We entertain you
Wenn Bundeskanzler Sebastian Kurz den Papst besucht, um ihn zum 200-Jahr-Jubiläum von Stille Nacht, heilige Nacht nach Salzburg einzuladen, dann sind die Witze nicht weit. Der mit der nicht-sofortigen Heiligsprechung des ÖVP-Obmanns war der naheliegendste. Dabei sollte außer Streit stehen: Österreich darf stolz darauf sein, dass dieses weltberühmte Weihnachtslied in Salzburg entstanden ist. Und sollte uns der fröhliche Papst wirklich besuchen, dann dürfen wir uns auch freuen. Leider hat derzeit alles einen Hautgout, was der Kanzler einfädelt. Und sei es noch so genial. Das ist nicht nur, aber auch selbstverschuldet.
Bezeichnenderweise ist Sebastian Kurz gemeinsam mit Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer genau am Tag nach der Parlamentswahl nach Rom geflogen, als sich nach Abschluss der Stimmenauszählung die neuen italienischen Verhältnisse in ihrer ganzen Bizarrheit offenbarten. Eine Bewegung, die das V in MoVimento Cinque Stelle groß schreibt und damit Vaffanculo meint – nobel übersetzt heißt das: Du kannst mich mal. Und diese Bewegung ist seit Sonntag in Italien die mit Abstand stärkste Kraft.
Die ausländerfeindliche Lega, die mit der FPÖ und dem Front National im Europäischen Parlament gemeinsam in einer Fraktion sitzt, hat nach nur 4,3 Prozent bei der Wahl 2013 diesmal ein Rekordergebnis eingefahren und Bündnispartner Silvio Berlusconi abgehängt. Der, abgetakelt wie er ist, hat auch immerhin fast 14 Prozent erreicht.
Ich hatte heute im #Vatikan ein gutes und herzliches Gespräch mit Papst #Franziskus @Pontifex. Für mich eine wirklich beeindruckende Persönlichkeit! 1/3 pic.twitter.com/fOYDF9xhPQ
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) March 5, 2018
Die Wähler sind unzuverlässig wie nie, schlussfolgert Armin Wolf in seinem neuen Blog aus einer brandneuen Studie der Wahlforscher Fritz Plasser und Franz Sommer. Es geht in der spannenden Analyse um die Wahlen im Schatten der Flüchtlingskrise in Österreich und den Aufstieg der ÖVP unter Sebastian Kurz, trifft aber genauso auf die Italien-Wahl zu. Alles sei mit den Ereignissen bzw. Unterlassungen nach dem Jahr 2015 erklärbar und – im Fall von Kurz jedenfalls – unaufhaltbar gewesen, schreiben Plasser und Sommer. Das waren nicht nur Kurzens klare Worte gegen illegale Zuwanderung, die nebenbei auch die FPÖ in die Regierung gebracht und die Lega in Italien zu neuen Höhen geführt hat – und für die sich der Bundeskanzler jetzt auch den Segen des Papstes abgeholt hat.
Veränderungsversprechen wie bei Cinque Stelle
Das war vor allem auch das Veränderungsversprechen: Neuer Stil. Das alte System hinter uns lassen. Ich will unser Land verändern. Seit dem Mega-Wahlkampfauftakt der ÖVP in der Wiener Stadthalle Anfang Juli 2017 hat Sebastian Kurz das getrommelt. Die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien arbeitet wie die Lega mit Parolen gegen illegale Migration, die im Land der Anlandungen aus Nordafrika natürlich besonders verfangen. Die Partei des Ex-Komikers Beppe Grillo hat aber auch ein Veränderungsversprechen abgegeben – in Form einer Kampfansage an das laut Umfragen jedem zweiten Italiener regelrecht verhasste Parteiensystem. Neuer Stil. Transparenz. Keine Mauscheleien mehr. Die Leute um Grillo werden sich schwertun, alle ihre Versprechen einzuhalten, darin sind sich die Analytiker einig. Zu vielen würden sie es recht machen wollen.
