Don ohne Donner
Nichts könnte das Dilemma des Werner Kogler besser illustrieren. Der Chef der Grünen ist der Mann im Maschinenraum der Koalition, wie er es selber definiert hat. Der gut informierte Josef Votzi hat Kogler jetzt zum heimlichen Mister Corona geadelt, zum Don der Koalition sozusagen. Ohne den grünen Vizekanzler würde die Kurz-Truppe in der Regierung schön ausschauen, ist die Botschaft. Aber: es ist Kogler, der mit dem Rücktritt von Ulrike Lunacek eine handfeste personelle Fehlentscheidung eingestehen und gleichzeitig dem Bundeskanzler, der diese Woche sein napoleonisches Kleinwalsertal erlebt hat, die Mauer machen muss.
Nach Das Beste aus beiden Welten ist Corona gekommen und die schwarz-grüne Regierung hat Koste es, was es wolle zu ihrem neuen Leitspruch gemacht. Eingefallen sei diese gut über die Lippen kommende Formulierung eben Werner Kogler und nicht dem Chefkommunikator des Kanzlers, dessen Aufgabe das Framing ja ist. Es war die bessere Übersetzung des englischen Whatever it takes von Mario Draghi, Sebastian Kurz habe Was immer es braucht einstudiert gehabt und sei dann spontan auf die stammtisch-tauglichere Variante des wirtshaus-erprobten Vizekanzlers umgeschwenkt. Kogler hat den Spruch am Freitag bei gleich zwei Auftritten ins Unkenntliche verstümmelt: Everything it takes ist eigentlich sinnvollerweise alles was es braucht, sagte er etwa in der ZIB2.
Auf der Bühne und im Maschinenraum
Jetzt könnte man anmerken: Genau deshalb sieht sich Kogler ja im Maschinenraum und nicht andauernd auf der Rampe wie sein Gegenüber Sebastian Kurz, der sogar einen simplen Stiegenaufgang im hintersten Winkel der Republik zur Bühne umfunktioniert und zu seinen jubelnden Fans spricht. Im Maschinenraum wird Politik gemacht, das ist das Wichtigste. Das will Werner Kogler mit diesem Bild auch vermitteln, er will sagen, dass es ihm um die Inhalte geht. Und die sind tatsächlich wichtiger als das Verkaufen, das bei der Kanzlerpartei seit der Machtübernahme von Sebastian Kurz im Mai 2017 im Vordergrund steht. Im Maschinenraum, da macht man sich aber bisweilen auch schmutzig. Man wird ölverschmiert und rußig. Auch wenn man darauf bedacht ist, unangepatzt zu bleiben.
„Wenn ich noch lange sekkiert werde, dann mache ich öffentlich, dass im Finanzministerium da einige nur als Groscherlzähler am Werk sind" – wie es hinter den Kulissen von Türkis-Grün derzeit wirklich zugeht.
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Es ist trotz Erlaubnis kein Spaziergang
Beispiel Spaziergang-Erlaubnis. Ohne das Veto der Ökos hätte es wochenlang eine noch strengere Ausgangssperre gegeben. Grünes Licht für Sport oder Spazierengehen sei im türkisen Plan nicht vorgesehen gewesen. “Die Aussendung war schon geschrieben, wir haben das noch hineinreklamiert”, so ein grüner Insider. Das schreibt Josef Votzi in seiner Kogler-Exegese im trend. Dass dieser berühmte vierte Grund fürs Ins-Freie-Gehen den Hardlinern um Kurz ein Dorn im Auge war, konnte man daran erkennen, wie widerwillig Kurz & Co. ihn erwähnten, bisweilen haben sie den vierten Grund einfach vergessen. Die Grünen haben es nicht geschafft, das als Erfolg zu verbuchen. Mutmaßlich, weil es die bis heute zur Schau getragene Harmonie gestört hätte. Als dann lange nach Ostern so richtig klar wurde, dass Besuche bei Verwandten und Freunden zu Hause nie verboten waren, wie Kanzler und Innenminister suggeriert hatten, bekamen die Grünen den Unmut der vielen, die sich verschaukelt fühlten, genauso zu spüren. In trauter Harmonie.
