An- und Zumutungen
zu marktüblichen Konditionen übernehmen Neben der gewohnten deutschen Qualität überzeugt mich die sportliche Limousine vor allem durch ihre Wertanmutung und technischen Highlights. Kira Grünberg, vor gerade einmal zwei Wochen als Nationalratsabgeordnete der Kurz-ÖVP angelobt, hat sich von Opel Austria ein Auto im Wert von 40.000 Euro schenken lassen und gibt sich auch noch für obiges Zitat im Pressetext und für ein peinliches Foto her. Diese Anmutung ist eine Zumutung. Nur noch getoppt von Annemarie Moser-Pröll, die via Servus TV ihre Anmutung kundgetan hat, was denn Sexismus sei, und von der Kronenzeitung, die da auch ihren Spezialisten hat, die aber vor allem meint, mit der Brechstange Politik machen zu müssen.
Darf sich die politische Quereinsteigerin, die 8.755 Euro brutto monatlich verdient, einfach so eine Limousine schenken lassen? Klar darf sie, schreibt der Kurier unter dem beschönigenden Titel: Opel schenkt ÖVP-Abgeordneter Auto: Ist das erlaubt? Der Punkt ist: Sie hat es sich schenken lassen. Formal kein Problem, wo doch alles in der Zeit eingefädelt worden ist, als Sebastian Kurz die prominente Tirolerin noch nicht als Überraschungskandidatin auf seiner Liste hatte. Und vor allem: das Auto-Geschenk müsste nachweislich das Stimmverhalten von Grünberg als Abgeordnete beeinflussen, damit Korruption vorliegt. Und das sei dem Klubzwang sei Dank nicht möglich, bei uns in Österreich. Mögen andere Länder saubere Regeln für die Geschenkannahme durch Mandatare haben, wir winden uns durch windige Regel-Auslegungen.
Freundliche Berichterstattung für ein No-Go
Der freundlichen Berichterstattung über ein politisches No-Go vorangegangen ist das knappe Statement des ÖVP-Parlamentsklubs, dass das Auto-Geschenk in Ordnung sei, weil es ja nichts mit der Abgeordnetentätigkeit Grünbergs zu tun habe. So hat man sich den neuen Stil, den die ÖVP unter Grünberg-Erfinder Kurz vor sich herträgt, vorgestellt. Die einzig nachvollziehbare Reaktion wäre gewesen, diese Marketing-Aktion von Opel rechtzeitig abzublasen – oder zumindest die Notbremse zu ziehen und zu sagen, dass man das Geschenk aufgrund der geänderten Umstände nicht annehmen werde. Man fragt sich ja auch, was das Unternehmen sich dabei gedacht hat, diese Aktion offenbar ohne Rücksicht auf politische Implikationen bis zum bitteren Ende durchzuziehen.
Skandalisierung von geldgierigen Ex-Abgeordneten
Durch freundliche Berichterstattung fällt die Kronenzeitung ja weniger auf. Aktuell ereifert sich das Boulevardblatt darüber, dass von den 85 Abgeordneten, die aus dem Nationalrat ausgeschieden sind, sich gleich 27 erdreisten, die im Gesetz vorgesehene Entgeltfortzahlung (75 Prozent des Bezuges) für drei Monate in Anspruch zu nehmen. Eine Überbrückungszahlung, die durchaus Sinn macht. Aber nicht für die Krone – die schreibt von Abkassieren, Zuckerln in Anspruch nehmen, Steuergeld verprassen. Würde der Datenschutz! nicht greifen, wie mit Rufzeichen bedauert wird, stünden die 27 Betroffenen längst namentlich am Pranger. Über Publikumsliebling Kira Grünberg und ihr Gratis-Auto schreibt die Krone übrigens im Sportteil. Kurz & freundlich.
Eisiger Wind aus der Muthgasse Richtung Hofburg
Warum soll es den geldgierigen Ex-Abgeordneten auch besser gehen als dem Bundespräsidenten, dem neuerdings ein besonders eisiger Wind aus dem Krone-Haus in der Wiener Muthgasse entgegenweht. Es geht um das Mittagessen von Alexander Van der Bellen mit den EU-Botschaftern im Hotel Imperial in Wien, wo die Namen zweier FPÖ-Spitzenleute gefallen sind, die für Van der Bellen nicht ministrabel sind. Schon da gab ihm die Kronenzeitung den Namen Professor Störenfried, nachdem er überdies mehr Schwung in den Koalitionsverhandlungen eingemahnt hatte. Und dann veröffentlichte das Blatt ein Gesprächsprotokoll mit zum Teil seltsamen Formulierungen, die der estnische EU-Botschafter – er war Gastgeber bei dem Mittagessen – als grob verfälscht bezeichnet hat. Alles sehr undurchsichtig, befand die Krone, nachdem sie das offensichtlich zum Teil gefakte Papier vorsorglich veröffentlicht hatte.