Die FPÖ, in den Sog von Kurzens Politik geraten
Die Regierungspartei FPÖ kann ein Lied davon singen. Als Vertreterin des kleinen Mannes angetreten, ist sie in den Sog einer Politik der ÖVP geraten, die das Motto Leistung muss sich wieder lohnen da und dort anders versteht, als es der FPÖ-Klientel lieb ist. Das hat etwa zu hektischen Korrekturen beim Familienbonus geführt, und über den Plan, das Arbeitslosengeld komplett umzubauen, ist bis nach den Landtagswahlen erst einmal der landesfürstliche Mantel des Schweigens gebreitet worden. Die FPÖ-Sozialministerin ist in der Frage heillos geschwommen. Zur ablenkenden Unterhaltung des Publikums hat sich FPÖ-Obmann Vizekanzler Heinz-Christian Strache daraufhin beim Rauchverbot in Lokalen einbetoniert und dem ORF Beton gegeben. Seine Noten sind schlecht. Und das Nein der Schweizer zu #NoBillag freut Strache auch nicht.
+++ Schlussresultat: 71,6 Prozent sagen Nein zu «No Billag». Auch alle Kantone sind dagegen. https://t.co/ThmhQiAQrS #abst18 ^mk
— SRF News (@srfnews) March 4, 2018
Dämpfer für Strache, Kanzler nach Drehbuch
Doch der Kanzler hält seinem Koalitionspartner die Stange und unterhält das Volk mit wöchentlichen Happen, die nach dem Drehbuch der Message Control serviert werden. Aktuell steht das Staatsziel Wirtschaft auf der Speisekarte – ein Vorhaben, das die ÖVP schon mit der SPÖ umsetzen wollte, um auf Drängen der Landeshauptleute einen Hebel gegen Einsprüche von Umweltschützern bei Großprojekten – Stichwort: dritte Piste Schwechat – in der Hand zu haben. Verfassungsrechtler nennen das überflüssig und sinnlos. Doch Unterhaltung ist es allemal, und das Versprechen von Sebastian Kurz verlangt – wenn schon nicht Veränderung – so zumindest Betriebsamkeit. Die bricht verlässlich auch dann aus, wenn die Kronenzeitung entsprechend schlagzeilt.
Mehr Betriebsamkeit als Veränderung
Zuletzt stellte sich die Krone mit dicken Lettern gegen die gesetzlich vorgesehene Erhöhung der Parteienförderung, und es dauerte nur einen halben Tag, bis Kanzler und Vizekanzler in einer gemeinsamen Stellungnahme bekanntgaben: Die Erhöhung für heuer werde ausgesetzt. Wir wollen im System sparen, und dazu sollen auch die Parteien einen Beitrag leisten, so Bundeskanzler Kurz. Er hoffe doch, dass alle Parlamentsparteien den Beschluss mittragen. Für Betriebsamkeit ist also wieder gesorgt. Die Parteienförderung gehört reformiert, da besteht kein Zweifel. Führende Experten haben vor einem halben Jahr Vorschläge dazu gemacht. Die Valorisierung aussetzen ist einfacher, es hat nur auch den Nebeneffekt, dass die Parteiendemokratie weiter diskreditiert wird.
Die Bewegungs-Chefs in der Parteiendemokratie
Kurz und Strache ist das vielleicht nicht so wichtig. Beide sehen sich ja weniger als Parteichefs denn als Anführer von Bewegungen, die sie mit Postings, kleinen Videos und Statements in den Sozialen Netzwerken füttern. Die FPÖ überträgt jeden Auftritt von Strache live im Netz. Die ÖVP gibt auch einmal Einblick in die Koalitionsroutine, wenn Sebastian Kurz im Geplauder mit seinem Bewegungs-Sprecher Peter Eppinger am leeren Ministerratstisch erklärt, wer von den Kollegen und Kolleginnen wo sitzt. Ein Hauch von Facebook-Demokratie zieht vorbei. Kurz hat der Vergleich mit Emmanuel Macron immer gefallen, der französische Präsident hat im Gegensatz zu ihm allerdings tatsächlich eine Bewegung begründet und nicht nur eine verstaubte Partei aufpoliert und umgefärbt.
