Das Hörl-Paradoxon
Der Tiroler Skilehrerverband hat in dieser Zeit in Jochberg weder eine Skilehrerfortbildung noch eine Skilehrerausbildung durchgeführt. Christian Abenthung vom Skilehrer-Verband Tirol widerspricht dem Leiter des Corona-Einsatzstabs von Tirol, Elmar Rizzoli. Der hat versucht zu beruhigen, nachdem bei 17 meist britischen Staatsbürgern in Jochberg die mega-ansteckende Corona-Variante B117 vermutet werden muss. Die Leute seien zu beruflichen Zwecken in Tirol im Rahmen einer Skilehrer-Aus- und Weiterbildung aufhältig, so Rizzoli. Sie machen wieder alles richtig. Die New York Times hat wieder was zum Schreiben über das lustige Land in the Alps, das alles zusperrt außer seine Seilbahnen.
Ja, es gibt auch Cluster in einem Heim in Wien sowie im Burgenland, bereits Anfang Jänner sind die ersten vier Corona-Fälle mit B117 in Österreich registriert worden – und es wird wohl auch weitere Eintragungen geben, wie der Mikrobiologe Andreas Bergthaler in der ZIB2 gesagt hat. Aber: Jochberg bei Kitzbühel, wo demnächst mehrere Weltcup-Rennen stattfinden sollen, von denen die ersten trotz viraler Garantie des impfwütigen ÖSV-Präsidenten Peter Schröcksnadel schon abgesagt worden sind, weckt Erinnerungen an das Fanal Ischgl. Seit Tagen steigen im Tiroler Unterland die Infektionszahlen, jetzt gibt es eine mögliche Erklärung. Vielleicht gilt die ja auch für Salzburg, wo seit Wochen keiner eine Erklärung für das österreichweit heftigste Infektionsgeschehen hat. Indizien gab es.
Die Öffnung der Skilifte als Sündenfall
Der Sündenfall war die paradoxe Öffnung der Skilifte trotz Lockdown. Sie war als Zuckerl für die Einheimischen gedacht und hat als solches zwar schon – aber sonst eher nicht funktioniert, wie man speziell in den von den Ballungszentren Wien und Linz aus gut erreichbaren Skigebieten sehen konnte. Und die Drängel-Bilder, über die sich die lokal und national Verantwortlichen natürlich entsetzt gezeigt haben, die haben das Geschehen wohl kaum lückenlos dokumentiert. Die offenen Lifte wurden nicht nur von Einheimischen genutzt, es haben sich auch Geschäftsreisende unter die Pistenfreudigen gemischt. In Tirol hat es die Beherbergungsbranche auch mit dem vom Gesundheitsminister in Wien verhängten Betretungsverbot vulgo Lockdown nicht so genau genommen, wie das ORF-Landesstudio recherchiert hat. Nur bei einer von acht Buchungen kam als Reaktion die regelkonforme Absage mit Verweis auf den aktuell geltenden Lockdown.
Eine Herde von schwarzen Tiroler Schafen
Volle Härte gegen alle, die gegen Regeln verstoßen und damit der Gesundheit und der gesamten Branche schaden! So ruft es uns aus einer Aussendung von Franz Hörl aus dem Zillertal entgegen. Hörl ist der Obmann des Fachverbands der Seilbahnen und damit einflussreicher ÖVP-Lobbyist. Er vermutet jetzt vorsorglich empört schwarze Schafe, wo die ORF-Tirol-Recherche doch schon eine kleine Herde davon zu Tage gefördert hat. Hörl war es auch, der die Pannen mit hässlichen Bildern aus diversen Skigebieten über die – abseits der Pisten – ruhigen Feiertage beschwichtigend begleitet hat. Ganz nach dem Motto der Parteifreundin und Tourismusministerin: Die Seilbahnbetriebe haben schnell dazugelernt – und die Skifahrer auch. Wir vertrauen darauf, dass die Menschen nach neun Monaten Pandemie die Regeln verinnerlicht haben. Wie man gesehen hat.
