordentlicher Handshake ist. Als Boxer und Rempler war er nachgerade prädestiniert dafür. Auch das österreichische Pendant zur kanadischen Lichtgestalt hat die Muskeln spielen lassen. Christian Kern ist mit dem Bundespräsidenten nach Brüssel geflogen, um der EU Mut zu machen gegen die Rechtspopulisten. Pfeifen im Wald voller blauer Bäume.
In Washington ist es umgekehrt. Da sitzt einer im Weißen Haus und macht den Straches & Le Pens in Europa Mut. Wenn ihr euch anstrengt, dann könnt ihr das Establishment auch einmal so richtig durchschütteln. Das ist die Message.
Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ist ja nicht gerade für einen awkward handshake á la Donald Trump bekannt, sondern mehr als der Küsser aus Luxemburg gefürchtet. Unseren Bundeskanzler hat Juncker nicht geküsst, dafür hat er ihn mit dem urwienerischen Ausdruck für Freund angesprochen und ihn im Fernsehen meinen Haberer genannt. Das kommt sicher gut an bei den Rechtspopulisten, für die Juncker als Vertreter einer Kaste von europäischen Bürokraten das Feindbild Nummer eins ist. Macht Kern als linkspopulistischen EU-Veränderer auch nicht glaubwürdiger.
Die EU droht den Akteuren wegzubrechen
Was Juncker mit Kern wirklich verbindet: Sie machen sich ernsthafte Sorgen um den Zusammenhalt der Union. Wie Thomas Mayer im Standard analysiert, hält der überaus erfahrene Europa-Politiker Juncker sogar ein Auseinanderbrechen der EU-27 nach dem Ausstieg der Briten für denkbar. Seine Ankündigung, bei den Europawahlen 2019 nicht noch einmal zu kandidieren, sei als Warnung zu verstehen, schreibt Mayer. Sozusagen ein frühes Vermächtnis des Kommissionschefs: Es scheint, als wollte Juncker ultimativ sagen: Mir geht es nicht (mehr) um mich, wacht auf, kämpft um die EU.
„Ich glaube an ein gemeinsames, starkes #Europa“ – Rede vor dem @Europarl_DE in #Strasbourg ➡️ https://t.co/dI9QmULB9X pic.twitter.com/4Ef8V0v4y2
— A. Van der Bellen (@vanderbellen) February 14, 2017
Der flammende VdB allein kann’s nicht richten
Bundespräsident Alexander van der Bellen wollte seinen Besuch in Brüssel ausdrücklich nicht als erste Auslandsreise bezeichnen – weil die Europäische Union eben nicht Ausland sei. Ein schönes Signal. Dann legte sich Van der Bellen wegen des Brexit auch noch mit den Briten an und zog sich den Zorn der UKIP-freundlichen Presse zu. Um dann am Valentinstag vor dem Europäischen Parlament in Straßburg eine flammende Rede für den Zusammenhalt der EU zu halten. Der Bundespräsident zitierte das Märchen Hans im Glück und warnte davor, sich immer weniger EU und wieder mehr Nationalstaaterei als ein gutes Geschäft aufschwatzen zu lassen.
Die Stolpersteine liegen zu Hause herum
Es war ein gelungener Auftritt, und Alexander van der Bellen hat sich die Standing Ovations der Abgeordneten verdient. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass starke Worte allein den Rechtspopulisten mit ihren Märchen nicht das Wasser abgraben werden. Auch die Drohung, FPÖ-Chef Strache auf keinen Fall als Kanzler angeloben zu wollen, wird da nicht helfen. Wahrscheinlich sogar mehr schaden. Was fehlt, sind konkrete Handlungen, damit die EU wieder als ernstzunehmender Akteur wahrgenommen wird. Dazu zählen sicher nicht das propagandistische Rütteln an der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, weil das so schön in den Plan A passt, und auch nicht das nicht zu Ende gedachte Schattenboxen gegen den Freihandel. CETA. TTIP.
Es wird inszeniert, dass es einen schüttelt
Womit sich der Kreis zu Donald Trump und seinem kanadischen Sparringpartner in Sachen awkward handshakes schließt. Der eine will die Grenzen für manche Staaten mit muslimischer Mehrheit dicht machen, der andere hat daraufhin Refugees Welcome gepostet – aber nicht dazugesagt, dass Kanada sich seine Flüchtlinge genau aussucht und dabei durchaus restriktiv vorgeht.
Politik ist immer auch Inszenierung, und das muss nicht schlecht sein. Damit kann man bei den Menschen Interesse und Hoffnung wecken. Im traditionellen Amtsverständnis des österreichischen Bundespräsidenten ist das sogar eine seiner zentralen Aufgaben. Regierende haben aber eine andere Aufgabe. Sie sollen das Interesse rechtfertigen und die Hoffnung erfüllen. Jenseits und diesseits des Atlantiks.