Eine klare Agenda, die nicht kommuniziert wird
Der Politologe Christian Blasberg hat jetzt in der ZIB2 ausgerechnet die Fünf-Sterne-Bewegung Grillos mit En Marche von Macron verglichen. Kurz würde sich gegen einen Vergleich mit Cinque Stelle heftig wehren, vom Unterhaltungswert steht ihm Grillo aber um nichts nach. Und auch sonst gibt es Berührungspunkte und Ähnlichkeiten, auch wenn das manchen vielleicht nicht gefällt. Ein gewisser Autoritarismus gehöre da auch dazu, schreibt der Politikwissenschafter Jan-Werner Müller.
Kurz ist ein starker Parteichef, und Schwarz-Blau bekennt sich dazu, Entscheidungen durchzusetzen. Das ist nicht falsch. Die Koalition hat auch eine klare Agenda. Die blitzt zwar immer wieder durch, aber sie wird von Kurz als Kanzler nicht kommuniziert. Das überlässt er den Freiheitlichen, und das ist falsch.
Die neue Blütezeit der Landesfürsten als Hypothek
Die Regierung macht sich damit – neben der Diskussion um Burschenschafter, Rauchen und Postenbesetzungen – das Leben zusätzlich schwer. Die neue Blütezeit der Fürsten in den Ländern wird ohnehin dafür sorgen, dass Abstriche in zentralen Reformvorhaben bei Kassen, Förderungen und Kompetenzen hingenommen werden müssen. Und es sieht so aus, als wolle man auch abwarten, bis die Opposition vielleicht wieder aufblüht. Den Grünen hat Eva Glawischnig mit dem Eintritt bei Novomatic den Rest gegeben. Sie macht jetzt auch in Entertainment, wie sie Glücksspiel und Sportwetten genannt hat. Das hat sogar bei Wolfgang Fellner, der in dieser Hinsicht wahrlich kein Waisenknabe ist, eine gewisse Fassungslosigkeit im Studiogespräch mit der Ex-Grünen hervorgerufen.
Wie lächerlich! Warum soll der österreichische Bundeskanzler nicht Business fliegen!? Und vielleicht könnte sich auch die Opposition mit wichtigeren Dingen beschäftigen. Es gäbe ja genug zu tun! https://t.co/akQjtuH1BO
— EvaDichand (@EvaDichand) March 6, 2018
Entertainment auch von den Grünen und der SPÖ
Ausschlaggebend sind aber die umtriebigen NEOS, die erst auf den schwarz-blauen Prüfstand für die Verfassungsmehrheit im Parlament kommen werden, und die SPÖ. Die Sozialdemokraten wissen gerade nicht, wie sehr sie sich über den Erfolg von Peter Kaiser in Kärnten freuen sollen. Aber die Freude ist ihnen zu gönnen, bevor die Niederungen der Hofübergabe in der Wiener SPÖ wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangen. Ob das so friktionsfrei über die Bühne gehen wird, wie die alte und neue Garde weismachen wollen, ist nämlich nicht ausgemacht. Bis dahin vertreibt man sich die Zeit mit ein wenig Entertainment: Der stellvertretende SPÖ-Klubobmann Thomas Drozda etwa hat sich mit der Verlegerin Eva Dichand um die Frage gematcht, ob der Kanzler wohl eh Economy zur Papstaudienz geflogen ist oder nicht. Gute Nacht, stille Nacht – kann man da nur sagen.