Die fehlenden Pandemiepläne der Seilbahner
In diesem Spiegel-Interview von Ende November 2020 hat Köstinger noch etwas gesagt: Die Betreiber haben umfassende Präventionskonzepte, die sie auch umsetzen. Ein Wort, das so nicht gehalten hat. Wie eine repräsentative Befragung der Wirtschaftsuniversität Wien zusammen mit der Technischen Universität Wien und dem deutschen Fraunhofer Institut zeigt, hatten im Dezember 2020 – also lange nach dem Köstinger-Interview – mehr als 90 Prozent der Liftbetreiber noch keine Pandemiestrategie. Ein Drittel hatte auch gar nicht vor, eine zu erstellen und umzusetzen. Konkret: nur sieben Prozent der Liftbetreiber gaben an, eine Pandemiestrategie bereits fertig entwickelt zu haben. Weitere 23 Prozent sagten, die Entwicklung werde bereits durchgeführt, und 21 Prozent gaben an, dass eine Entwicklung geplant sei. Satte 32 Prozent hingegen planten keine Entwicklung einer Pandemiestrategie. 18 Prozent konnte keine Auskunft zu der Frage geben.
Der Kulturbranche bleibt nur der Sarkasmus
Sie haben es nicht ernst genommen. Ihre Kunden haben es auch nicht ernst genommen. Der Sündenfall, das war nicht der legitime Versuch, eine für Österreich sehr wichtige Branche nicht komplett zuzudrehen – sondern dass dabei beide Augen zugedrückt wurden. Wenn Franz Hörl vom künstlichen Aufbauschen einzelner Bilder gesprochen hat, wo doch nur eine Familie am Lift zusammensteht. Und gleichzeitig ist komplett auf die Kunst und Kultur vergessen worden, denen sind nur sarkastische Hilfeschreie a la Bogdan Roščić geblieben: Vielleicht müssen wir das Publikum ja demnächst bitten, nicht nur wegen der Ausgangsbeschränkungen schon am Nachmittag und frisch getestet, sondern auch in Skischuhen zu erscheinen, damit ein Stattfinden der Vorstellung garantiert werden kann. Und das Rabenhoftheater in Wien-Erdberg hat folgerichtig das Ski-Resort Erdberger Alpen mit den Staatskünstlern als Liftwarten ins Leben gerufen.
Ist Skifahren & Hotel im Februar überhaupt denkbar, fragt @SusanneSchnabl den Gesundheitsminister. Keine Antwort im #orfreport dazu.
— Stefan Kappacher (@KappacherS) January 12, 2021
Die große Ungewisse und die Semesterferien
And here we go. Wir diskutieren, speziell angeheizt von der Epidemiologin und SPÖ-Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner, ob nach dem Lockdown alle lustig ohne Test zum Wirten gehen dürfen, während man sich in jedes Kino, Theater und Museum mit einem gewissen Aufwand hinein-testen müsste. Dabei ist angesichts der Zahlen und der großen Ungewissen B117 eine Verlängerung des Lockdown über den 24. Jänner hinaus ziemlich wahrscheinlich. Das Familien-Skifahren in den Semesterferien kann man sich nach den schönen Vorlagen des Rabenhofs aufmalen, wenn man die Erkenntnis aus der Zeit der Lockdown-Öffnung der Seilbahnen und Lifte ernst nimmt. Beine vertreten am Semmering hin, frische Luft schnappen in Hinterstoder her: das – nennen wir es Hörl-Paradoxon – hat das Gefühl verstärkt, der Lockdown sei wurscht. Und das sollte uns nicht wurscht sein.
Update: In Kitzbühel wurden die ersten Weltcup-Rennen wegen der Virus-Mutation im nahen Jochberg auf Anordnung der Landes- und der Bundespolitik am Mittwoch abgesagt (im Text ergänzt).
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