Durch die rote Tür II
Die steinerne Miene, Klestil-Type, wäre angebracht, wenn er heute durch die rote Tapetentür geht, um diese Einmal-gehts-noch-Koalition anzugeloben. Doch Heinz Fischer wird nicht auf Vorgänger Klestil machen, dem im Angesicht von Schwarz-Blau nur geblieben war, grantig dreinzuschauen. Fischer wird sich freuen. Er hat sich Rot-Schwarz gewünscht und das möglichst vor Weihnachten. Das geht sich aus. Und dass diesmal kein Wissenschaftsministerium mehr unter dem Christbaum liegt, das hat den Bundespräsidenten in der Hofburg zwar nicht sehr gefreut, aber jetzt müssen wir halt das Beste daraus machen, sagt Fischer.
Das ist verräterische SPÖ-Sprachregelung. Sozialminister Hundstorfer hat sie am Sonntag Abend – seinem Spezi, dem neuen Wirtschafts-Wissenschaftsminister Mitterlehner im ORF-Talk Im Zentrum gegenübersitzend – auch verwendet. Aber kein Wunder: Der Sozialdemokrat Heinz Fischer war nach der Pionierin Hertha Firnberg der zweite Wissenschaftsminister dieser Republik und immer Gralshüter der Kreisky-Ära. Aus der stammte auch das eigenständige Wissenschaftsressort, das zwar die Angelobung überdauern wird – aber nicht das neue Bundesministeriengesetz. Fischer hätte natürlich ein Veto einlegen können, aber so ein Anliegen war es ihm dann auch wieder nicht. Hätte die Koalition gefährden können. Und wir werden ja das Beste daraus machen.
Wo war Fischers ordnende Hand?
Der Bundespräsident hat bei der Regierungsbildung eine gewichtige Rolle. Er kann zwar vorhandene parlamentarische Mehrheiten nicht auf den Kopf stellen, aber er hätte gerade bei so alternativlosen Szenarien wie dem aktuellen mehr einbringen können. Er hätte diese Koalition der Verlierer mit klaren Reformauflagen an den Start schicken können, damit sie zum Beispiel nicht schon wieder den Finanzausgleich ohne grundlegende Reform verlängern, damit sie auch nicht die x-te Kommission zur Reform des Bundesstaates einsetzen, damit sie nicht das Wahlrecht so demokratie-ermüdend lassen wie es ist und eine laue Demokratiereform noch einmal aufwärmen, um sie dann wohl endgültig in der Schublade verschwinden zu lassen, damit sie nicht weiter ideologisch verbohrt auf dem zukunftswichtigen Feld der Bildung herumtrampeln.
Sie machen das Beste daraus
Wir wissen nicht, wie sehr Heinz Fischer den Herren hinter der roten Tür ins Gewissen geredet hat. Gefruchtet hat es jedenfalls nicht viel. Wir haben jetzt ein Stückwerk als Koalitionspakt. Und wir machen das Beste daraus.
Zuerst einmal Medienschelte
Dazu gehört Kritik an der “veröffentlichten Meinung”, die der Vizekanzler und künftige Finanzminister übers Wochenende im Radio und im Fernsehen loswerden musste. Im Klartext: die Medien sind schuld. Die Journalisten kritisierten immer nur das, was nicht im Koalitionspakt drinnen steht. Und sie verstünden nicht, dass ein strukturelles Nulldefizit – also (fast) keine neuen Schulden, und das nachhaltig ab 2016 – sehr wohl ein großes, leuchtendes Projekt sei. Ein Paradigmenwechsel! Ja, eh.
Aber das hatten wir schon unter Grasser & Schüssel, dieses Ziel. Samt tickender Schuldenuhr in der Wiener Kärntnerstraße. Das Ergebnis ist bekannt. Und das, was im neuen Koalitionspakt drinnen steht, gibt wenig Anlass zur Hoffnung, dass es diesmal anders ausgeht und wir ab 2016 keine neuen Schulden mehr machen und bald darauf Budgetüberschüsse erzielen. Aber machen wir halt das Beste daraus.
Kanzler in Argumentationsnot
Der Bundeskanzler verbrämt seine Medienschelte gar nicht mehr, sondern geht die fragenden Journalisten und Journalistinnen gleich direkt an. Ganz besonders ungern lässt er sich an den SPÖ-Gerechtigkeitswahlkampf erinnern, dessen Kernstück die Einführung von Vermögensteuern war. Aber versprochen habe er in dem Zusammenhang nichts, das ist Werner Faymann wichtig. Kein Wunder, dass die SPÖ-Basis wütend ist. Eine komplette Landesorganisation hat dem SPÖ-Vorsitzenden die Gefolgschaft verweigert, Franz Voves – Vorreiter im Kampf für Vermögensteuern – hat ihm vor der Abstimmung über den Koalitionspakt den Stellvertreterposten hingeschmissen, der Bildungssprecher der SPÖ, Elmar Mayer, hat aus Protest gegen das Versagen bei der gemeinsamen Schule seine Funktion zurückgelegt.
Gremien & andere Ausreden
Aber im Bundesparteivorstand waren doch bis auf eine Handvoll alle dafür, hält Faymann dem entgegen. Als ob es die Wörter Parteidisziplin und Linientreue nicht gäbe. Im ÖGB- Vorstand habe auch nur einer dagegengestimmt, sagt Faymann – als ob der Gewerkschaft nichts Schlechteres passieren könnte als ein Programm der kleinen Schritte, die ihr nicht weh tun.
Auch der ÖVP-Obmann bemüht das einhellige Votum in seinem Parteivorstand, um den spürbaren Unmut herunterzuspielen. Und sagt nicht dazu, dass der steirische ÖVP-Chef früher gegangen ist und dessen Landesorganisation einen beispiellosen Aufstand macht. Der wider Willen ausscheidende Wissenschaftsminister Töchterle habe seinem Paket auch zugestimmt, versicherte Spindelegger zum Leidwesen des Tirolers – der nicht zugestimmt hat (und auch nicht hätte), weil er im ÖVP-Vorstand gar nicht stimmberechtigt ist. Der Tiroler Landeschef Günther Platter hat daraufhin die Beziehungen zur Bundespartei auf Eis gelegt.
Ein veritabler Fehlstart. Aber sie machen ja jetzt ganz bestimmt das Beste daraus.