Obergärig
Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet, dann wird wieder Politik für das Volk und nur für das Volk gemacht. Das hat Markus Frohnmaier gesagt, künftig Mitglied des deutschen Bundestages. Als einer von 94 Abgeordneten der Alternative für Deutschland, die als drittstärkste Kraft in den Reichstag einzieht. Frohnmaiers Spitznamen sind Kampfzwerg und Frontmaier, er ist Exponent des rechten Flügels der rechtsnationalistischen AfD. Also rechts-rechts. Im Frühjahr hat er den Chef der rechtsextremen Identitären Bewegung Martin Sellner aus Österreich zu sich eingeladen. Seine frühere Chefin Frauke Petry hat mit Heinz-Christian Strache auf der Zugspitze Weißbier getrunken.
Petry ist parteiinterne Widersacherin von AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland, der am Wahlabend den denkwürdigen Satz sagte: Wir werden sie jagen, wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen, und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen. Gauland hat noch ganz andere Sachen gesagt, und Petry meint, dass man mit so abseitigen Äußerungen keine Realpolitik machen könne. Am Tag nach der Wahl hat Petry die Fraktion mit einem Eklat verlassen, sie dürfte mit einer Spaltung der AfD-Riege spekulieren. Kommentar von Gauland: Unsere Partei ist ein gäriger Haufen, und jetzt ist halt jemand obergärig geworden.
Mögen andere entsetzt sein, FPÖ lobt AfD
Die FPÖ hält der AfD die Treue. Lob für den Wahlerfolg und kein klares kritisches Wort von Parteichef Strache. Die Alternative für Deutschland sei eine Partei, die sich in den Geburtswehen befindet, spielte Strache auf den Eklat um Frauke Petry an – deren Ehemann Marcus Pretzell übrigens für die AfD im Europaparlament sitzt und so wie die FPÖ der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit angehört. Das ist ein Klub von rechtspopulistischen bis rechtsextremen Parteien, dominiert vom Front National der Marine Le Pen. Großes Renommeé ist das keines.
Vergleich mit der Vorgängerpartei der FPÖ
Was die AfD betrifft, fiel FPÖ-Obmann Strache der Vergleich mit dem Verband der Unabhängigen, dem VdU, von 1949 ein. Das war ein Klub, der ehemalige Nazis angesprochen hat und aus dem 1955 die FPÖ hervorgegangen ist. Das heißt, sie hat noch viel an Entwicklung, auch noch viel an interner Bereinigung und Geschlossenheit vor sich, so Strache. Und er fügte hinzu, dass man mit der AfD in den Problemanalysen sehr wohl übereinstimme, aber nicht in den Lösungen. Wobei ja eher die Problemanalysen das Problem sind, denn Lösungen hat man von der AfD noch keine einzige gesehen. Im ZDF war dazu dieser Kommentar auf Sendung.
Zwischen berechtigter Sorge und Hysterie
Sorge um die liberale Demokratie darf und soll man äußern, man kann es aber auch übertreiben. So titelt der Spiegel ernsthaft: Sie sind da und spielt damit auf die Satire von Timur Vermes über die Reinkarnation Adolf Hitlers im Berlin des Jahres 2011 an.
Laut dem neuen Spiegel Cover hat eine 13% Partei die BRD übernommen.#CoverFail https://t.co/JlolsGtAq2
— Ali Utlu (@AliCologne) September 25, 2017
Rechter plus linker Rand bei 25 Prozent
Auch in Österreich hat es leicht hysterische Reaktionen gegeben. Am Wahlabend konnte man auf Twitter lesen, dass Sebastian Kurz das gute Abschneiden der AfD begrüßt habe. Was natürlich ein Vollholler war. Der ÖVP-Parteiobmann hat vielmehr betont, dass die Stärkung der Ränder – ob links oder rechts – keine positive Entwicklung sein könne. In seinem Bemühen, nur ja keinen falschen Ton in Richtung der FPÖ-affinen Wähler zu sagen, die er Strache abspenstig machen möchte, hat Kurz einen wichtigen Punkt getroffen. Nicht nur die AfD hat in Deutschland massiv gewonnen, auch die Linkspartei ist gestärkt worden. Sie liegt weiterhin vor den Grünen. Der linke und der rechte Rand zusammen haben ein knappes Viertel der Stimmen.
Strache und die relative Zurückhaltung
Das ist in etwa der Wähleranteil, den die FPÖ in Österreich allein hält. Die Partei erhebt auch den Alleinvertretungsanspruch für alle Unzufriedenen, Getäuschten & Betrogenen – ob links oder rechts, das ist einerlei. Die Eigendefinition Soziale Heimatpartei drückt es aus. Auch am inhaltlichen Spagat unter dem Schlagwort Fairness kann man es erkennen. Straches relative Zurückhaltung in Sachen AfD könnte ein Hinweis sein, dass er eine Ahnung hat, welche Verantwortung damit einhergeht. Aber es ist eben nur eine relative Zurückhaltung. Klare Worte fehlen – zu antisemitischen Anspielungen eines freiheitlichen Mandatars ebenso wie zu FPÖ-Inseraten in der als rechtsextrem eingestuften Aula und zu obergärigen Postings auf parteieigenen Facebook-Seiten.
Auch weiß man nie, in welchem Ausmaß die relative Zurückhaltung nur dem Ziel des Mitregierens nach der Wahl geschuldet ist. Es wird ein guter Teil sein. Und das werden die, die eine Koalition mit der FPÖ in Erwägung ziehen, mitbedenken müssen. Ist es einmal so weit, könnte es mit der relativen Zurückhaltung rasch vorbei sein.