Der Ungeist des Herrn Silberstein wieder en vogue
Affäre oder Intrige? Fragt die Krone, und sie kann mit beidem gut leben. Sie scheut sich auch nicht, mit dieser Art von Berichterstattung die Autorität des Bundespräsidenten zu untergraben. Manche sehen darin ein Kalkül mit Blick auf die Regierungsbildung – dem Staatsoberhaupt solle quasi die Schneid abgekauft werden. Jetzt kann die Performance der Präsidentschaftskanzlei in den vergangenen Tagen durchaus kritisch gesehen werden – für die Respektlosigkeit auf der anderen Seite gilt das aber umso mehr. Es bleibt pikanterweise den Freiheitlichen vorbehalten, in diesem schrillen Konzert immer wieder für Alexander Van der Bellen einzustehen. Immer vorsichtig zwar, und dann auch einmal mit schrägen Assoziationen: FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sieht ein Störmanöver gegen Schwarz-Blau, von der SPÖ über die Bande des Auslands gespielt und vom Ungeist eines Herrn Silberstein getragen.
Über die Bande spielen & über die Bande schreiben
Dirty Campaigning also jetzt auch ohne Wahlkampf. Wenn es um die SPÖ geht, dann treffen sich FPÖ und Kronenzeitung ja wieder. Das auflagenstarke Blatt hat bereits während des Wahlkampfs keinen Zweifel daran gelassen, wen es nach Christian Kern im Kanzleramt sehen möchte. Da hat man auch über die Bande gespielt und die Liste Pilz massiv unterstützt, der Kolumnist Michael Jeannée möglichst viel Wählerzulauf von links wünschte und ganz offen dazusagte: All diese Wählerströme helfen der neuen Volkspartei von Sebastian Kurz auf ihrem Weg zur Nummer eins. Und jetzt ergreift die Krone nicht weniger stark Partei im Duell zwischen Michael Ludwig und Andreas Schieder um den Posten des Wiener SPÖ-Chefs und Bürgermeisters.
Da kann der Schieder Andi nur sagen: "Danke Jeannee"#ludwig #spö #schieder pic.twitter.com/U9TQNG48xs
— Gerd Millmann (@GerdMillmann) November 18, 2017
Jetzt schaut die Krone in Wien nach dem Rechten
Schieder ist nicht der Kandidat der Kronenzeitung, und das hat wieder einmal Jeannée offen aussprechen dürfen. Seine Kollegen unterfüttern das, wann immer es geht. Ob Mindestsicherung oder Krankenhaus Nord, Schieder bekommt sein Fett ab. Und auch seine aus der Politik ausgeschiedene Lebensgefährtin Sonja Wehsely kommt wieder zu zweifelhaften Ehren. Tatsächlich hat Wehsely als ehemalige Gesundheitsstadträtin schwere Fehler und eine gigantische Kostenexplosion beim Krankenhaus Nord zu verantworten, Schieder eher nicht. Doch die Kronenzeitung schreibt süffisant: Noch unangenehmer wird die politische Großwetterlage für Schieder und die Wiener Sozialdemokratie, wenn die nun bei Siemens beschäftigte Wehsely Ende Jänner oder im Februar vor einer KH-Nord-Untersuchungskommission vielleicht massiv belastet wird – und Schieder erst einige Tage zuvor zu Wiens SPÖ-Chef gekürt worden wäre.
Die hohe und die niedere Kunst des Fertigmachens
Gekürt worden wäre. Die hohe Kunst des Fertigmachens. Jemanden herunterschreiben in großer Perfektion. Das können Jeannée & Co. Der selbsternannte Postler hat sich mit einer sexistischen Sexismus-Kolumne auch schon einmal hinaus-geschrieben. Dem Herausgeber war es zuviel, er ließ die Kolumne für die Morgenausgabe aus dem Blatt nehmen. Ein Gefallen, den der Ski-Legende Annemarie Moser-Pröll niemand getan hat. Sie durfte im Mateschitz-Fernsehen zu den sehr bewegenden Aussagen der früheren ÖSV-Rennläuferin Nicola Werdenigg über sexualisierte Gewalt und Vergewaltigung im Skisport Stellung nehmen. Da gehören immer zwei dazu, hat Moser-Pröll gesagt, und es ist auf Sendung gegangen.
Der sexistische Kolumnist als eiskalter Vollstrecker
ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hat auch noch nie etwas von solchen Dingen in seinem Verband gehört, wie er sagt. Man darf gespannt sein, ob Jeannée dazu noch was schreiben darf. Einmal hat er Schröcksnadel die Stange gehalten, als der durch eine homophobe Aussage in einem Interview für Aufsehen gesorgt hat. Aber man weiß ja nie. Wenn es sein muss, lässt die Krone die, die sie eben noch hinaufgeschrieben hat, auch ganz schnell wieder fallen. Wie eben Peter Pilz nach dessen Eingeständnis von sexuellen Übergriffen und dem versuchten Rücktritt vom Rücktritt als Mandatar. Ausgerechnet Michael Jeannée hat da gleich eiskalt exekutiert: Nach Ihrem Blitzrücktritt war klar, dass es ein Comeback für Sie nicht geben wird. Die Frage war nur: Wie beschädigt bleibt uns PP in Erinnerung? Die Antwort lautet leider: maximal!
Update: Nach Beratungen im Ethikrat der ÖVP hat die Partei bekanntgegeben, dass die Abgeordnete Kira Grünberg den Opel zu marktüblichen Konditionen übernehmen werde, sich das Auto also doch nicht schenken lasse.