Die Tragödie mit den Groscherlzählern
Beispiel Kulturszene. Eine Kernzone von Grün-Sympathisanten, auf die in der Krise einfach vergessen worden ist. Ein desaströser Auftritt von Kogler gemeinsam mit der seit damals irreparabel beschädigten Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek. Da mangelte es an politischem Geschick und an Trittsicherheit auf dem ungewohnten Terrain, das muss der Grünen-Chef jetzt mit einer klugen Nachfolge-Entscheidung ausbessern. Da mangelt es aber vor allem an Unterstützung von Seiten des Finanzministers: Wenn ich noch lange sekkiert werde, dann mache ich öffentlich, dass im Finanzministerium da einige nur als Groscherlzähler am Werk sind, soll Kogler – der den Job liebend gern selber gemacht hätte – gesagt haben. Bei der Vorstellung des Öffnungsplans für Kunst und Kultur am Freitag hat der Vizekanzler das auch angesprochen: Es habe die Sorge gegeben, dass Kulturschaffende bei großzügigen Hilfen besser verdienen könnten als vor der Krise.
Kogler kennt kein Distancing zum Kanzler
Eigentlich eine unfassbare Aussage und unüberbietbare Kritik an der ÖVP, die ja das Finanzressort führt. Vorgebracht – oder besser gesagt: hingenuschelt – von Werner Kogler am Ende einer langen Pressekonferenz, wo schon keiner mehr richtig zugehört hat. Der Grünen-Chef, wie er leibt und lebt. Beim selben Medientermin ist Kogler auch auf den international beachteten und vielkritisierten Auftritt von Sebastian Kurz im Kleinwalsertal angesprochen worden. Kein Social Distancing durch den Kanzler, der im Gegenteil den Kontakt mit der Bevölkerung sogar gesucht hat, wie die Bilder nahelegen, so der Vorwurf. Kogler verteidigte Kurz. Der Kanzler habe ja eh betont, dass die Veranstalter überrascht gewesen seien über die plötzlich aufgetauchte Menschenmenge – die vorher via Facebook zu Bekundungen und Beflaggung aufgerufen worden war.
Nach Kleinwalsertal wieder nach Lehrbuch
Kein Wort Koglers, dass das ein Sündenfall war, der selbst den Leuten um Kurz schmerzlich bewusst ist. Der Kanzler habe ja auch gesagt, dass man aus diesem Vorfall lernen werde, fügte der koalitionstreue Grünen-Chef noch hinzu. Sebastian Kurz muss da nicht viel lernen, er kennt sein Lehrbuch auswendig. Verteidigen tun ihn die Grünen und seine Landeshauptleute. Er selbst hat am nächsten Tag ein Maskenfoto gepostet, von einem Drive-in für Corona-Tests in Innsbruck. In einem ZIB2-Interview hat Kurz dann nicht sich selbst verteidigt, sondern die armen wie entbehrungsreichen Gemeindebürger von Mittelberg, die ihm im Kleinwalsertal gehuldigt haben. Rhetorisch schwer zu übertreffen und das Geheimnis seines Erfolges. Kurz streut auch noch ein, dass die anwesenden Medienleute nicht auf den Abstand geachtet hätten. Don’t mess with Message Control.
Und wieder Schmieröl, damit es nicht quietscht
Im gleichen Interview, in dem es um das corona-königliche Bad in der Menge gegangen ist, kam auch die Frage nach Ulrike Lunacek und was an den Rücktrittsgerüchten dran sei. Der ÖVP-Chef hat so geantwortet, dass kein Zweifel mehr bestehen konnte: dieser Rücktritt steht unmittelbar bevor. Und damit war auch klar, dass es Don Kogler sein wird, der Kurzens fatales Bad in der Menge ausbaden wird. Durch abrupten Themenwechsel hin zum Versagen der Grünen bei der Kultur. Kogler kommt aus dem Maschinenraum, versucht zu reparieren, was geht. Und dann verschwindet er wieder nach hinten und schüttet Schmieröl nach, damit es nicht quietscht, wenn ER auf die Bühne springt.
Ein Gedanke zu „Don ohne Donner“
Naja, also alles ist vermutlich nicht auf dem Mist von Werner Kogler gewachsen. Er hat ja noch den ehemaligen Totengräber der Grünen aus der vorletzten Wahl bei sich ins höchste Amt gehievt. Dieser ehemalige Tennistrainer liefert ihm “Strategie”. Wa das auch immer sein mag. Grün ist es eh nicht…