4 Gedanken zu „We entertain you“
Ein typischer Kappacher, der Wegscheider ohne erkennbaren Anspruch auf Satire ; ) von den öffentlich linken Gebührengeldverschwendern. Da wird ein ungenießbarer Wust und Mischmasch aus Wahlergebnissen aus dem In- und Ausland, Links, alberne Zwitschereien und skurrile Fotos mit noch “originelleren” Untertiteln in den eigenen rotgefärbten, linksverrückten Rahmen, pardon frame gepresst, um daraus irgendeine Conclusio zu basteln, die oftmals den Rezipienten, der im Herbst letzten Jahres dann doch nicht so gewählt hat, wie Sie das augenscheinlich kern gehabt hätten, leicht amüsiert bis kopfschüttelnd zurücklasst. #(m)ichauch sozusagen.
Welche Parallelen man aus unterschiedlichen politischen Vorkommnissen sieht oder zieht, bestimmt halt schon maßgeblich die kontrollierte message, die man senden möchte.
Nun, Di Maio von den fünf Sternen und Kurz sind fast gleich alt, das war es aber dann schon mit den Gemeinsamkeiten, abseits der berechtigten Ablehnung illegaler muslimischer Armutszuwanderung. Programmatisch liegen sonst Galaxien zwischen dem Ist-Kanzler mit stabiler Mehrheit im Nationalrat und dem italienischen Möchtegernpremier mit äußerst dürftigen Koalitionsoptionen. Der mediengeypte Megastar Macron mit sinkenden Beliebtheitswerten (Kurzens Werte steigen) hat hingegen wirtschaftspolitisch einiges mehr mit der türkisen ökonomischen Weltsicht (Lockerung des Kündigungsschutzes, Abschaffung der horrenden Vermögensbesteuerung…) zu tun. Aber da wird Ihnen wohl sicher ein heimischer Experte (Kategorie Schulmeister) aus der eigenen guten Meinungsblase beratend zur Seite stehen, warum der ex-sozialistische Ex-Investmentbanker doch so eine böse rechte Linie wie dieser österreichische Parvenu vertritt. Was wurde Kurz nicht in der guten Zwitscherblase wegen seines “Die Linke wurde in Frankreich abgewählt” verrissen. Nun ja, viel mehr hätte ihr Blick in der italienischen Nachwahlbetrachtung auf den perpetuierten Niedergang der Sozialdemokratie in ganz Europa, Kärnten war da ein chinesischer Reissack, fallen sollen. Da wurde der Sesselklebersozialist Renzi auf ein Mindestmaß seiner schon gottgleichen Präpotenz wahltechnisch zurechtgestutzt, ein charakterliches Schicksal, das er mit Christian Kern in gewisser Form teilt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die Sozialisten in keinem einzigen großen Land der EU (D, F, ES, I, PL, (GB)) mehr an der Regierungsspitze stehen, in 2 von noch 5 verbliebenen kleinen Ländern mit roten Machthabern es Journalistenmorde aufzuklären gilt und in Rumänien eine korrupte Clique aus Sozialisten und Liberalen das Justizsystem genauso wie die PiS Schergen in Polen aushöhlen wollen. Herbert P.s grammatikalisch einwandfreier Satz passt auch hier vorzüglich.
Es freut mich außerordentlich, Sie zu einer derart umfangreichen Polemik ermuntert zu haben. Schön, dass Sie mich offenbar trotzdem lesen. (Ich hoffe doch!)
Sehr geehrter Herr Kappacher,
natürlich lese ich weiterhin Ihren Blog oder die Tweets und behalte mir auch das Recht vor, völlig subjektiv, voreingenommen und nicht zu öffentlich rechtlicher Wahrung einer gewissen Neutralität folgend, meine Meinung zu ventilieren. Ich denke, dass Widerspruch oder kritisches Feedback das wesentliche Schmiermittel einer aufgeklärten, demokratischen Gesellschaft sind. Die Schulterklopfer und Claqueure in der Twitterblase werden Sie eh immer loben und retweeten, da darf es auch ab und an mal ein Polemikposting geben, das es mitunter völlig anders sieht.
Mit besten Grüßen, ein überzeugter Kurzwähler und Kappacherblogleser.
Auch beste Grüße!